Schrobenhausen
In Finnland gibt es keinen Fasching

SZ TRIFFT den Austauschschüler Emil Pohjanen, der sich ganz besonders für die Schromlachia begeistert

23.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr

Stolzer Tänzer: "Hebefiguren habe ich vorher noch nie gemacht - das habe ich hier gelernt", sagt der finnische Austauschschüler Emil Pohjanen, der beim Inthronisationsball der Schromlachia mitgetanzt hat. - Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) Wer momentan versucht, dem Fasching aus dem Weg zu gehen, hat es nicht leicht. Einer, der sich dagegen kopfüber hineinstürzt, ist Emil Pohjanen (kleines Foto) aus Finnland. Der 17-jährige Schüler kommt aus Nokia, einer Stadt etwa 180 Kilometer nordwestlich von Helsinki, und nimmt an einem Austauschprogramm des Rotary Clubs teil. Dank seiner künstlerischen Begabung fand er schnell Anschluss bei der Schrobenhausener Faschingsgesellschaft Schromlachia.

Der junge Finne ist seit August im Schrobenhausener Land. Die ersten fünf Monate war er bei Familie Felbermaier in Winkelhausen zu Gast. Weil sein künstlerisches Talent nicht zu übersehen ist, er dringend Beschäftigung brauchte und die Gastfamilie guten Kontakt zur Schromlachia hat, war die Idee naheliegend, ihn dort hinzuschicken. Das erwies sich als goldrichtig: "I love to perform", sagt Emil, "ich liebe es, etwas aufzuführen. Wenn ich die Chance habe, auf einer Bühne zu stehen, dann zögere ich nicht." Weil er in dem knappen Jahr, das er in Deutschland sein wird, in drei verschiedenen Familien wohnen muss - so eine Bedingung vom Rotary Club - ist er Anfang Januar zur Familie Wöhrl nach Mühlried umgezogen. Das passt perfekt, so kann er mit dem Rad zu den vielen Trainings und Terminen fahren, die er jetzt in Schrobenhausen hat. Voller Begeisterung zeigt er seine Bühnenkostüme, die er für die Auftritte mit der Garde braucht.

In Finnland, so Emil, gibt es keinen Fasching. Aber wie hat er dann die Choreografien und die Tanzschritte so schnell gelernt, schließlich ist er erst seit Oktober beim Training dabei? "Ich tanze mit dem Herzen,", sagt er, strahlt und ist stolz auf sein Talent. Aber so ganz ohne Vorbildung ist er nicht: In Finnland besucht er ein Gymnasium mit einem künstlerischen Zweig. Dort belegt er Kurse in Schauspiel und Musik, tanzen geht er in seiner Freizeit. Die Schule in Finnland ist ganz anders als in Deutschland, erzählt Pohjanen. Hier sei alles viel strenger, die Schüler müssten viel mehr lernen, hätten mehr Stress, weil sie mehr Tests schreiben müssten und dauernd abgefragt würden. In Finnland mache man das ganze Schuljahr über Kurse, die sich die Schüler selber zusammenstellen können, und am Ende werden eine Woche lang Prüfungen geschrieben. Überhaupt meint Emil, dass das finnische Schulsystem besser für junge Menschen passe. Nach sechs Jahren Grundschule und drei Jahren Mittelschule müsse sich jeder erst viel später entscheiden, ob er auf das Gymnasium gehen möchte oder einen Beruf erlernen wolle. Und man habe mehr Möglichkeiten, in der Schule das zu lernen, was den eigenen Talenten entspreche.

"In Finnland", sagt Emil, "ist überall in the middle of nowhere." In Deutschland dagegen kommt man von einer Stadt in die nächste und überall sei Geschichte. Das interessiere ihn. Außerdem findet er, dass Deutschland sehr schön sei: "Jeder muss das anschauen." Die Idee zu einem Austausch hatte er schon, als er neun Jahre alt war und seine Tante durch den Rotary Club in den USA war. Ab da, sagt er, hat er seine Eltern jedes Jahr darum gebeten, dass er nach Deutschland darf und in der neunten Klasse durfte er endlich die Bewerbung abschicken. Dabei war sein Bild so wie das wohl vieler Menschen auf der Welt: In Deutschland trinke jeder Bier, gehe aufs Oktoberfest und man müsse unbedingt eine Lederhose kaufen. Klar wusste er aus der Schule, dass das längst nicht alles ist. Inzwischen war er schon eine Woche in Berlin, hat ein zweiwöchiges Sprachcamp absolviert - er versteht viel, beim Sprechen fällt er schnell ins Englische, wenn ihm die Vokabeln fehlen - und war auf einem Hüttenwochenende. Wenn der Fasching vorbei ist, möchte er nach München, denn die vielen Museen interessieren ihn brennend, er will unbedingt in den "richtigen Alpen" Ski fahren und vielleicht Saxofon spielen lernen.

Das muss er dann bei Familie Lesny in Angriff nehmen, bei der er die letzten Wochen seiner Austauschzeit verbringen wird. Schon jetzt hat er festgestellt, dass ein Kind in einer finnischen Familie anders aufwächst als in einer deutschen. In Finnland sind fast immer beide Eltern berufstätig, meint er. Dadurch sieht man sich am Tag kaum. Wichtig in finnischen Familien ist das gemeinsame warme Abendessen. Dann erzählen alle vom Tag, man chillt zusammen oder schaut einen Film. In Deutschland hat ihn total überrascht, dass sogar die Jugendlichen Brettspiele mit ihren Familien machen. Das gibt es ein Finnland kaum, eher gar nicht. Und die jungen Menschen in Finnland müssen viel mehr Wege allein zurücklegen. Ein Fußweg von 20 Minuten ist da nichts, viele fahren Bus, denn das ist billig. In Deutschland sei so eine Strecke schon zu weit, "ich fahr dich schnell mit dem Auto", heißt es dann und alle sind überrascht, wenn er sagt: "Ich kann den kurzen Weg doch laufen." Ganz abgesehen davon, dass auch das ein Hauptgrund ist, warum er unbedingt auf einen Austausch wollte: selbstständig werden, unabhängig sein und viele Leute kennenlernen. "Es ist nicht leicht, in Kontakt zu kommen", sagt Emil, "du musst dich selber antreiben, die ganze Zeit, aber dann ist es toll." Das alles soll ihn einen Schritt nach vorn bringen in Richtung seines ganz großen Traumes: an einer Kunstschule in Amerika studieren.