Schrobenhausen
Superheldinnen in sozialen Berufen

"Die Frauen fordern zu wenig": Bei KDFB-Podiumsdiskussion geht es unter anderem um die Frage der schlechten Bezahlung

17.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:48 Uhr
Bei einer Podiumsdiskussion im Kreiskrankenhaus ging es um Frauen in sozialen Berufen. −Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) Kaum drei Stuhlreihen waren im großen Mehrzweckraum im Kreiskrankenhaus besetzt, obwohl der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) zu einer Podiumsdiskussion eingeladen hatte, deren Thema doch eigentlich die Öffentlichkeit dauerhaft beschäftigt: "Soziale Frauenberufe: hoher gesellschaftlicher Nutzen für wenig Geld." Zum einen mag der Zeitpunkt am Freitag von 15 bis 18 Uhr nicht so günstig gewählt gewesen sein. Viele Frauen waren vielleicht noch arbeiten oder bei ihren Familien, die nach einer Arbeitswoche auch ihren Raum fordern.

Und genau dies war einer der Punkte in der Podiumsdiskussion, denn vor allem Frauen sind es, die sich der Herausforderung stellen, berufliche Tätigkeit und Familie miteinander zu vereinbaren. Viele Frauen gehen in die Pflege oder üben Aufgaben im erzieherischen Bereich aus, weil - da sind sich alle Diskussionsteilnehmerinnen einig - sie sich sozial engagieren und mit Menschen zusammenarbeiten wollen. So sind diese Berufe deutlich weiblich geprägt. Gerlinde Bratfisch, Leiterin der Kindertagesstätte Taka-Tuka-Land, veranschaulicht: "Nach 20 Jahren habe ich nun den ersten männlichen Mitarbeiter." Sie erklärt diese Tatsache nicht nur mit dem geringen Gehalt und den kaum vorhandenen Aufstiegschancen, sondern vor allem mit dem Aufgabenbereich an sich: "Superheldin ist keine Berufsbezeichnung, aber als Erzieherin muss man das sein!"

Was sie damit meint, ist klar. Vielseitigkeit ist gefragt, Umgang mit Kindern wie mit Eltern muss gekonnt sein, Arbeitsorganisation, Organisation der Mitarbeiter, gesetzliche Regelungen und vieles mehr bestimmen das Tagesgeschäft. Nicht anders ist es in der Pflege, zum Beispiel im Krankenhaus. Die langjährige Krankenschwester der Intensivpflege, Berta Mayr-Heinrich, berichtet das Gleiche, zumal die Schwestern und Pfleger nicht nur auf den Stationen, denen sie eigentlich zugeteilt sind, arbeiten, sondern aufgrund von Personalengpässen immer wieder auf anderen Stationen aushelfen müssen.

In großen Häusern wie etwa in München sei das kein Thema, da gebe es dafür einen Pool von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die nur als Springer tätig seien. Die Personalsituation sei so angespannt, berichtet Stefanie Renner (stellvertretende Geschäftsführung im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Südost/Bayern-Mitteldeutschland), dass es in den Ballungszentren sogar schon Headhunter gebe und die ambulanten Pflegedienste dazu übergingen, keine Firmenschriftzüge mehr auf den Fahrzeugen zu haben. Warum? "Weil die Mitarbeiterinnen dann am Auto angesprochen werden, mit dem Ziel, sie abzuwerben. Oder den Fachkräften wird vor den Pflegeheimen aufgelauert mit Vertragsangeboten."

Aber wenn das Personal so gefragt ist, warum wird dann nicht höher bezahlt? Das wäre auf einem Arbeitnehmermarkt der sozialen Berufe doch fast zu erwarten. Aber hier machen nahezu alle Diskussionsteilnehmerinnen deutlich: Die Frauen fordern zu wenig. Sie zeichnen das Bild der sozial engagierten, eigene Bedürfnisse in den Hintergrund stellenden Mitarbeiterin, die sich fast schäme, mehr Gehalt zu fordern, nach dem Motto: "Anderen geht es viel schlechter als mir."

Einigermaßen gut trifft es da wohl die Frauen, die in Unternehmen arbeiten, in denen ein Tarifvertrag gilt. Arina Wolf, Gewerkschaftssekretärin für Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirche bei Verdi Ingolstadt, erklärt: "In Krankenhäusern wird überwiegend nach Tarif gezahlt. Das Anfangsgehalt nach drei Jahren Ausbildung beträgt 2700 Euro brutto, das Durchschnittseinkommen liegt bei 3300 Euro. In der Altenpflege ist der Markt stark von privaten Anbietern geprägt, da gibt es keine Tarifbindung und somit ist die Zahlung oft niedriger, zwischen 2300 und 2400 Euro brutto." Wolf sieht die Ursache der Personalengpässe darin, dass es die Politik nicht geschafft habe, monetäre Anreize zu schaffen.

Dies ist dann die zweite mögliche Erklärung für das so geringe Interesse an der Veranstaltung: Gertrud Schmid, Leiterin des Betreuungsvereins des Caritasverbandes Neuburg-Schrobenhausen, betont: "Wir haben einen guten Arbeitgeber, der für uns sorgt", und Gerlinde Bratfisch stimmt zu: " Schrobenhausen ist familienorientiert, Defizite werden immer ausgeglichen." Beide wie auch einige der anderen Teilnehmerinnen sehen vor allem die Notwendigkeit, die Ausbildung zu verbessern und auf diesem Weg mehr Anreize zu schaffen. Damit meinen die Frauen nicht zwangsläufig eine Akademisierung, wie sie derzeit teilweise von der Politik vorangetrieben wird. Denn es gibt anscheinend kaum Stellen, die dieser hoch qualifizierten Ausbildung gerecht werden hinsichtlich praktischer Umsetzung und eben Bezahlung. Fakt bleibt letztlich doch, dass sich alles genau darum dreht: Es wird zu wenig gezahlt für die hohe Arbeitsleistung, die erbracht werden muss.

Heidrun Budke