Schrobenhausen
Die Sache mit der Lenbachstadt

Für die meisten Auswärtigen ist der Malerfürst ja Münchner - Einem Slogan auf der Spur (2)

20.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:59 Uhr
Lenbach verstand es, die Stimmung und Lebendigkeit seiner Modelle einzufangen und wiederzugeben. Dieses Gemälde hing einst im berühmten Lenbachsaal. −Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) Franz-von-Lenbach-Realschule, Lenbach-Straße, -Platz, -Apotheke, -Café, -Lounge, -Museum und über allem der Titel "Lenbachstadt" - ganz schön viel Lenbach für eine bayerische Kleinstadt.

Und klar, für alle Einheimischen ist das eine längst bekannte und manchmal vielleicht schon langweilige Geschichte, dass Franz von Lenbach in Schrobenhausen geboren wurde. Aber mal ehrlich: Die meisten halten Lenbach für einen Münchner, schließlich steht dort die Prunkvilla - und nicht in Schrobenhausen. Aber mal Hand aufs Herz: Wer kann einem Schrobenhausen-Besucher aus dem Stand erzählen, wen er alles porträtiert hat oder gar beschreiben, was das Besondere an seinen Werken ist?

Wenn nicht, macht das gar nichts. Im Zweifel schickt man den Fragesteller einfach in das Lenbach-Museum und geht am besten gleich selber mit. Zu einem Preis, der auch für den schmalen Geldbeutel zu meistern ist, öffnen sich die Türen im Geburtshaus des Künstlers. Susanne Rozmann und Elfriede Elsner vom Team der Museumsmitarbeiterinnen hätten gewiss nichts dagegen, wenn mehr Besucher den Weg in die Ulrich-Peißer-Gasse finden würden. Und die beiden Frauen kennen sich mit der Geschichte Lenbachs aus und teilen ihr Wissen gern. Rozmann blättert in Katalogen vergangener Ausstellungen und zeigt ein Bild des jungen Lenbach: "Da war er ungefähr 16 Jahre jung und sieht doch richtig gut aus", meint sie. Zu dem Zeitpunkt verdiente Franz bereits Geld mit Kunstwerken wie Votivtafeln, Schützenscheiben und Fahnenbildern.

Auch das erste Selbstbildnis ist aus dieser Zeit bekannt und mehr als 30 davon hat er im Laufe seines Lebens erschaffen. So kann der Betrachter in der Ausstellung lesen und nachvollziehen, dass die Brille in seinen Selbstporträts zu einem wichtigen Element wurde: "Sie lenkt mit ihrer rahmenden Funktion und den Spiegelungseffekten den Blick des Betrachters geschickt auf die Augen Lenbachs und bringt damit den lebendigsten Punkt besonders zur Geltung."

Überhaupt war dies wohl vor allem sein Talent: Dargestellte Personen immer in das Licht zu rücken, das dem Auftraggeber gefiel. Elfriede Elsner erzählt: "Lenbach ersparte den Modellen viel Sitzungszeit, denn er ließ sie fotografieren. Und während der Fotograf an der Aufnahme arbeitete, erstellte der Maler Skizzen und fing die Stimmung und die Gesichtsausdrücke ein."

Die Arbeit für ihn begann, wenn die Fotografie vorlag, denn sein Ehrgeiz war es offenbar, eben diese Stimmung in den Porträts wiederzugeben. Das ist wohl auch ein Grund, warum er oft auf Pappe malte, meint Elsner: Da musste er nicht Farblagen von der Leinwand abtragen oder übermalen, wenn er nicht zufrieden war, sondern er konnte einfach eine andere Pappe nehmen und einen neuen Versuch starten. Zahlreiche Skizzen, halbfertig wirkende Porträts, in denen nur das Gesicht detailliert dargestellt ist und der Rest komplett verschwimmt oder nur in groben Strichen erkennbar ist, belegen diesen Eindruck auch bei einem Rundgang durch die Ausstellung.

Der Betrachter wird beinahe magisch angezogen von den Augen der abgebildeten Person und auch 114 Jahre nach dem Tod des Künstlers blicken die Gesichter lebendig von der Leinwand, der Pappe oder dem Papier auf das Gegenüber. Der frech-fröhliche Gesichtsausdruck von Julia Virgina Scheuermann etwa, deren Halbakt im Lenbachsaal des Schrobenhausener Rathauses hing und derzeit im ersten Stock des Museums ausgestellt ist, macht es dem Besucher leicht, mitzulachen.

München hatte das Glück, dass sich Lenbach dort niederließ und der Prominenz durch seine Porträtkunst Ausdruck verlieh. Der Künstler malte Schauspielerinnen und Sängerinnen, Industrielle, Bankdirektoren, Adelige und Politiker. Von Fürst Otto von Bismarck fertigte Lenbach mehr als 80 Bilder, denen wieder eine Vielzahl von Skizzen und Vorstudien vorausgingen.

Über viele Jahrzehnte in München spielte die Geburtsstadt für Lenbach keine Rolle mehr. Erst im Alter besann er sich auf seine Wurzeln, kehrte hierher zurück. Schrobenhausen wurde ihm in seinen letzten Jahren wieder wichtig.

Zum einen ist dies belegt durch die Energie, den Geld- und Zeitaufwand, der er in die Ausstattung des Lenbachsaals investierte. Zum anderen wollte er 1902 - wenige Jahre vor seinem Tod - sein Geburtshaus erwerben, so berichtet Sonja von Barnow im Katalog zur Ausstellung von 1986. Dies schaffte er nicht, aber es gelang seiner Frau Lolo von Lenbach im Oktober 1936 bei einer Zwangsversteigerung. Im darauf folgenden Jahr errichtete Lolo eine Stiftung, deren Bestandteil das Geburtshaus, Erinnerungsgegenstände sowie etwa 500 Gemälde, Studien, Zeichnungen und Ähnliches waren. 1987 schenkte eine Urenkelin des Künstlers, Anjella Aschoff, dem Museum weitere 83 Bilder. Sonja von Barnow schreibt: "Sitz der Stiftung wurde für alle Zeiten die Stadt Schrobenhausen."

Damit wurde eine Aufgabe geschaffen, die Schrobenhausen auch heute beschäftigt und die sich nicht nur in einem Werbeslogan niederschlägt. So wurde das Lenbach-Museum zuletzt 2016 renoviert, die Farbgebung in den Innenräumen moderner. Außerdem gibt es jetzt eine Medienstation. Dort sind ein Teil der Werke, die sich nicht in der Ausstellung befinden und die digitalisiert wurden, auf einem Bildschirm abrufbar. Und im ersten Stock des Gebäudes lädt derzeit die Sonderausstellung "Der Lenbachsaal im Exil" dazu ein, sich von weiteren Gemälden beeindrucken zu lassen und gleichzeitig zu bedauern, dass es nicht möglich war, diesen Saal in Vollständigkeit zu erhalten.

Heidrun Budke