Peutenhausen
Über fehlende Motorhauben und andere Phänomene

<DK-XY_trifft>SZ TRIFFT</DK-XY_trifft> die 22-jährige Lena-Marie Euba aus Peutenhausen, die ein Jahr in Russland war

20.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:26 Uhr
Matrjoschkas und Pawlowski-Tuch: Neben Souvenirs hat Lena-Marie Euba viele Erinnerungen mit nach Hause gebracht. −Foto: Foto: Tyroller

Peutenhausen (SZ) Obwohl es von München unter vier Stunden Flugzeit nach Moskau sind, können doch die wenigsten behaupten, schon einmal in Russland gewesen zu sein. Nicht so die 22-jährige Lena-Marie Euba. Obwohl gerade erst ein Jahr Russland hinter ihr liegt, zieht es sie im September für ein weiteres halbes Jahr dorthin.

Doch wie kam es zum ersten Jahr in Russland? "Ich habe in der Uni Russisch gelernt und viele Kurse zur russischen Kultur belegt", so die Studentin. Das hat sie neugierig gemacht, denn so viel ist gar nicht über die russische Kultur bekannt. Außerdem: Man könne nicht Russisch lernen, ohne jemals in im Heimatland der Sprache gewesen zu sein.

Mitte August vergangenen Jahres ging das große Abenteuer dann mit einem Koffer und einem Rucksack - inklusive dicker Winterjacke - los. Eubas Ziel war die russische Stadt Nischnij Nowgorod, die für ein Jahr ihr neues Zuhause sein sollte. Dabei hat sich die Studentin bewusst gegen eine Metropole wie Moskau entschieden. Zwar ist Nischnij mit 1,3 Millionen Einwohnern auch nicht zu verachten, allerdings "herrscht dort noch mehr russisches Flair". Diese Entscheidung hat die Studentin auch keine Sekunde lang bereut.
"Das erste Semester lebte ich im Studentenwohnheim", erzählt Euba. Zwar konnte das Wohnheim mit seiner direkten Nähe zur Universität punkten, allerdings musste sie sich dort ihr Zimmer mit zwei weiteren Studentinnen teilen. Generell war dort alles sehr beengt und es gab keinerlei Privatsphäre. Darum war die Freude groß, als die Peutenhausenerin im zweiten Semester ein WG-Zimmer fand und so aus dem Wohnheim ausziehen konnte.

Doch nicht nur der generell niedrigere Lebensstandard in Russland, den sie ihm Studentenwohnheim erfahren hat, hat Euba verblüfft. Ausgestattet mit einer dicken Winterjacke war sie angereist. Schließlich liegt teilweise in Nischnij schon im September Schnee. Als sie jedoch im September dort war, konnte sie ihre Jacke erstmal eingepackt lassen. Generell sei es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass es in Russland das ganze Jahr über schneie. Im Sommer klettern die Temperaturen in den meisten Teilen Russlands durchaus auf 30 Grad, so Euba.

Allgemein kann Lena-Marie Euba nach ihrem Aufenthalt in Russland mit vielen russischen Klischees aufräumen. "Ich war überrascht, wie wenig unser Russlandbild stimmt", erklärt sie. Die Studentin beschreibt die Russen als sehr zuvorkommend und gastfreundlich. Eine solche Gastfreundlichkeit habe sie bisher noch nie erfahren. Auch seien die Russen sehr interessiert an der westlichen Welt und deren Kultur gegenüber aufgeschlossen. "Europa kann noch viel von Russland lernen und auch andersrum", meint die Studentin.

Und was ist nun typisch russisch? "Sie sind Spazierfanatiker", sagt Euba. So wie sich die Leute in Deutschland zum Kaffee trinken verabreden, treffen sich die Russen zum Spaziergang. Außerdem würde die russische Bevölkerung - egal ob Mann oder Frau - Fotoshootings lieben. Nicht zu vergessen sind auch ihre Gastfreundlichkeit, ihre brachiale Direktheit, ihr Stoizismus und ihre Geduld. "Und Suppen und Tees", ergänzt die Studentin noch.

So gastfreundlich die Russen sind, so zugeknöpft sind sie aber auch gleichzeitig. Darum gehört es sich in Russland nicht, jemand Fremden anzulächeln. Diese Erfahrung musste Lena-Marie Euba auch erst machen, als sie anfangs die Leute freundlich anlächelte. "Russland ist widersprüchlich in so vielen Dingen", so Euba. Darum sei ihr nahezu jeden Tag etwas Ungewöhnliches passiert. Vom knietiefen Wasser über fehlende Motorhauben bis zu Damen mit den schmalsten Stilettoabsätzen, die stilecht in einen verstaubten Bus steigen - mit der Zeit ist das alles für die mittlerweile in Magdeburg studierende Peutenhausenerin in einen Normalzustand übergegangen.

"Am Anfang habe ich mich immer auf den Boden konzentriert", erzählt sie. Bei den vielen Schlaglöchern und Pfosten auf Straßen und Wegen sei Vorsicht geboten. Scheinbar schauen jedoch nicht nur Touristen wie Lena-Marie Euba beim Gehen auf den Boden, denn der Boden wird dort auch als Werbefläche genutzt. So sind dort viele Wohnungsanzeigen zu finden. Außerdem beschreibt sie die Russen als ein sehr belesenes und kreatives Volk. Das beweisen auch ihre Mitbringsel. Handbemalte Postkarten, detailreich verzierte Tassen oder kunstvoll gestaltete Matrjoschkas - die übrigens für die Frau und die Fruchtbarkeit stehen. Auch ein typisch russisches Pawlowski-Tuch hat sie mit nach Deutschland gebracht.

Und was kann Lena-Marie Euba allen mit auf den Weg geben, die selbst gerne mal nach Russland reisen wollen? "Russisch lernen und sich russische Freunde suchen", meint sie. Außerdem empfiehlt sie, sich in einem großen russischen sozialen Netzwerk anzumelden. Dort hat sie auch ihre WG gefunden. Und: "Hartnäckig bleiben und sich nicht entmutigen lassen!"

Für die Peutenhausenerin heißt es selbst bald schon wieder die sieben Sachen packen, denn Anfang September geht es für sie erneut nach Russland. Diesmal wird sie ein halbes Jahr lang ein Praktikum bei der Moskauer Deutschen Zeitung absolvieren. So hat sie auch die Möglichkeit, noch ein wenig mehr Russland zu erkunden. Auf ihrer Liste steht auf jeden Fall noch der russische Fluss Lena - nach dem sie übrigens benannt ist.

Tabea Tyroller