Schrobenhausen
Keller des Rathauses als Keimzelle

Die Stadtbücherei in Schrobenhausen wird vor 80 Jahren gegründet - Dienstag kleine Feier

09.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:55 Uhr
Max Direktor
Die Städtische Volksbücherei im Keller des alten Rathauses ist die Keimzelle der heutigen Stadtbücherei. −Foto: Sammlung Rödig

Schrobenhausen (SZ) "108 herrliche Bücher warten auf Leser", titelt der Schrobenhausener Anzeiger am 4. Februar 1938. Mit diesem Buchbestand wird vor 80 Jahren eine neue städtische Institution ins Leben gerufen: die Städtische Volksbücherei, die heutige Stadtbücherei.

Bemühungen um Errichtung öffentlicher Büchereien hatte es schon vorher gegeben, wenn auch zunächst auf privater Basis. So war 1888 ein Leseverein gegründet worden, im Jahr 1891 meldete Franz Xaver Granvogl eine private Leihbibliothek an. Von kirchlicher Seite gründete im Jahr 1908 der Katholische Preßverein in Schrobenhausen eine Leihbibliothek - die Vorgängerin der heutigen Katholischen öffentlichen Bücherei.

Seit Mitte der Zwanzigerjahre scheint es Überlegungen zur Gründung einer städtischen Bücherei gegeben zu haben, doch dauerte es noch eine Reihe von Jahren, bis eine solche Einrichtung ins Leben gerufen wurde. Spätestens seit 1936 bemühte sich Ignaz Geßner, seit 1933 Bürgermeister der Stadt Schrobenhausen, eine städtische Volksbücherei aufzubauen. Er lässt sich von der Staatlichen Beratungsstelle für Volksbüchereien in München beraten und eine Vorschlagsliste für einen Grundbestand erstellen.

Standort der neuen Bücherei wurde das Rathaus - nach dem Auszug der Stadtsparkasse in ein eigenes Verwaltungsgebäude waren hier Räume frei geworden. Ergänzt wurde der Anfangsbestand zunächst mit einer Wanderbücherei, die Stadt stellte außerdem einen jährlichen Etat für die Neuanschaffung von Büchern zur Verfügung, und so wuchs der Bücherbestand bis zum Jahr 1943 auf 617 Bände an.

Das erhaltene Bücherverzeichnis aus diesem Jahr zeigt, dass den größten Teil des Bestands, nämlich 340 Titel, Romane einnahmen. Vergeblich suchen wir Autoren wie Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Heine, Erich Kästner, Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Jakob Wassermann oder Stefan Zweig. Sie waren längst verboten, entweder weil sie dem Nationalsozialismus gegenüber kritisch eingestellt waren oder ihn offen bekämpften, oder weil sie als "jüdische Schriftsteller" galten.

Obwohl die Abteilungen Politik und Geschichte von nationalsozialistischem Schrifttum dominiert waren, blieb der Anteil reiner Propagandaschriften am Gesamtbestand vergleichsweise gering. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Ortsgruppe der Schrobenhausener NSDAP in ihrer Geschäftsstelle eine eigene Bücherei betrieb und es Bürgermeister Ignaz Geßner, zugleich Kreisleiter der NSDAP, nicht zuletzt wohl auch darum ging, der von den Nationalsozialisten ungeliebten Bücherei des Katholischen Preßvereins ein Gegengewicht zu setzen.

Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde die Städtische Bücherei zunächst geschlossen. Nach der Säuberung des Buchbestandes von nationalsozialistischen Schriften konnte die Bücherei 1947 wiedereröffnet werden. Der Andrang von Interessenten war so enorm, dass das Amtsblatt bereits drei Wochen später einen vorübergehenden Aufnahmestopp für neue Leser melden musste.

Aufrufe an die Bevölkerung um Buchspenden für die Bücherei blieben nicht ungehört, die Amerikanische Militärregierung hatte "zwei Seesäcke voll" englischsprachige Literatur zur Verfügung gestellt. Helle Begeisterung riefen amerikanische Zeitschriften wie die Lock, Post, Life, Coulleurs, Time, Liberty oder The Florida Sportsman hervor. Die neu lizenzierten Tageszeitungen wie der Donau-Kurier, die Süddeutsche Zeitung oder die Schwäbische Landeszeitung offerierten Gratisabonnements.

Im August 1949 konnte der Donau-Kurier eine phänomenale Erfolgsstatistik präsentieren: Die nun vorhandenen 720 Bände waren während eines Jahres ganze 12000-mal ausgeliehen worden. Nur wenige Jahre zuvor, nämlich 1942, waren erst 1000 Ausleihungen verbucht worden.

Seit den Fünfzigerjahren wurde der Bücherbestand laufend erweitert. Mit dem Abbruch des alten Rathauses im Jahr 1968 musste die Stadtbücherei umziehen, zunächst in die Lenbachstraße 22, das heutige vhs-Haus. Im Jahr 1974 eröffnete die Bücherei eine Zweigstelle in der neu erbauten Hauptschule. Im gleichen Jahr übernahm Elisabeth Wenger die Leitung der Bücherei von Franz Rossak, der als städtischer Angestellter die Bücherei viele Jahre nebenberuflich betreut und sie seit Dezember 1973 hauptamtlich geleitet hatte. Nachdem in der Hauptschule ein weiterer Raum freigeworden war, zog die Stadtbücherei im Jahr 1988 ganz ins Schulgebäude um. Seit 2010 hat die Bücherei - mit ihren rund 30000 Medien aller Art - nun ihr Domizil in der Gerolsbacher Straße 19.

"In den letzten Jahren wurde das Angebot nicht nur laufend erweitert, sondern den modernen Lesegewohnheiten und Ansprüchen angepasst", sagt Büchereileiterin Karin Göpfert. So beteiligte sich die Schrobenhausener Stadtbücherei vor vier Jahren an der Gründung der SübO, der Südbayern Onleihe, einem Zusammenschluss von 21 südbayerischen Städten. SübO ermöglicht eine Auswahl aus mehr als 15000 digitalen Medien - und das bequem von zu Hause aus.

Seit drei Jahren gibt es regelmäßig Vorlesestunden für Kinder und Handarbeitsnachmittage. Gut angenommen werde das Angebot der Bücherei an Kindergärten, sich Bücherkisten auszuleihen, die auch mit Musik-CDs bestückt sind. Seit vergangenem Jahr, so Göpfert, gebe es ein Lesecafé in der Bücherei, seit Anfang dieses Jahres eine neu gestaltete Kinderecke, und ganz aktuell seit zwei Wochen kostenloses Wlan.

Dass sich der Aufwand lohnt, zeigen die Zahlen: So konnten allein in diesem Jahr bereits 300 neue Leser gewonnen werden. So ist die Stadtbücherei gut gerüstet, am kommenden Dienstag, 13. November, um 15.30 Uhr ihr 80-jähriges Jubiläum zu begehen, zu dem die Bücherei alle Interessenten willkommen heißt. Vorgestellt werden soll an dem Nachmittag auch die neue Jugend-Ecke All Age, die künstlerisch mit Unterstützung des Jugendzentrums gestaltet wurde.

Max Direktor