Schrobenhausen
"ZEIT" heißt die Devise

Zu Besuch im Alterstrauma-Zentrum am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen

13.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr

In der Schleuse zum OP haben Einhard Springer, Kathrin Speicher und Markus Walz (v.l.) es sich fürs Interview bequem gemacht. - Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) "Einen Platz haben wir im Auto noch frei - kommen Sie mit zu C.B. Green in die Kunstscheune", fragte Einhard Springer, Chefarzt der Akutgeriatrie im Kreiskrankenhaus Schrobenhausen, seine Mitarbeiterin Kathrin Speicher, Stationsleitung in eben jener Abteilung.

Die beiden kennen sich gut, pflegen offensichtlich einen sehr kollegialen Umgang. Nicht anders ist der Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie, Markus Walz, mit seiner offenen, jungenhaften Ausstrahlung. "Ich bin froh, dass ich die Geriater dabei habe!", sagt Walz und erklärt, warum: Etwa 50 Prozent seiner Patienten seien über 70 Jahre und benötigten deshalb eine andere Versorgung nach einer Operation als ein junger Mensch. "Kommen, operieren, ablegen und warten bis die Wunde geheilt ist", das funktioniere im Alter nicht. Dieses Wissen habe ein Umdenken ausgelöst; vor etwa zehn Jahren sei die Alterstraumatologie entstanden. Der Geriater und die geriatrisch geschulten Pflegekräfte seien "der natürliche Verbündete", sagt Chirurg Walz. Ergänzt wird das Team zum Beispiel durch Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Logopäden.

Einhard Springer pflichtet bei: Früher sei die Devise in der Pflege "Sauber und satt" gewesen, heute habe man das glücklicherweise hinter sich gelassen. Die aktivierend-therapeutische Pflege sei als Weg eingeschlagen worden und bewähre sich. Was das bedeute, müsse man den Angehörigen vermitteln, denn deren Unterstützung werde gebraucht, so Springer. Manche würden sich beschweren: "Mein Vater ist doch im Krankenhaus - warum wird er denn nicht gewaschen!" Kathrin Speicher erklärt: "Man nimmt den Patienten auf, hat ein paar Grundinfos; dann schaut man, was hat er für Ressourcen, was hat er für eine Biografie, wie wurde er ärztlich versorgt? Danach entwerfen wir einen Behandlungsplan: Was kann ich ihm in dem Zustand zumuten, wo ist er nicht überfordert? Wir machen kleine Teilschritte, um zum Ergebnis zu kommen." Ziel sei immer, dass der Patient möglichst viele Tätigkeiten in seinem Alltag selbst durchführen kann.

Diese Art der Pflege benötigt viel mehr Zeit als die herkömmliche. Das findet Eingang in den Namen des geplanten Alterstrauma-Zentrums, das im Winter 2017/2018 in Schrobenhausen zertifiziert werden soll. "ZEIT" soll es heißen: ZEntrum für Interdiszplinäre Traumatologie im Alter. Kathrin Speicher sei auf den Namen gekommen, lobt Walz die Krankenschwester und erklärt: "Das soll zeigen: Die Patienten brauchen Zeit und bekommen Zeit." Ohnehin sei die Behandlung viel schwieriger als bei jungen Menschen, denn, so Springer, der alte Mensch sei in der Regel multimorbide, heißt, er hat eben nicht nur den gebrochenen Fuß, sondern einige Erkrankungen mehr. Damit ist in der Geriatrie die Zusammenarbeit mit allen Abteilungen im Krankenhaus Alltag und gleichzeitig von entscheidender Bedeutung. Der Geriater selbst muss ein sehr breitgefächertes Wissen haben. Springer: "Ich glaube, dass viele Ärzte vor der Komplexität des alten Patienten zurückschrecken. Es gibt gerade mal 170 Geriater in Bayern!" Dabei sei es manchmal erfüllender, mit alten Menschen zusammenzuarbeiten, obwohl es schwieriger sei.

"Eine Persönlichkeit können sie im Alter von 80 Jahren nicht mehr verändern - den Patienten müssen sie da abholen, wo er steht", sagt Springer. Kathrin Speicher, die zusammen mit ihm die Geriatrie in Schrobenhausen mit aufgebaut hat, sagt: "Im Schnitt ist ein Patient 14 Tage da und durch die aktivierend-therapeutische Pflege beschäftigt man sich sehr viel mit ihm. Sie wachsen einem schnell ans Herz." Markus Walz geht es genauso: "Alles ist emotional. Wenn der Fußballer nach einem Jahr wieder auf dem Platz steht - klar ist man da stolz, keine Frage. Aber wenn ich an den 85-Jährigen denke, bei dem ich zuerst meine: €šAch du grüne Neune, wie sieht das denn aus! €˜ und ich nach der Entlassung erfahre, dass er nach drei Monaten Reha wieder zu Hause ist und sich selbst versorgen kann, dann ist das ein total tolles Gefühl."