Schrobenhausen
Religion und die jungen Leute von heute

VON JUGENDLICHEN FÜR JUGENDLICHE: SZ-Praktikanten schreiben über Themen, die sie bewegen

17.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Beten, gar regelmäßig in die Kirche gehen, bei Jugendlichen ist das nicht mehr angesagt. Für sie stehen andere Dinge im Mittelpunkt ihres Lebens. - Fotos: Petry, Thinkstock

Schrobenhausen (SZ) Religion. Gott. Glaube. Was geht mich das an? Manche Jugendliche können und wollen heutzutage nichts mehr damit anfangen. Mir gibt Religion Halt in schwierigen Lebenszeiten. Meiner Meinung nach können sich die Menschen in der Kirchengemeinde geborgen und aufgehoben fühlen. Sie ist wie ein Zufluchtsort. Dass ich bei meinen Gleichaltrigen - ich bin 17 - mit dieser Meinung oft alleine dastehe, weiß ich. Aber warum ist das so?

Ich habe mich auf Spurensuche gemacht, um herauszufinden, warum gerade junge Menschen sich immer mehr von der Kirche abwenden.

Wobei der Trend seltsamerweise zur Weihnachtszeit aussetzt. Da waren die Kirchen im ganzen Schrobenhausener Land zur Christmette voll. Unter dem Jahr hingegen boomen die Gottesdienste nicht so sehr. Aber warum können sich zur Weihnachtszeit mehr Menschen dazu aufraffen, in die Kirche zu gehen? Eigentlich sollte das mit dem In-die-Kirche-Gehen ja eine regelmäßige Sache sein - so haben Oma und Opa es schließlich unseren Eltern beigebracht und die wiederum uns. Von Generation zu Generation, so sollte der Hase laufen. Doch irgendwann kam die Weitergabe des Glaubens über die Vorfahren ins Stocken.

"Die Eltern sind die Vorbilder der Jugendlichen, und wenn die Eltern nicht die Kirche besuchen, tut es das Kind meistens auch nicht", sagt Pfarrer Michael Menzinger (kleines Foto), Leiter der Pfarreiengemeinschaft Aresing-Weilach. In der heutigen Zeit gehen viele dann eben nur noch an Weihnachten und Ostern in die Kirche - weil es sich halt so gehört. Menzinger beobachtet diesen Trend schon seit einiger Zeit. "An Weihnachten gehen vor allem die jungen Familien in die Kindermette, weil danach Bescherung ist. Und an Ostern gehen die Menschen in die Kirche, da Brot, Geräuchertes und das Osterlamm geweiht werden sollen. Ob wirklich jedem die Auferstehung Jesu bewusst ist, beziehungsweise ob daran geglaubt wird, bezweifle ich", so der Pfarrer.

Unter dem Jahr hingegen widmen sich viele lieber anderen Themen. Statt in eine Werktagsmesse zu gehen, die meistens eine halbe Stunde dauert, trifft man Freunde oder sucht Entspannung im abendlichen Fernsehprogramm. Ich finde: Im Grunde ist ein Kirchgang nicht viel unentspannter, als daheim auf dem Sofa zu liegen. Klar, es ist nicht das Gleiche. Aber: Man sitzt auf den Kirchenbänken und kann in Ruhe nachdenken, keiner quatscht einen an, das Smartphone ist eh tabu - eigentlich eine stressfreie Zeit, denn dazu kann man dem Chor lauschen oder mitsingen, wenn man will.

So sieht das auch Michael Menzinger. Er versteht nicht, warum sich die Menschen von der Kirche abwenden, keine Gottesdienste mehr besuchen wollen. "An den Zeiten kann es nicht liegen, wir haben ein breitgefächertes Angebot, da dürfte für jeden etwas dabei sein. Vielmehr liegt es daran, dass die Kirche als uninteressant dargestellt wird", ist er überzeugt. Die Kirche hat also ein Publicityproblem. Ihr Image ist nicht cool, sondern verstaubt. "Dagegen hilft nur, die Jugendlichen persönlich anzusprechen, sie einzuladen und am besten eine spezielle Jugendgruppe zu bilden, mit der man zusammen den Gottesdienst besucht", sagt Menzinger. "Dann wäre Kirche viel spannender", ist er sicher.

Immerhin, nicht jeder Jugendliche verweigert sich der Kirche. Ich weiß das, weil ich ja selbst hingehe. Aber auch wenn man in die Zeitung schaut, findet man sie immer wieder, die Bilder von neuen Ministranten, die dort vorgestellt werden. Drei- bis viermal im Monat übernehmen die Jugendlichen den Ministrantendienst. "Bei uns auf dem Land gibt es tatsächlich viele Ministranten, damit bin ich völlig zufrieden", sagt Michael Menzinger. Und auch in der Stadt ist seiner Meinung nach die Kirche nicht ganz aus den Augen der Jugendlichen. "Da gibt es Gruppen wie die KjG, die Katholische junge Gemeinde, die stellen eine wahrlich wachsende Struktur dar." Freizeitveranstaltungen, so Menzinger, könnten Jugendliche zum Glauben führen und auch deren Eltern. Man müsse eben nur früh genug mit der Heranführung an die Kirche anfangen. "In unserer Pfarreiengemeinschaft findet die Firmung in der sechsten Klasse statt, ich könnte mir vorstellen, dass, wenn die Firmung in einer höheren Jahrgangsstufe wäre, mehrere das Sakrament der Firmung nicht empfangen möchten", sagt der 44-Jährige. Da stimmt also noch alles. "Obwohl sich jeder frei entscheiden darf, haben sich 3 von 50 zukünftigen Firmlingen nicht angemeldet, also noch völlig akzeptabel", sagt Menzinger.

Scheinbar weniger Probleme mit der Bindung Jugendlicher an die Religion gibt es im Islam. Warum? Die Bildung sei der ausschlaggebende Punkt, so Menzinger. Er sagt: Weil vielerorts Muslime von Bildung ferngehalten werden, liefert die Religion das Wissen. Im Christentum wisse jeder schon alles und an materiellen Gütern mangle es auch nicht. Denn auch der Wohlstand spiele neben dem Wissen eine wichtige Rolle. "Das kann man auch gut an den Flüchtlingen, die meist dem Islam angehören, erkennen. Durch den Wohlstand, den sie in den europäischen Ländern zu sehen bekommen, stehen auch sie zwischen der Entscheidung Religion und Familie oder Wohlstand", sagt Menzinger.

Vor etwa 70 Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg, herrschte bei uns kein Wohlstand und die Menschen hatten Sehnsucht nach Gott. Erst wenn die Sehnsucht im Menschen da sei, könne man mit der Religion zusammenleben. "Ich denke, auch in der heutigen Zeit kommt eine neue Sehnsucht auf, doch ob unsere Kirche die so annehmen kann, weiß noch keiner", blickt Pfarrer Menzinger in die Zukunft.

Ich finde, da könnte er recht haben. Insgesamt bin ich der Meinung, dass jeder selbst entscheiden sollte, ob er der christlichen Religion angehören will oder nicht. Trotzdem kann ich jedem, auch wenn er sonst nichts mit Religion am Hut hat, nur empfehlen, sich einfach einmal in einen Gottesdienst zu setzen und die besondere Ruhe und Stimmung auf sich wirken zu lassen.