Schrobenhausen
In der ersten Riege angekommen

Der in Schrobenhausen geborene Schauspieler Thomas Wodianka im Gespräch über seine Arbeit

13.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:33 Uhr

Stellt gern zerrissene Charaktere dar: Schauspieler Thomas Wodianka - Foto: Katja Kuhl

Schrobenhausen/Berlin (SZ) Er arbeitet mit renommierten Regisseuren zusammen, ist Mitglied des Berliner Maxim-Gorki-Ensembles – und gebürtiger Schrobenhausener: Schauspieler Thomas Wodianka. Im Interview erzählt er von aktuellen Projekten und Kindheitserinnerungen.

Herr Wodianka, Sie wurden 1974 in Schrobenhausen geboren. In einem kleinen Ort aufzuwachsen – ist das eher ein Vor- oder ein Nachteil, um in der weiten Welt Karriere zu machen?

Thomas Wodianka: Irgendwie beides, aber ich sehe es eher als Vorteil. Manches muss man abstreifen, das ist ein normaler Prozess. Aber ich habe gute Erinnerungen.

 

Wie sind denn diese Kindheitserinnerungen so?

Wodianka: Das sind eher kurze Flashs, die auch viel mit Gerüchen zu tun haben. Auch mit Essen. Als ich beispielsweise im Sommer in Salzburg war, diese österreichische Küche, Schwammerl und Knödel – das tut gut, da fühlt man sich gleich wieder zu Hause.

 

Und wie sieht’s mit dem bayerischen Dialekt aus? Konnten Sie den abstreifen?

Wodianka: Den konnte ich jetzt in Salzburg sehr gut gebrauchen. Es war schön, mal wieder bayerisch zu sprechen.

 

Apropos Salzburg: „Der Spiegel“ lobt Sie ja explizit – in einem Verriss der Inszenierung. Wie fühlt sich das an?

Wodianka: Natürlich fühlt sich Lob immer wunderschön an, aber man muss sich davon freimachen – und das andere ist leider etwas zahlreicher.

 

Wirklich?

Wodianka: Das, oder man wird überhaupt nicht erwähnt – das ist auch wie eine kleine Verletzung. Man darf nicht alles so ernst nehmen, denn das sind Eindrücke von jemandem. Und es ist tatsächlich so, dass ich nicht danach suche oder mich darauf ausruhe. Ich mache lieber meine Arbeit und es passiert da, wo es passiert, mit dem Publikum. Und wenn es da funktioniert, ist das die Hauptsache.

 

Sie arbeiten mit renommierten Regisseuren zusammen – wie muss der optimale Regisseur Ihrer Meinung nach gestrickt sein?

Wodianka: Der sollte verständnisvoll sein, motivierend auf die Gruppe wirken, sodass alle Schauspieler zusammenarbeiten. Er sollte die Balance zwischen den Egos und Bedürfnissen der Schauspieler halten und dennoch eine Richtung vorgeben. Ich habe jetzt mit einer Regisseurin gearbeitet, bei der Schauspieler auch Texte schreiben – eine schöne Erfahrung, weil man einen ganz anderen Zugriff bekommt. Wichtig ist auch, nicht alles zu überproben. Manche Regisseure sind so verbissen, dass Luft und Energie ausgehen. Dann ist praktisch kein Spielraum mehr, den muss man dann erst wieder für die Vorstellung erarbeiten.

 

Welche Charaktere stellen Sie am liebsten dar, welche Stoffe reizen Sie?

Wodianka: Zerrissene Charaktere finde ich interessant – wenn Leute etwas Gutes wollen, dabei aber irgendwie etwas Böses herauskommt. Auch Leute, die sozial benachteiligt sind, bei denen man einen Makel herausarbeiten muss, ohne sie zu verraten. Das habe ich immer sehr sympathisch gefunden.

 

Gibt es dabei eine Rolle, auf die Sie besonders stolz sind?

