Schrobenhausen
"Ich freue mich darauf, dass jetzt Schluss ist"

<DK-XY_trifft>SZ TRIFFT</DK-XY_trifft> Josef Dauer, der nach 27 Jahren das von ihm in Schrobenhausen gegründete Sozialprojekt Brunnenhof abwickelt

27.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
Zurück zu den Anfängen: In diesem Haus in der Alten Schulgasse 2 in der Schrobenhausener Altstadt baute Josef Dauer damals das Sozialprojekt Brunnenhof auf. Jetzt nach 27 Jahren wickelt der 64-Jährige sein Unternehmen ab. −Foto: Spindler

Schrobenhausen (SZ) "Anfangen ist immer schöner als aufhören", sagt Josef Dauer, Chef des Brunnenhofs. Das Unternehmen, das vor 27 Jahren in der Schrobenhausener Altstadt als Sozialprojekt für Langzeitarbeitslose begann, wird abgewickelt. Am Freitag scheiden die letzten Mitarbeiter aus. Und für Dauer beginnt ein neuer Lebensabschnitt - mit 64 Jahren.

"Ich freue mich darauf, dass jetzt Schluss ist", bekennt Josef Dauer, der 1991 das Sozialprojekt Brunnenhof in Schrobenhausen aus der Taufe gehoben hat. Damals war Dauer in der Stadt so eine Art Vorreiter. Ein Projekt, dass Langzeitarbeitslosen und soziale benachteiligten Menschen den Weg ebnen sollte, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen, gab es bis dahin nicht. Zumindest in Schrobenhausen. Heute bekennt Dauer, dass es damals nicht wirklich eine neue Erfindung war.

Der Freinhausener, aufgewachsen auf den elterlichen Bauernhof, lernte das Fach seines Vaters und setzte noch eine Ausbildung als Agrartechniker drauf. Daran schloss sich eine Ausbildung zum Erzieher an. Bei seiner letzten Arbeitsstelle als Erzieher betreute er in Kelheim vier Jahre lang ein Jugendprojekt. Dort machte er auch Bekanntschaft mit der Idee, Menschen durch Beschäftigung in einem besonderen Unternehmen, wieder die Chance zu eröffnen, Fuß im normalen Arbeitsmarkt zu fassen. "Ich habe es immer als Sprungbrett für die Leute verstanden", erzählt Dauer über die Idee. "Es hat vielen Menschen genutzt", ist sich Dauer sicher, wenn er auf die 27 Jahre zurückblickt, die er als selbständiger Unternehmer den Brunnenhof geführt hat.

Die Bilanz kann sich am Ende der fast drei Jahrzehnte sehen lassen. Angefangen hatte der Brunnenhof in der Schrobenhausener Altstadt - nicht weit entfernt vom katholischen Pfarrhaus - in einem alten Anwesen mit fünf Mitarbeitern. "In den besten Zeiten waren es 62 Mitarbeiter", rechnet Dauer heute vor. "In den ganzen 27 Jahren sind etwa 300 Arbeitslose in feste Arbeitsverhältnisse übernommen worden." Derzeit beschäftigt Josef Dauer in seinem Unternehmen, das zum Schluss ausschließlich mit Arbeitnehmerüberlassung Umsatz gemacht hat, noch 18 Menschen. Sie verlassen am kommenden Freitag die Firma, die ihre Büros im roten Turm unterhält.

Eines ist Dauer wichtig: "Keiner steht auf der Straße." Alle seine Mitarbeiter hätten nach dem Aus des Brunnenhofs eine Anschlussbeschäftigung gefunden. Auch für Dauer gibt es noch einiges zu tun: Die Büros müssen auf- und leergeräumt, die Akten eingelagert werden. Erst, wenn alle Arbeiten im Hintergrund erledigt sind, kann auch Dauer in den selbst gewählten Ruhestand, auf den er sich seit einiger Zeit vorbereitet hat, gehen.

