Schrobenhausen
Stumme Zeugen aus der NS-Zeit

Trümmerfeld im Hagenauer Forst - Mitten im Wald finden sich letzte Anzeichen für die Chemieproduktion der Hiag

11.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:25 Uhr
Die Bunkertrümmer im Hagenauer Forst: Wenn man dem Weg ein paar Schritte weiter folgt, tritt man am Ende der sogenannten langen Wiese aus dem Wald. −Foto: Foto: Budke

Schrobenhausen (hbu) Der Hagenauer Forst ist bekannt als Standort der MBDA und als schönes Ziel für Sonntagsausflüge.

Vor allem der Naturlehrpfad lädt zu einem Rundgang mit der ganzen Familie ein. Sollte man aber etwas abenteuerlustiger sein, geschichtsinteressiert oder gar auf der Suche nach einem Geocache, dann parkt man zwar bei dem Naturlehrpfad, geht dann aber ein paar Meter an der Straße Richtung Sandizell, quert diese auf der Höhe des ersten Waldweges zur linken Hand und betritt den Wald. Nach gut 500 Metern geradeaus liegt es zwischen den Bäumen: ein Beton-Trümmerfeld, ungesichert und nicht ungefährlich, aber mit einer sehr interessanten Geschichte.

Wenn ein Schrobenhausener von der Hiag spricht, dann meint er den Standort der MBDA im Hagenauer Forst zwischen Sandizell und Steingriff. Tatsächlich war die Hiag eine Firma, die 1938 von der Degussa gegründet wurde und deren einziger Zweck es war, die Fertigungsanlagen und Infrastruktur für ein weiteres Unternehmen zu schaffen: Paraxol. Dieser Chemiebetrieb wiederum stellte ein für die Sprengstoffproduktion benötigtes Vormaterial her, das Pentaerythrit.

Bis heute sind Überreste dieser Anlage im Hagenauer Forst vorhanden und zumindest außerhalb des Firmen-Geländes frei zugänglich. Auch auf dem Gelände des bekannten Unternehmens für existieren noch zahlreiche Gebäude, die von Hiag für Paraxol errichtet wurden und jetzt zum Beispiel als Lager dienen.

Anders erging es den Bunkern, die gesprengt wurden und als Trümmerfeld im Wald liegen, mit Moos und Dornen bewachsen. Weit mehr als mannshoch türmen sich manche der Teile schräg verkantet übereinander. Aus manchen Trümmern ragen rostige Metallstäbe heraus, in Schächten hat sich reichlich Wasser gesammelt - das ist auf gar keinen Fall ein Kinderspielplatz. Doch anscheinend hat der Ort so viel Anziehungskraft, dass sogar ein Geocache dort hinterlegt wurde. Auf der entsprechenden Internetseite gibt es ganz aktuelle Einträge: Zuletzt wurde der Cache am 2. April dort aufgespürt und der Fund mit dem Kommentar "Fast schon ein lost place" im Logbuch der Homepage eingetragen. In der Beschreibung des Geocache heißt es: "Vielmehr konnten wir leider nicht über diesen Ort herausfinden. Man bekommt. nur sehr karge bis gar keine Angaben. "

So stellt sich die Frage: Für welchen Zweck sind die Bunker denn überhaupt gebaut worden. Für die Herstellung des Pentaerythrit wurden wenige Rohstoffe benötigt, diese aber in sehr großen Mengen, unter anderem Acetaldehyd und Formaldehyd. Der Formaldehyd wurde im Hagenauer Forst von der Paraxol selbst hergestellt und zwar mittels katalytischer Verbrennung von Methanol. Eben dieses Methanol wie auch der Acetaldehyd wurden in Tanks, die sich in den Bunkern befanden, gelagert. Das erklärt Wolfgang Haas, ehemaliger Mitarbeiter bei MBDA und geschichtsinteressiert, der gerade erst ein Buch über über Hiag und Paraxol veröffentlicht hat. Er weiß auch, dass es eine eigene Zufahrt von Steingriff aus gegeben hat, mit einer Wendeschleife am Ende. Dort war eine Abfüllstation mit Rohrleitungen zu den einzelnen Lagern und von dort ebenfalls über Rohre in das Werk. Diese Leitungen sind noch immer da und unter Erdwällen versteckt, welche die Jäger als Standort für Hochsitze nutzen. "Also, wenn Sie mal ein paar Rohre benötigen, dann können Sie dort graben", scherzt Haas, "aber lassen Sie sich nicht vom Förster erwischen. "

Die Methanolbunker waren von nicht unerheblichem Ausmaß: Die Wände hatten außen einen Durchmesser von 20 Metern, innen von 16 Metern und somit eine Wandstärke von zwei Metern. Das ist den Trümmerteilen im Wald auch heute noch gut anzusehen. In den Bunkern befanden sich zwei Tanks mit jeweils 1250 Kubikmeter Fassungsvermögen. Gelagert wurden dort etwa 2000 Tonnen Methanol, das reichte bei Vollauslastung der Produktionsanlagen für etwa 40 Tage. Die Tanks für den Acetaldehyd hatten sogar einen Wärmetauscher - "ein sehr ausgeklügeltes System", meint Haas - denn der Rohstoff ist wärmeempfindlich und muss bei vier Grad Celsius gelagert werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die gesamte Anlage im Herbst 1947 demontiert. Im Zuge der Demilitarisierung wurden die Bunker 1948 gesprengt. "Die Bunker hat es sauber zerlegt", meint Haas und ergänzt: "Und da liegen sie heute immer noch. "

Weitere Infos und Bilder zu diesem Thema gibt es in Wolfgang Haas' Buch "Was waren Hiag udn Paraxol im Hagenauer Forst. " Das Buch ist beim Autor unter haas. la@neusob. de erhältlich.