Schainbach
Auf der Suche nach Balance

<DK-XY_trifft>SZ TRIFFT </DK-XY_trifft>Anna Richert aus Schainbach, die Pferde und Reiter in respektvollem Umgang miteinander unterrichtet

28.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:55 Uhr
Anna Richert mit dem Wallach Malagueno in ihrem Garten in Schainbach. Das Pferd folgt ihr ohne zu Zögern in den eher ungewohnten Vorgarten und darf sich neugierig umschauen. Es ist nicht zu übersehen: Die beiden kennen sich gut. −Foto: Budke

Schainbach (SZ) Hier geht es um Pferde, das ist nicht zu übersehen: Vom Haflinger bis zum edlen, spanischen Hengst in außergewöhnlicher Palomino-Farbe strecken die Vierbeiner ihre Köpfe neugierig aus den Boxen und über die Paddock-Umzäunungen.

Anna Richert wohnt auf dem kleinen, elterlichen Hof in Schainbach.

Mitten im Dorf ist nicht viel Platz, die Boxen und Ausläufe sind geräumig, aber der Reitplatz ist eher klein und es gibt keine Halle. "In Infrastruktur wird oft viel investiert", stellt Anna Richert fest, "in die Ausbildung von Pferd und Reiter dagegen häufig zu wenig. " Sie erzählt von einem Pferdezüchter, den sie in Portugal kennengelernt hat: "Der Reitplatz war vielleicht gerade mal zehn auf zehn Meter. Der Hufschlag - das ist quasi der Rundkurs am äußeren Rand um den Platz herum - war höher, zur Mitte hin fiel der Boden ab. Es hatte Tage vorher heftig geregnet und das Ganze war eher ein See als ein Reitplatz. Das störte Reiter und Pferd kaum: Schritt, Trab, Galopp, Seitengänge, Dressurübungen - alles ritt der Züchter mit seinem Hengst ohne zu zögern mit voller Konzentration quer durch den See. " Was sie damit sagen will, ist eigentlich schnell klar: Es kommt nicht darauf an, wo und unter welchen Bedingungen geritten wird, sondern wie man das tut.

Die Ausbildung von Pferd und Reiter sind ihr deshalb so wichtig, dass sie einerseits selbst eine mobile Reitschule betreibt, um andere auf ihrem Weg weiterbringen zu können. Anderseits investiert sie viel Zeit und Geld, um sich selbst und ihre Pferde beständig fortzubilden.

Mit fünf Jahren hat sie angefangen zu reiten. Sie hatte das Glück, dass ihre Mutter ebenfalls seit Kindheitstagen pferdebegeistert ist. So zogen auf dem Hof in Schainbach die ersten beiden Pferde ein, als Anna Richert zehn Jahre alt war. "Relativ schnell wurden es drei und dann noch mehr", sagt sie lächelnd und ergänzt: "Und immer waren es Pferde, die wir geschenkt bekommen haben, weil sie krank waren oder verkorkst. " Das ist bis heute so geblieben, noch immer kommen Pferde zu ihnen, die sonst niemand mehr will.

Wie zum Beispiel Malagueno, der hübsche spanische Falbe, der aus ganz dunklen Augen zwar aufmerksam, aber auch etwas scheu schaut. Er galt als unreitbar, als er zu Anna Richert kam. Jetzt reitet sie Aufgaben aus der klassischen Dressur mit ihm. Aber er braucht einen Profi im Sattel, ein Anfängerpferd ist er bei Weitem nicht.

