Karlshuld
Zur Heirat vor 70 Jahren gab es ein Kalb

Maria und Albert Lukas feierten gestern ihre Gnadenhochzeit in Karlshuld

07.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:27 Uhr
70 Jahre verheiratet zu sein, ist eine Gnade: Maria und Albert Lukas feierten Gnadenhochzeit in Karlshuld. Stellvertretender Landrat Alois Rauscher (l.), Bürgermeister Karl Seitle (2.v.l.) und Pfarrer Paul Igbo (r.) gratulierten. −Foto: Foto: Hammerl

Karlshuld (SZ) Bunte Luftballons wiesen den Weg zum Jubelpaar am Unteren Kanal.

Maria und Albert Lukas feierten gestern das seltene Jubiläum der Gnadenhochzeit gefeiert. Seit 70 Jahren sind sie nun verheiratet und genossen ihren Ehrentag. Beide sind geistig voll auf der Höhe.

Seit seiner Herzoperation vor zwölf Jahren muss der heute 91-Jährige allerdings langsam tun. Bis dahin haben die beiden ihr gemeinsames Hobby, das Reisen, intensiv gepflegt, waren in Portugal, Marokko, Zypern, Griechenland, Polen, Israel, am Nordkap, Belgien, in der Hohen Tatra, Monaco und zuletzt Island. Von den beeindruckenden Geysiren schwärmt er heute noch. Maria Lukas sind ihre 90 Jahre nicht anzumerken. Zwar sagt sie, mit dem Laufen ginge es nicht mehr so gut, dennoch lief die Jubilarin unermüdlich zwischen Haus und Hof hin und her, bis Bürgermeister Karl Seitle, stellvertretender Landrat Alois Rauscher, Pfarrer Paul Igbo und die anderen unterm Sonnenschirm sitzenden Gäste mit Essen und Getränken versorgt waren. "Nur alle 50 Jahre" gebe es in Karlshuld eine Gnadenhochzeit, sagt Seitle verschmitzt, denn wie beim hundertjährigen Hochwasser, das sich auch nicht immer an die Regeln hält, hat er heuer schon zum zweiten Mal die Freude, Gnadenhochzeitern zu gratulieren, während es davor tatsächlich mindestens 50 Jahre keine gegeben hatte.

Es war eine harte Zeit damals, 1948, die Nachkriegszeit. Kennengelernt hatten sich die gebürtige Hohenriederin und der waschechte Karlshulder fünf Jahre vorher, mit 15 beziehungsweise 16 Jahren, "beim Spazierengehen am Bahnhof von Niederarnbach". Dann wurde er eingezogen, erlebte noch ein Jahr des Krieges mit, zunächst an der Ostfront, dann im Westen. Im September 1946 kehrte er nach zweijähriger Gefangenschaft in Reims zurück. Getraut wurde das Paar standesamtlich von Bürgermeister Josef Baur im Rathaus, das sich damals in der Klosterwirtschaft befand. Ein Tag später, an einem Samstag, folgte die katholische Trauung durch Pfarrer Josef Pfersich in St. Ludwig Karlshuld. "Ich durfte nicht in Weiß heiraten", erzählt Maria Lukas, "der Pfarrer hätte mich nicht eingesegnet". Das älteste Kind war nämlich bereits elf Monate alt. Sie schickte sich drein und trug ein "schönes, schweres, schwarzes Kleid". Gefeiert wurde beim Ignaz in Kleinhohenried, Fleisch mussten sie selber mitbringen. "Mein Vater schlachtete eine große Sau und kaufte im Kloster Hohenwart ein Kalb", erinnert sie sich, "und die Flüchtlinge, die bei meinem Mann einquartiert waren, backten den Kuchen". In Vergessenheit geraten ist die Tradition des Tortenaufsingens, die damals noch praktiziert wurde. Die beiden Kranzljungfrauen trugen Torte und Wein zum Brauttisch, gingen aber immer nur einen Schritt weiter, wenn der Brautführer, ihr Bruder Hans Geistbeck, ein Schnaderhüpferl zum Besten gegeben hatte. Das Geld, das die beiden zur Hochzeit bekamen, "ist kurz darauf verreckt" - am 20. Juni war Währungsreform. Einen Beruf gelernt hatten beide nicht. Er arbeitete einige Jahre als Knecht, dann zehn Jahre bei einem Maurer und später beim Audi-Vorläufer DKW. Um dort angenommen zu werden, musste er allerdings tricksen. "Die nahmen nur Leute aus dem Umkreis von zehn Kilometern", erzählt er. Von Karlshuld waren es 25. Also bat er einen Onkel um ein Schreiben, in dem der bestätigte, der Neffe könne bei ihm übernachten. "Ich bin die 25 Kilometer jeden Tag zweimal geradelt", verrät der 91-Jährige. Spannend auch seine Berichte von den fünf oder sechs Sommern, in denen er mehrere Wochen lang in Kempten als "Heier" arbeitete - von 5 Uhr früh bis 23 Uhr nachts. Dorthin gelangte er ebenfalls mit dem Radl. Arbeiter und Bauern trafen sich in einer Gastwirtschaft. Beim ersten Mal fuhr er auf Verdacht hin, "später hatte ich meinen festen Bauern", erzählt er. 60 Mark, Essen und Unterkunft gab es für die Helfer bei der Heuernte - viel mehr als Zuhause. "Bei uns gab es keine Arbeit damals", erinnert er sich.

Während er den Lebensunterhalt verdiente, zog sie die Kinder groß und kümmerte sich um Haushalt sowie den großen Garten, den sie heute noch bestens in Schuss hält. Neben den drei Töchtern gehören nun vier Enkel und fünf Urenkel zur Familie.

Andrea Hammerl