Schrobenhausen
Wie schwer es sein kann, sich hinzusetzen

23.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr

Etwas zeichnen, Geldbeträge centgenau heraussuchen - was normalerweise kein Problem wäre, ist mit dem Alterssimulationsanzug auf einmal gar nicht mehr so einfach. Auf der Soba können Besucher am Stand des Krankenhauses testen, wie es sich anfühlt, wenn Augen, Ohren und Gelenke plötzlich nicht mehr so wollen. - Fotos: Tabrizi

Schrobenhausen (DK) Alterssimulation - das Kreiskrankenhaus bietet auf der Soba die Möglichkeit an, zu testen, wie es sich anfühlt, wenn man in die Jahre gekommen ist. Ein Selbsttest.

Eine Weile überreden muss man mich schon, aber Notarzt Sharam Tabrizi und Physiotherapeutin Annemarie Otte lassen nicht locker und so stimme ich am Ende zu: "Wollen Sie nicht mal den Alterssimulationsanzug ausprobieren", hatten die zwei gefragt. Zugeschaut hatte ich schon, und das sah doch lustig aus, den eben noch so mobilen Mann plötzlich schlurfend über den KKH-Stand laufen zu sehen. Aber war das nicht irgendwie etwas albern?

Naja, man erkennt mich ja kaum in dem Ding und wer weiß, vielleicht lassen sich doch neue Erkenntnisse gewinnen - jetzt bin ich also neugierig. Kaum hatte ich zugestimmt, wurde ich von drei KKH-Mitarbeiterinnen angekleidet und es war offensichtlich, dass sie das nicht zum ersten Mal machen. Im Handumdrehen wurden der Anzug zum Schutz der eigenen Kleidung, die Acht-Kilo-Weste, eine Halsmanschette, Gewichte an Hand- und Fußgelenken, Bandagen an Ellbogen und Kniegelenken, Handschuhe, eine Art Skibrille und Kopfhörer angelegt - den Sinn der jeweiligen Kleidungsstücke würde ich schon bald herausfinden.

Mit den dicken Kopfhörern höre ich kaum, was Schwester Kathrin von mir möchte. Ich bekomme eine Geldbörse in die Hand gedrückt und soll 1,55 Euro herausgeben. Ich denke, ich bin clever und habe mit den steifen Fingern - danke, Handschuhe - relativ fix zwei Euro aus dem Portemonnaie gefischt. "Bitte schön!" sage ich. Aber die Schwester ist schlagfertig: "Nein, ich kann nicht wechseln. Sie müssen das passend geben." Also grabe ich und kann dank der getönten Brille kaum die Cent-Stücke auseinanderhalten. Zum Glück stehe ich nicht wirklich an einer Kasse und hinter mir bildet sich keine Schlange - sonst käme wahrscheinlich auch noch Stress hinzu und es würde noch länger dauern. Mit viel Kramerei und nach ein, zwei Fehlversuchen schaffe ich es dann und darf zur Belohnung mit dem Rollator einen Hütchenparcours meistern. Da sind sie schon, die schlurfenden, kleinen Schritte und ich bin froh, dass ich mich auf dem Gefährt aufstützen kann. Die Knie lassen sich kaum biegen, die Gewichte machen die Füße schwer, die Halsmanschette sorgt dafür, dass ich den Nacken schön nach unten beuge und die Acht-Kilo-Weste erfüllt ihre Aufgabe auch sehr gut: Die Mobilität ist deutlich eingeschränkt und an das sonst gewohnte flotte Tempo ist nicht zu denken. "Das haben Sie sehr gut gemacht", lobt Physiotherapeutin Otte und ich freue mich ehrlich. Aber es ist nicht vorbei: "Jetzt setzen Sie sich mal auf den Stuhl." Der steht eigentlich viel zu nah am Tisch - der Rollator muss zur Seite, der Stuhl nach hinten. Niemand hilft, na toll. Da ich die Knie kaum beugen kann, plumpse ich auf den Sitz und frage mich jetzt schon, wie ich ohne Hilfe wieder aufstehen soll. Lustig wird es, als ich in einen - glücklicherweise vorgedruckten - Kreis eine Uhr, zwei Zeiger und eine bestimmte Uhrzeit einzeichnen soll. Den Kugelschreiber halte ich in Pfötchenstellung, die Abstände zwischen den Zahlen sind durch die Brille schwer abschätzbar und überhaupt verstehe ich die Uhrzeit, die ich malen soll, erst beim dritten Versuch richtig. "Na, das sieht ja ganz gut aus" höre ich und finde es aber selber gar nicht so gut, vor allem, weil es so lange gedauert hat. Aufstehen darf ich jetzt - oder muss ich, besser gesagt. Ich hole ein-, zweimal mit dem Oberkörper Schwung, halte mich am Tisch fest und ziehe mich hoch - zum Glück schiebt mir jemand den Rollator hin, so dass ich gleich wieder Halt habe.

Als mir Annemarie Otte und Daniela Blöckl, Schwester der Akutgeriatrie, wieder beim Ablegen der ganzen Teile helfen, wird viel gelacht. "Lachen ist so wichtig, wir machen viele Späße mit den Patienten. Sie mögen das, denn Lachen macht alles etwas leichter." Klar, im Versuch ist das lustig, aber die Vorstellung, selber im Alter so eingeschränkt zu sein, stimmt doch nachdenklich. "Vielleicht hat mancher, der diesen Test mitmacht, etwas mehr Geduld, wenn er an der Kasse länger warten muss oder bietet Hilfe an, wenn jemand im Café schwer von seinem Stuhl aufstehen kann", wünschen sich die zwei Profis - ein guter Vorsatz, meine ich und bin froh, dass ich wieder flott über die Soba laufen kann.