Schrobenhausener Land
Von den geheimnisvollen Bier- und Eiskellern

12.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:22 Uhr
Die Lüftn am Kellerberg war dereinst ein Mekka der Bierbraukunst. Heute entwickelt sie einen eher rustikalen Charme. Über unterirdische Gänge soll sie Gerüchten zufolge mit dem Lindenkeller oder der ehemaligen Gritschenbrauerei verbunden sein. Konkrete Beweise dafür hat aber bisher wohl niemand gefunden. −Foto: Floerecke

Im Schrobenhausener Land gibt es zahlreiche vergessene oder verlassene Orte, die neudeutsch gerne mal als "Lost Places" bezeichnet werden. Stillgelegte Industrieanlagen, Häuser, Bahnhöfe oder Brauereien zum Beispiel. Aber auch unterirdische Bier- und Eiskeller, die es im Stadtgebiet an mehreren Stellen gegeben hat, können darunter fallen.

 

Bierbrauen zählt in Schrobenhausen zu einem der ältesten und bedeutendsten Gewerbe der Stadt. Bereits im 17. Jahrhundert, tragen es Wolfram Proeller und Barbara Zeitelhack 1991 zusammen, hat es hier zwölf "Präuer", wie es seinerzeit hieß, gegeben. Jahrzehnte vergingen.

 

In den 1950er Jahren existierten im Stadtgebiet, weiß Schrobenhausens Kreisheimatpfleger Hans Hammer, immer noch fünf aktive Brauereien: der Öfelebräu, die Postbrauerei, der Zacherbräu, die Gritschenbrauerei und die Brauerei Kurz. Sie alle betrieben ihre Bier- und Eiskeller. Besonders am Kellerberg, erzählt Hans Hammer, seien die unterirdischen Räume überwiegend in der Zeit um 1860 bis 1870 entstanden. Teile davon wurden sogar erst nach und nach entdeckt.

 

Im 19. und 20. Jahrhundert bis in die 1960er Jahre hinein schnitten die Brauer in den Wintermonaten mit Sägen reichlich Eis aus den umliegenden Weihern, transportierten es mit Pferdefuhrwerken ab und lagerten es in den verschiedensten Bier- und Eiskellern für die Sommermonate ein. Die Eisdecke, erzählt Hans Hammer, habe gut zehn Zentimeter erreichen müssen, ansonsten wäre das Eis für die Arbeiter nicht tragfähig genug gewesen. Die Eisernte, wie man diesen Vorgang zu jener Zeit auch nannte, sollte mit Verbreitung der Kältetechnik und des Kühlschranks bei kleineren Brauereien auf dem Lande erst vor rund 80 Jahren enden.

 

Der Zacherbräu zum Beispiel, der sein Brauhaus samt Wirtshaus im Tal in der Schrobenhausener Altstadt betrieb, hatte direkt unter der heutigen Sig's Kneipe, dem Lindenkeller, sein Bier- und Eislager. Dort wurden, erinnert sich Elsa Schreier aus Drei Linden heute noch gut, große Holzfässer und viel Eis aufbewahrt. Der Aufzug habe dabei geholfen, die Fässer ein- und wieder auszulagern. Über dem Keller sei eine Art Stallung gestanden, durch eine Öffnung habe man die Eisbrocken nach unten gelassen, erzählt sie.

 

Um 1952 wurde dann eine weitere Brauereigaststätte an die Stelle der damaligen Stallung gebaut, die später zur Kneipe umgestaltet wurde. Der Schrobenhausener Künstler und ehemalige Gastronom Sig Fabig berichtet von zwei Räumen unter dem Gebäude in jeweils knapp neun Meter Tiefe, errichtet als Rundbogen mit Ziegelsteinen. Ausgegangen wird davon, dass der neuere der beiden Kellerräume sogar erst um 1900 entstanden ist.

 

Gritschenbräu hatte unter anderem Eis in den Kellerräumen unterhalb des ehemaligen Brauerei- und Gastwirtschaftsgebäudes "Zur Lüftn" gelagert. Das in die Jahre gekommene Bauwerk versteckt sich von der Hauptstraße aus hinter Bäumen und Sträuchern. Für den einen mag der Gebäudekomplex von außen in seinem heutigen Zustand etwas Geheimnisvolles ausstrahlen. Für den anderen wird er wegen der teils auch mit Pflanzen zugewachsenen Fassade und des verwilderten Drumherums womöglich eher spröden Charme versprühen.

Jahrzehntelang braute die Gritschenbrauerei dort am Kellerberg fleißig Bier. Als Kleinbrauerei wurde die Lüftn damals bezeichnet. Im Winter wurde vor allem, wie damals üblich, Märzen und Starkbier gemacht. Nach Kriegsende wurde die Lüftn zu einem Tanzlokal umgebaut, das um 1960, wie einige Schrobenhausener rückblickend berichten, geschlossen wurde. Zwei Betriebswohnungen beherbergte das Gebäude noch bis Mitte der 1970er Jahre. Seitdem steht es leer.

Immer wieder kursierten unheimliche, mysteriöse Spukgeschichten über die unterirdischen Bier- und Eiskeller in Schrobenhausen. Von angeblichen Geheimgängen von der Lüftn runter zum Lindenkeller oder vom Lindenkeller in die Schrobenhausener Altstadt sei die Rede gewesen, sagt Sig Fabig. Doch weitere Gänge oder zugemauerte Stellen aus dem Lindenkeller wurden nicht entdeckt. Zumindest bisher nicht.

SZ

 

Thomas Floerecke