Wodianka: Die Sachen, die ich, seitdem ich am Gorki bin, erarbeitet habe. „Small Town Boy“ zum Beispiel ist ein Stück, das mit Coming out zu tun hat, und damit, aus der Klein- in die Großstadt zu gehen, eine schöne Arbeit. Mit den Rollen, die ich bisher erarbeitet habe, bin ich größtenteils recht glücklich.

 

Welchen Einfluss haben darauf die Kollegen – mit wem arbeiten Sie besonders gern zusammen?

Wodianka: Hier am Gorki arbeite ich mit super Kollegen zusammen. Es ist ein sehr angenehmes Ensemble: wenig Egos, gleichberechtigte Kollegialität. Ich habe auch immer wieder Tanz gemacht – das sind auch mit die tollsten Kollegen, weil man sich grade durch diese Zusammenarbeit recht nah kommt. Es wird weniger in den andern hineininterpretiert. Das ist ein direkter Zugang, den ich sehr sympathisch finde.

 

Und wo geht für Sie die Reise künftig hin – Theater, Film, Fernsehen?

Wodianka: Teil des Ganzen ist, dass ich es nicht wirklich bestimmen kann. Meine Basis ist das Theater, dem bin ich verbunden. Da hatte ich Glück, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Filmarbeit ist anders, technischer, fragmentarischer. Die Konzentration ist eine enorme, auch die Herausforderung, sodass mich das schon sehr interessiert. Im September habe ich zum ersten Mal in einem Tatort mitgemacht, mit dem Arbeitstitel „Siegrid & Roy“, gesendet wird im April.

 

Was steht sonst in nächster Zeit an?

Wodianka: Mitte November haben wir Premiere von „In unserem Namen“ nach „Die Schutzflehenden“ von Aischylos und „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek – mit Texten aus Rechtsprechung und Asylpolitik.

 

Hört sich nach einem sehr aktuellen Stück an . . .

Wodianka: Die Aktualität ist gerade so rasant, die Thematik nicht leicht. Der Regisseur und wir setzen uns damit in einer zweiwöchigen Installation auseinander, bei der die Stühle aus dem Gorki entfernt werden – ein sehr spannendes Projekt.

 

Sind Sie eigentlich noch oft in Schrobenhausen?

Wodianka: Seit mein Vater verstorben ist und wir Geschwister das Haus verkauft haben, praktisch gar nicht mehr.

 

Das heißt, Sie haben auch keine Freunde mehr in der Stadt?

Wodianka: Unsere Wege haben sich getrennt und ich habe den Kontakt nicht aufrechterhalten.

 

Und wie sieht’s mit Martin Greif aus, Sie waren ja in Ihrer Jugend die „Feururigen Gaukler“?

Wodianka: Mit ihm hatte ich über die Jahre sporadisch Kontakt. Er hat ja am meisten damit zu tun, dass ich überhaupt im Theater angekommen bin. Denn dazu bin ich über den Spaß am Jonglieren zusammen mit Martin gekommen – eine sehr prägende Zeit.

 

Konnten Sie diese feurige Gauklerkunst auch als Schauspieler gebrauchen?

Wodianka: Absolut. Das ist die Grundlage. Natürlich entwickelt sich das weiter, aber dieser erste Impuls, auf der Straße zu sein und zu unterhalten – das ist mit die schwierigste Aufgabe. Du hast keinen konzentrierten Raum, musst die Aufmerksamkeit kriegen. Es wird dann praktisch nur leichter, auch wenn es auf der Bühne natürlich andere Erfordernisse gibt. Der Start mit der Gauklerei war eine sehr gute Schule.

 

Wo überall waren Sie damals als Straßenkünstler unterwegs?

Wodianka: Am besten waren die privaten Feiern, für die wir gebucht wurden. Auch das Schrannenfest war immer ein Highlight.

 

Das Interview führte

Ute De Pascale.