Schrobenhausen
Wo verschwinden all die Studienanfänger?

Die mangelnde Bereitschaft, sich zum Facharzt ausbilden zu lassen, spürt auch das Schrobenhausener Kreiskrankenhaus

06.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Schrobenhausen (SZ) Bei den Gesprächen mit den Ärzten des Kreiskrankenhauses wird klar: Nicht nur das Handwerk macht sich Sorgen über fehlenden Nachwuchs. Auch an der hiesigen Klinik fehlen junge Menschen mit abgeschlossenem Studium, die sich auf den Weg zur Facharztausbildung machen.

"Sollten" ist dabei das entscheidende Wort, denn einige der im Kreiskrankenhaus beschäftigen Ärzte fragen sich, wo die vielen Studienanfänger bleiben. Nach Meinung der Chefärzte Martin Schreiber und Markus Walz sowie mancher ihrer Kollegen begeben sich viel zu wenig junge Absolventen in die Facharztausbildung. "Ich habe keine Ahnung, wo diese zehntausend Studenten pro Jahr bleiben", zuckt Markus Walz die Schultern und auch Martin Schreiber überlegt, warum es so schwierig ist, Personal zu finden. Einen Grund sehen beide in den Zulassungsvoraussetzungen zum Studium. Der Numerus clausus (NC) von derzeit 1,0 führe dazu, dass gerade die schulisch stärkeren Mädchen in das Medizinstudium strebten. "Medizin wird weiblich", meint Walz und Schreiber ergänzt: "70 Prozent der Beginner im Medizinstudium sind Frauen und damit wird die Denke anders."

Beide betonen, dass sie sehr gern mit Frauen zusammenarbeiten, die Quote im Krankenaus hoch sei und man diese auch gern noch steigern würde. Doch die jungen Frauen hätten viel stärker den Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie, als dies in der Ausbildung und im Arbeitsalltag bisher vorgesehen sei. "Die Work-Life-Balance ist ein wichtiger Faktor für die jungen Menschen", sagt Martin Schreiber. Markus Walz betont: "Auch Väter möchten ihre Kinder zum Kindergarten bringen", und stellt damit die Forderung nach familiengerechteren Arbeitszeitmodellen. Doch während sich Teilzeit im Berufsalltag noch gut umsetzen lässt, ist das in der Facharztausbildung beinahe unmöglich: Die zusätzliche "Lehrzeit" ist mit sechs weiteren Jahren nach dem Studienabschluss ohnehin sehr lang - wie sollte man in Teilzeit dann überhaupt noch zum Abschluss kommen, merkt Krankenhausarzt Andreas Limberger an und schlägt vor: "Da müsste die Weiterbildungsordnung geändert werden." Ideen, wie der gesamte Ausbildungsweg verbessert werden könnte, haben die erfahrenen Ärzte reichlich: Nur der NC ist nach ihrer Ansicht kein ausreichendes Kriterium, um zum Studium zugelassen zu werden. Einerseits gebe es schon eine Quote von 30 Prozent der Bewerber, die sich die Universitäten selbst aussuchen dürften, jedoch würden hier auch viele den NC als einziges Kriterium setzen - aus Zeit- und Kostengründen. Positives Beispiel sei etwa die Uni Münster, so Walz, die die Plätze nach den Ergebnissen eines Eignungstestes vergibt.

Sowieso, meint er, wäre es am besten, jeder Interessent müsste vor Studienbeginn ein mindestens dreimonatiges pflegerisches Praktikum machen. Damit würde erreicht, dass die Anfänger wissen, was auf sie zukommt und die hohe Studienabbrecherrate könnte verringert werden. Ein weiterer Weg wäre, Studienabsolventen zu verpflichten, mindestens fünf Jahre in einem deutschen Krankenhaus zu arbeiten, meinen Walz und Limberger vor dem Hintergrund, dass sich das teure Studium für das Land auszahlen müsse. Diese Idee sieht Schreiber kritisch: "Fragen Sie einen Studenten, was er davon hält, dann sagt er: Gar nichts - den Teufel werde ich tun und mich im sechsten Semester verpflichten, was ich im 13. Semester tun werde." Nachvollziehbar, meint Schreiber.

Stattdessen malt er sich Utopien aus, wohin der ständige Ruf nach Optimierung, Verbesserung der Mobilität, Ökonomisierung und Telemedizin führen könne: "Vielleicht hat man in 40, 50 Jahren keinen Hausarzt mehr, sondern einen Laptop zuhause, den Sie aufmachen und dann können Sie sich - wie heute mit Alexa - mit einem Bildschirm darüber unterhalten, ob der gerötete Rachen und der Ausschlag etwas Bedenkliches ist. Oder im Gegenteil: Wenn die Medizin weiter so ausdünnt, kommt man vielleicht wieder zur guten alten Gemeindeschwester, die früher eine ganze Reihe von Aufgaben übernommen hat und nun den Job irgendwie mitmacht." #media-0;