Warum kommt sie mit solchen Pferden zurecht? Gibt es da einen Trick? So einfach ist das wohl nicht. Vielmehr ist es beinahe eine Art Philosophie, die sich im Laufe ihres Lebens entwickelt hat und die wohl stark durch drei zentrale Stationen geprägt ist. Vor 20 Jahren absolvierte Richert die Ausbildung zum "TTeam-Practitioner" bei Linda Tellington-Jones. Das ist in Reiterkreisen ein bekannter Name, der für den sanften, respektvollen Umgang mit dem Pferd steht und für die sogenannten "TTouches" - eine Art von Berührungen, die Tellington-Jones auf Basis der Feldenkrais-Methode entwickelt hat. Nicht zuletzt soll diese gewaltfreie Methode besonders bei Tieren helfen, die unter Schmerzen leiden oder Verhaltensprobleme haben.

Um auch den Reiter besser verstehen und unterrichten zu können, hat Anna Richert Pädagogik studiert. Nachdem sie selbst lange auf der Suche war nach einem Reitunterricht, der ihren Vorstellungen und Zielen entspricht, kam sie 2015 zu dem Portugiesen Manuel Jorge de Oliveira, der in Waal im Allgäu in einem Ausbildungszentrum Reiter und Pferde unterrichtet.

Anna Richert sagt, die Hofreitschule sei schon immer ihr Vorbild gewesen. Die Art der Reiterei, die dort betrieben wird, ist die klassische Dressur, die nur auf den ersten Blick etwas mit der Dressur zu tun hat, die auf Turnieren vorgestellt wird. Im Turniersport ist zum Beispiel die Piaffe eine Aufgabe, die als Element der vollendeten Dressur gilt. In der klassischen Dressur ist dagegen diese Piaffe nur eine Übung auf dem Weg zur absoluten Balance, denn diese zu erreichen, ist das Ziel. Manuel Jorge de Oliveira unterrichtet diese Art der Dressur und bildet mit seinem Wissen seit Jahrzehnten Pferde für den Stierkampf aus.

Ist das nicht ein Widerspruch in Richerts Lebenslauf - gewaltfreie TTouches und Unterricht bei einem ehemaligen Torrero - denn de Oliveira gelangte persönlich zu großem Ruhm in diesem Beruf in seinem Heimatland. Die Schainbacherin gibt zu, dass sie zunächst selbst skeptisch war, aber ihr Lehrer spreche mit größtem Respekt und Ehrfurcht von den Stieren. Sie erzählt, die Stiere leben in Portugal in riesigen Gebieten in Freiheit, das sei kein Vergleich zu den Masttieren in deutschen Ställen. "Ich habe nicht das Recht, über kulturelle Bräuche zu entscheiden", stellt Anna Richert fest und erklärt, warum sie bei de Oliveira trainiert: "Er merkt, was Pferd und Reiter in jedem Moment brauchen, um weiterzukommen auf ihrem Weg. "

Dabei sei es ausschlaggebend, dass jedes Tier und jeder Mensch sich gemeinsam in ihrem Tempo weiterentwickeln auf dem Weg zum eigentlichen Ziel: dem Erreichen der absoluten, vertikal orientierten Balance. "Es gibt Momente, da sind Pferd und Reiter wirklich eins und das macht süchtig, da will man hin. " Das ist ihr Anspruch an sich selbst. Und was möchte sie an ihre Schüler und Schülerinnen weitergeben? Man müsse das Pferd auf eine Art und Weise reiten, die das Tier nicht unterdrückt, sondern zur Mitarbeit motiviert und der Reiter müsse an sich arbeiten, denn zum guten Reiten brauche man eine positive Oberkörperspannung, Kraft, Koordination und Konzentration. Man dürfe sich nie darauf verlassen, was gestern war, sondern müsse sich jeden Tag neu in sein Pferd hinein spüren, fühlen, was es braucht und das dann umsetzen. Bei Manuel Jorge de Oliveira lerne sie das und versuche, dieses Gefühl an die weiterzugeben, die bei ihr Reitunterricht nehmen oder deren Pferde sie trainiere. "Ich sehe Pferd und Mensch als Partner, die sich gegenseitig brauchen", sagt Anna Richert, "und die positive Zusammenarbeit gibt beiden eine neue, bessere Lebensqualität. "

Heidrun Budke