Schrobenhausen
Die Luft wird dünn

Ein Schrobenhausener Motorrad-Auspuffbauer sieht seine Firma wegen strenger EU-Normen vor dem Aus

18.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:15 Uhr
Auspuff-Experte: Das Unternehmen von Sepp Bruckschlögl aus Schrobenhausen gilt in der Motorrad-Szene als perfekte Anlaufstelle für Auspuffumbauten. Durch die strenge Auslegung von EU-Vorschriften ist die Firma nun existenziell bedroht −Foto: Oppenheimer

Schrobenhausen (DK) Jetzt im Frühjahr, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Erde erwärmen, beginnt die Saison der Motorradfahrer. Da wird der Ölstand kontrolliert, die Kette gefettet und die Maschine auf Hochglanz poliert – und dann geht’s ab auf die Straße.

Viele nutzen die Zeit bevor es richtig sommerlich wird aber auch noch für Feintuning an ihrem besten Stück. Mit dem richtigen Auspuff etwa verbessert sich nicht nur der Sound, sondern auch die Leistung des Bikes. Genau darauf hat sich die Firma SR-Racing aus Schrobenhausen spezialisiert. Bei Firmenchef Sepp Bruckschlögl will derzeit aber keine rechte Frühlingsstimmung aufkommen. Denn vor ein paar Wochen hat ihm der TÜV-Prüfer, der seit Jahren in seinen Betrieb kommt, mitgeteilt, dass er die Spezialanfertigungen, für die sein Unternehmen bekannt ist, ab sofort nicht mehr abnehmen darf. Nun sitzt der 62-Jährige in sich zusammengesunken auf dem Sofa in der Auftragsannahme und schwankt zwischen Resignation und Zorn auf den Paragrafendschungel: „Wir sind der EU-Bürokratie zum Opfer gefallen.“ Er sieht sich am Rande des Ruins.

Bruckschlögl gilt in der Biker-Szene wegen seiner Fähigkeiten als Koryphäe. In seiner Werkstatt fertigen er und seine fünf Mitarbeiter aus Edelstahlblechen und -rohren edle Auspuffanlagen. „Wir sind dafür bekannt, dass wir den Auspuff exakt auf das Motorrad abstimmen“, erklärt der Firmenchef. Viele Großserienhersteller ließen einen Auspuff einfach auf mehrere Motorradtypen zu. Das möge zwar bei einigen Modellen gut passen – sei jedoch bei anderen eher ein schlechter Kompromiss. Bei ihm dagegen fahre keine Maschine vom Hof, die nicht in allen Belangen seinen Qualitätsansprüchen entspreche. Es wird so lange getüftelt, „bis es passt“.

Erst kürzlich hat das Motorrad-Fachmagazin „PS“ einen mehrseitigen Artikel über Bruckschlögl und seine Arbeit veröffentlicht. Überschrift: „Der Magier“. Seitdem wollen noch mehr Motorradbesitzer eine Auspuffanlage von ihm als ohnehin schon. Doch seit einigen Wochen muss er nun viele Aufträge ablehnen. Das tut ihm nicht nur in der Seele weh, sondern auch im Portemonnaie. Der 62-Jährige sieht die Existenz seines Unternehmens bedroht. Der Grund: Die EU-Normierungswut im Bezug auf Lärm- und Abgaswerte. Die Spezial-Anbauten, für die er bekannt ist, soll er ab Ende April nicht mehr machen dürfen.

Aber worum geht es genau? Jeder erlaubte Auspuff besitzt eine so genannte EG-Betriebserlaubnis (EG-BE). Die Anlage hat dann eine Nummer eingeprägt, die bestätigt, dass der betreffende Auspuff alle notwendigen Vorgaben erfüllt. Allerdings ist so ein Auspuff immer nur für einen (oder auch mehrere) ganz bestimmten Motorradtypen zugelassen. Einfach gesagt heißt das, dass man nicht jeden Auspuff (auch wenn er eine EG-BE-Nummer hat) an jedes Motorrad schrauben darf.