"Die Anfänge waren teilweise schon etwas abenteuerlich", erinnert sich Dauer an den Herbst 1991. Am 15. Oktober zog er nach einem halben Jahr Projektplanung mit fünf Mitarbeitern in einem Anwesen in der Alten Schulgasse ein. Das alte Haus und die Nebengebäude im Hof mussten hergerichtet werden. In den ersten Jahren wohnten einige seiner Mitarbeiter und manchmal sogar Obdachlose im Brunnenhof in der Altstadt. Da kam es auch schon mal vor, dass der eine oder andere ein Lagerfeuer im Hof entfachte, erzählt Dauer heute mit einem Schmunzeln.

Anfangs fand Dauer nicht viele Befürworter für sein Projekt. Es seien sogar Wetten darauf abgeschlossen worden, wie lange der Brunnenhof überhaupt durchhalten würde. Doch die Wertschätzung für das Sozialprojekt sei schnell gewachsen, wie Dauer sagt, weil die Leute gemerkt hätten, dass es sich nicht um eine Eintagsfliege gehandelt habe. Bereits Mitte der 90er-Jahre sei der Brunnenhof trotz aller Anfangsschwierigkeiten finanziell unabhängig gewesen, sagt Dauer heute: "Da kam mein unternehmerisches Gen durch, das ich auf der elterlichen Landwirtschaft aufgepfropft bekommen habe."

Das habe ihm auch gute Kontakte in die Wirtschaft zu namhaften Unternehmen beschert. Bei ihnen habe er auch Aufträge für seine Mitarbeiter erhalten. Neben Garten- und Entrümpelungsarbeiten seien die Aufträge mit der Zeit immer attraktiver geworden. "Der Gemischtwarenladen wurde immer größer", so Dauer heute. So groß, dass nach zehn Jahren das Gelände in der Alten Schulgasse zu klein wurde. Und als der Mietvertrag sowieso auslief, zog der Brunnenhof um.

Der damalige Bürgermeister Josef Plöckl hatte die Idee, den Brunnenhof an der Neuburg Straße in den ehemaligen Gebäuden der Isar-Amper-Werke (heute Bayernwerk) unterzubringen. Dort feierte Dauer auch mit zahlreichen Vertretern aus der lokalen Wirtschaft und Politik das erste Firmenjubiläum. An der Neuburger Straße sollte der Brunnenhof ganze fünf Jahre bleiben. Die nächste Station war das ehemalige Ytong-Entwicklungszentrum am Sandhof. Das Unternehmen lief gut, bis zu 62 Mitarbeiter beschäftige Dauer im Brunnenhof, neue Ideen wurden geboren: "Es hat Spaß gemacht." Bis die globale Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 auch über Dauer hereinbrach: "Wir haben damals zehn Mitarbeiter verloren - vollkommen unvorbereitet." Das schmerzt ihn heute noch. Vor zwei Jahren hat Dauer das Areal am Sandhof an Helmut und Johanna Ruf verkauft. Dauer konzentrierte sich nun ganz auf professionelle Leiharbeit.

Der Gedanke an einen Ausstieg aus dem Metier habe ihm auch die große Politik leicht gemacht. Hätte es in Berlin keine Gesetzesänderung mit der Befristung von Zeitarbeitsverträgen auf maximal 18 Monate gegeben, sagt Dauer, hätte er sicher noch einige Jahre weiter gemacht.

Seinen Ruhestand hat Josef Dauer nach eigenen Worten gut vorbereitet. In den vergangenen Monaten habe er es genossen, "später ins Büro zu kommen und einfach früher wieder zu gehen". Im Ruhestand will Dauer wieder mehr reisen. Etliche Flecken in Europa hat er noch nicht gesehen. Und wenn er das geschafft hat, sagt er, "gibt es noch ein paar andere Kontinente".

Jürgen Spindler