Schrobenhausen
Schützen, erklären, verstehen

Nach der Erpressung einer 13-jährigen Schrobenhausenerin mit Sexfotos: Über 60 besorgte Bürger beim Infoabend im Jugendzentrum

27.11.2018 | Stand 12.10.2023, 10:00 Uhr
Christian Zech erklärte seinen Zuhörern am Montagabend im Jugendzentrum unter anderem wie sie ihre Kinder vor sexueller Belästigung im Netz schützen. −Foto: Burgstaller

Schrobenhausen (SZ) Erst vor Kurzem ist bekannt geworden, was einer 13-jährigen Schrobenhausenerin passiert ist: Das Mädchen wurde Opfer eines unbekannten Erpressers im Netz, der sie erst zwang, pornografische Fotos von sich selbst an ihn zu schicken und diese dann später auch noch in ihrem Umfeld veröffentlichte. Dass dieser Fall die Schrobenhausener Bürger bewegt, machte sich am Montagabend bemerkbar. Zur Präventionsveranstaltung mit Sozial- und Sexualpädagoge Christian Zech im Jugendzentrum waren über 60 Interessierte gekommen - Eltern, die zum Teil ihre Kinder dabei hatten, aber auch Jugendliche saßen im Publikum.

Welch verheerende Folgen der falsche Umgang mit persönlichen Informationen im Internet für die Betroffenen haben kann, wird deutlich, als Katja Faig, die Leiterin des Jugendzentrums, einen Brief vorliest, in dem die erpresste 13-Jährige ihre Gefühle schildert. "Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Jedes Mal, wenn er mich anschrieb, musste ich weinen", heißt es darin. Und: "Ich fühlte, dass meine Welt in 1000 Teile zerbricht, jeden Tag wünschte ich mir: ,Bitte schreib mir nicht mehr!'" Sie schreibt von ihren Gedanken, sich umzubrigen, ihrer Scham und ihrer unendlichen Verzweiflung, aber auch davon, wie sie in ihrer besten Freundin einen Zuhörer fand und wie gut sie ihre Eltern unterstützten, anstatt ihr Vorwürfe zu machen.

Und eben Letzteres, so erklärt dann Christian Zech, sei besonders wichtig: Verständnis zu entwickeln. Ziel des Abends, so Zech, sei es, deshalb nicht nur aufzuklären, sondern begreifbar zu machen, warum Kinder anfälliger dafür sind, ausgenutzt, belästigt und erpresst zu werden. "Man kann sich ja schon fragen, warum jemand das macht, Nacktfotos von sich selbst zu verschicken", meint Zech, der selbst Vater von drei Mädchen ist. Die Antwort sei simpel: "Weil es für sie Sinn macht."

Kindern beziehungsweise Jugendlichen fehle schlicht und einfach das Wissen, das Erwachsene haben. In der Pubertät verändere sich der Körper, man tauche ein in eine neue Welt. Gleichzeitig machen Prominente wie Kim Kardashian es vor: Sich fast nackt ablichten, das Bild auf Instagram oder ähnlichen Plattformen hochladen und dafür zigfach Likes - die Währung, mit der im Internet Bewunderung ausgedrückt wird - erhalten. Kinder und Jugendliche sehnten sich nach Zuspruch, Verständnis und Anerkennung, so Zech. "Für die meisten Jugendlichen gehört die virtuelle Welt, also virtuelle Freunde und das, was in sozialen Netzwerken passiert, zum Leben dazu, das müssen wir als Erwachsene verstehen lernen." Es gebe also durchaus nachvollziehbare Gründe, warum sich der Trend Sexting, also das Verschicken und Posten erotischer Fotos, so hartnäckig halte.

Es seinen Kindern einfach zu verbieten, davon hält Zech nichts. "Gerade was verboten ist, wirkt gleich noch reizvoller", sagt er. Und eine Rundum-Überwachung sei meist ohnehin nicht möglich beziehungsweise verschlechtere das Eltern-Kind-Verhältnis. Dennoch gebe es durchaus Möglichkeiten, sicheres Sexting - Safer Sexting - zu praktizieren. "Wer nicht später eine böse Überraschung erleben will, der verschickt am besten keine Fotos auf denen das Gesicht oder andere eindeutig zuordenbare Merkmale wie Tattoos oder Schmuck zu sehen sind", rät der Experte. Gleichzeitig sollte man auf den Hintergrund achten, nicht sein komplettes Zimmer erkennbar machen. "Und am besten schützt natürlich, es gar nicht erst zu machen", so Zech zwinkernd.

Auch um die eigenen Kinder vor sexueller Belästigung zu schützen, hat Zech einige Tipps im Gepäck. Denn wo Sexting oft zum Flirten genutzt werde und in den meisten Fällen nur Spaß sei, höre bei sexueller Belästigung der Spaß gänzlich auf. Über Chats versuchten Pädophile, mit Kindern in Kontakt zu treten, schnell Vertrauen aufzubauen und Geheimnisse miteinander zu schaffen. Deswegen sei es wichtig, sein Kind sexuell aufzuklären, ihm früh klar zu machen, was okay ist und was nicht, ein Grenzbewusstsein zu schaffen. "Wir lernen Kindern ja, dass sie nett sein sollen, aber müssen ihnen auch lernen, wo sie nicht mehr nett sein müssen", sagt Zech. Und: Wer seinem Kind von Anfang an vermittelt, dass es wertvoll ist, macht es weniger anfällig für den Zuspruch Fremder - die Anerkennung und die Wertschätzung, über die es Pädophilen oft gelingt, Kinder für sich zu gewinnen, brauchen Kinder nicht, die wissen, dass sie geschätzt werden. Zwei Leitsätze hat Christian Zech am Ende dann noch parat. Einen für Kinder: "Merkt euch, Erpresser hören niemals auf, also besser gleich jemandem anvertrauen, wenn etwas schief gegangen ist!" und einen für Eltern: "Kinder sind keine Erwachsenen, sie lernen noch!"

Wer Hilfe benötigt, bekommt diese jederzeit im Jugendzentrum unter Telefon (08252) 7077250, E-Mail zoom-sob@onlinehome.de, bei Streetworker Benedikt Schmid, Telefon (0176) 40442211, E-Mail benedikt.schmid@caritas-schrobenhausen.de. Bei sexueller Belästigung ist Sabine Wölfel von der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien des Landratsamts Ansprechpartnerin. Sie ist in der Beratungsstelle in der Regensburger Straße 5 erreichbar.

Alexandra Burgstaller