Produziert nun ein Unternehmen – so wie SR-Racing – selbst Auspuffanlagen, dann müssen diese vom TÜV geprüft werden, um die EG-BE zu erhalten. Das allerdings kostet viel Geld – laut Bruckschlögel etwa 6500 Euro – und lohnt sich nur, wenn man für ein bestimmtes Motorradmodell viele Auspuffanlagen verkaufen kann. Wenn aber nun ein Kunde mit einer Maschine kommt, die eher selten auf deutschen Straßen anzutreffen ist – etwa einer Moto Guzzi Stelvio – dann lohnt sich die teure Prüfung nicht, denn die Kosten müsste ja der Kunde tragen. Was bei einem Auspuff-Umbau, der „nur“ 1500 bis 1800 Euro kostet, utopisch ist.

Bislang war aber noch ein anderer Weg möglich, der keine hundert Euro kostete: Bruckschlögel nahm einen bereits EG-zugelassenen Auspuff aus seinem Bestand, der dem Kunden am Motorrad am besten gefiel und montierte ihn dort mit minimalen Veränderungen an. Anschließend kam sein TÜV-Prüfer zu ihm in die Werkstatt und kontrollierte auf dem Prüfstand, ob der Auspuff an der neuen Maschine immer noch alle Grenzwerte einhielt. So sparte sich Bruckschlögl die 6500 Euro für eine komplett neue EG-BE und der Kunde war zufrieden.

Vor einigen Wochen nun der Schock: Der TÜV-Prüfer erklärte ihm, dass er in Zukunft diese Sonderabnahmen nicht mehr machen dürfe – Anweisung von oben. Bis Ende April habe er noch eine Schonfrist für bereits längst zugesagte Umbauten bekommen, erklärt Bruckschlögl. Danach sei Feierabend. Neue Anfragen muss er ablehnen. Gerade jetzt im Frühjahr, wo viele ihr Motorrad aus der Garage holen und auf Vordermann bringen, besonders bitter.

Gut ein Drittel seines Geschäfts seien die Spezialfertigungen. „Das war eine Marktlücke“, sagt Bruckschlögl. Hinter ihm hängen unzählige Fotos von ihm auf Rennmaschinen und von Motorradgespannen, die mit seinen Auspuffanlagen schon viele Titel errungen haben. Denn neben den Spezialanfertigungen baut er auch Anlagen für Rennteams und verkauft Auspuffe für gängige Motorräder, für die er eine EG-BE hat machen lassen.

Für den Schrobenhausener sind die Motorräder sein Leben. Seit 16 Jahren baut er nun in seiner Firma Auspuffanlagen. Früher hat er für Rennfahrer geschraubt. Die Sache jetzt belastet ihn. Es sei fast unmöglich die Einbußen aufzufangen. „Da können wir zusperren“, sagt er und steckt sich eine Zigarette an. Bruckschlögl ist kein Mann vieler, dafür aber deutlicher Worte. „Hauptsache es wird wieder etwas reglementiert.“

Der TÜV Süd bestätigt die Aussagen von Bruckschlögl. Schuld daran sei aber nicht etwa eine neue EU-Richtlinie, sondern einfach nur die verschärfte Interpretation bereits bestehender Vorschriften. „Bisher war das eine Grauzone“, sagt TÜV-Sprecher Thomas Oberst. „Seit Anfang des Jahres achtet das Kraftfahrtbundesamt aber nun auf eine buchstabentreue Auslegung des Gesetzes.“

Bruckschlögls rechte Hand im Betrieb, Eberhard König, will noch nicht den Teufel an die Wand malen, auch wenn er die Lage ähnlich dramatisch sieht, wie sein Chef: „Es war für uns ein Paukenschlag“, sagt er. „Aber jetzt müssen wir eine Lösung finden.“ Insgeheim hoffen sie nun in Schrobenhausen, dass man beim TÜV irgendetwas falsch verstanden hat oder sich irgendwie ein neuer Weg finden wird, wie man in Zukunft die Spezialumbauten doch noch weiter machen kann.

Der TÜV dagegen macht wenig Hoffnung. „Es gibt keine andere Möglichkeit, das in irgendeiner anderen Form abzuwickeln“, sagt Sprecher Oberst.

Es sieht also düster aus für Bruckschlögl. Nur, wenn er mit den Bikes zugange ist, vergisst er für einen Moment seine ganzen Sorgen. Um seine BMW für ein Foto in Position zu bringen, wirft er den Motor an. Er dreht am Gas: „Hören Sie das“ Dann grinst er. Natürlich hat auch sein Motorrad einen Auspuff aus seiner Manufaktur. Dann holt ihn aber doch wieder die Realität ein: „Irgendwann muss ein Motorradl wohl klingen wie ein Elektroroller.“