Schrobenhausen
Über sieben Saiten musst du geh'n

Jakob Rattingers Gambenwettstreit: Max-Emanuel-Edition als Vorgeschmack auf die Barocktage 2018

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:49 Uhr
Gewinner der Neuauflage eines musikalischen Streicherwettstreits zwischen Geige (Lina Tur Bonet) und Gambe (Jakob Rattinger) - bei kongenial-kontinuierlicher Unterstützung durch Christian Brembeck (Cembalo), Axel Wolf (Theorbe) und Gudrun Petruschka (Barockgitarre) - waren wieder einmal die Zuhörer. −Foto: Foto: Erdle

Schrobenhausen (SZ) O wie so kriegerisch sind Streicherherzen?

Begannen auch die zehnten Barocktage Schrobenhausen mit einem Wettkampf "Gambe versus Geige", gab es am Ende vor 80 begeisterten Besuchern im Pfarrsaal doch ringsum nur Gewinner.

Historisch war der Gambe, obwohl einst das gefragteste Solo-Streichinstrument, trotz Unterstützungsschriften zur "Verteidigung der Gambe gegen Angriffe der Geige und Anmaßungen des Violoncellos", nicht mehr zu helfen - der Siegeszug von Violine und Streichquartett war unaufhaltsam. Galliergleich weiß sich Gambist Jakob Rattinger nicht damit abzufinden, er streitet erfolgreich für die Ehrenrettung seines vielsaitigen Instruments, und sei es unter Zuhilfenahme der nur viersaitigen Geige. Und daher konnte man sich am Sonntag als fast traditionellen frühsommerlichen Vorgeschmack der Barocktage 2018 mit dem fünfköpfigen Ensemble "musica narrans" auf ein Konzert freuen, wie es in Bayern auch zu Lebzeiten des musikbegeisterten Blauen Kurfürsten am Hofe Max Emanuels hätte stattfinden können.

So wohltuend der Nachmittag seine Sonnenstrahlen in den Pfarrsaal von St. Jakob scheinen ließ, so klar widerlegte das Konzert eventuelle Vorurteile gegen den vorgeblich unsinnlichen Klang des historischen Instrumentariums. Lisa Tur Bonet an der Barockvioline, tatkräftig unterstützt von Cembalist Christian Brembeck, Axel Wolf an der Theorbe und Gudrun Petruschka (Barockgitarre) überzeugte mit einer improvisatorisch-zupackenden Lesart der g-moll-Sonate aus dem opus 5 von Arcangelo Corelli, sozusagen dem Alten Testament der Violinliteratur: ein lebendiger Wechsel im Ausdruck auf engem Raum, gleichermaßen kraftvoll oder zart, versunken im Dialog mit dem Cembalo oder extrovertiert in den virtuosen Vivace-Teilen.

Zu hören war den regelmäßigen Freunden der Barocktage sicher Vertrautes, etwa eine Auswahl der stets mitreißenden Folia-Variationen von Corelli und Marin Marais oder die Chaconne G-Dur von Jacques Morel, einem Schüler von Marais: eine Chaconne, wie sie klingen soll, dabei oft mit parallel geführter Gambe und Violine, kein Gegen-, sondern ein wunderbar aufeinander abgestimmtes Miteinander der Musiker.

Bei zweien seiner "Leib- und Magenstücke" von Tobias Hume übergab Jakob Rattinger die Solistenrolle an Axel Wolf, der die Theorbentöne sinnieren und perlen und tanzen ließ, dass es hier eine reine Freude war. Daneben bewies Rattinger mit einer Suite von August Kühnel, um 1680 für kurze Zeit am Münchner Hof tätig, nicht nur, wie erfolgreich er dem emotionalen Gehalt der Musik nachspürt, sondern auch, wie volltönend die Gambe in der Cello- und Basslage zu klingen vermag.

Lina Tur Bonet steuerte eine Sonate der Komponistin Elisabeth Jacquet de la Guerre vor, die um 1700 hörbar französische und italienische Stilelemente bei durchaus kühner Harmonik mischt - es wurde hörbar, warum Tur Bonet diesen Werken kürzlich eine eigene CD gewidmet hat.

Als gemeinsame Zugabe noch eine Chaconne, diesmal direkt von Meister Marais, Glockenklänge der "Sonnerie de Ste Geneviève du Mon de Paris", deren Geigeneinsätze schon andeuten, wie die Violine bereitstand, die Diskantgambe als höchstes Streichinstrument zu verdrängen.

Damit Kunst- und Sportfreunde auch den anschließenden Fußballwettkampf Deutschland versus Mexiko verfolgen könnten, hatte man auf bürgermeisterliche Begrüßungsworte verzichtet und einen besonders raschen Programmablauf angestrebt. Lieber aber noch eine Halbzeit Barockmusik, denn im Hinblick auf perfektes Zusammenspiel, zupackendes Können, gelungenen Ensemblegeist, und hervorragende Einzelleistungen hätte es für die unkünstlerische DFB-Elf an den fünf Wettkämpfern der "musica narrans" um Jakob Rattinger so manches abzuschauen gegeben!

Florian Erdle