Rachelsbach
"Jetzt haben wir nichts mehr"

Nach dem verheerenden Brand in Rachelsbach weiß die Landwirtsfamilie Oswald nicht, wie es weitergehen soll

06.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:41 Uhr

In den Trümmern ihres Hofes steht Landwirtin Maria Oswald. Die Töchter Daniela (l.) und Michaela (r.) sowie viele weitere Helfer greifen ihr und ihrem beim Flammeninferno (unten) schwer verletzten Mann Josef unter die Arme - Foto: Hofmann

Rachelsbach (SZ) Wenn sie in die Zukunft blicken, sehen die Oswalds aus Rachelsbach nur eine große Leere. Ein Feuer hat ihnen am 14. Januar fast alles genommen. Jetzt leben sie von Tag zu Tag. Wie sie im Frühjahr ihre Felder bestellen sollen, wissen sie noch nicht.

Als sich Maria Oswald am Vormittag erschöpft an ihren Küchentisch setzt, hat sie schon eine lange Tour hinter sich. Sie war im Stall bei den Milchkühen, um sie zu füttern und zu melken. Die Tiere sind derzeit in Starkertshofen bei Reichertshofen untergebracht, wo – ein kleiner Glücksfall – ein Stall mit Melkanlage leerstand. Denn von den Ställen auf dem Oswald-Hof in Rachelsbach sind nur ein paar einsame Stahlträger und ein paar verrußte Mauern übrig geblieben. Draußen vor dem Küchenfenster sind gerade ein paar Helfer damit beschäftigt, den Schutt zu beseitigen.

Drei Wochen ist es inzwischen her, dass ein Großbrand das Leben von Maria und Josef Oswald von einer Minute auf die andere für immer verändert hat. „Es war fürchterlich“, erinnert sich die 54-jährige Bäuerin an den Abend. „Da ist man nur noch am Rennen, um zu retten, was zu retten ist.“ Rasend schnell habe sich das Feuer von der Maschinenhalle aus über den hölzernen Dachstuhl ausgebreitet, hin zu den Lagerbereichen und zu den Ställen für die Rinder. Obwohl die Tiere in Panik gerieten und obwohl Josef Oswald sich bereits schwere Brandverletzungen an einem Bein zugezogen hatte, schafften sie es, alle Tiere zu retten. Auch einen der drei Schlepper konnten sie ins Freie bringen, doch der Rest wurde ein Raub der Flammen. Nicht nur die Scheunen selbst und die Photovoltaikanlagen auf den Dächern, sondern auch Maschinen und Werkzeuge, Heu und Getreide, Saatgut, die gesamte Kartoffelernte, die eingelagert war und demnächst verkauft werden sollte – alles ist an diesem Abend verbrannt.

„Als die Tiere raus waren, konnten wir nicht mehr“, sagt Maria Oswald. Sie und ihr Mann mussten sich erst einmal von den Notärzten behandeln lassen. Der 58-jährige Landwirt wurde wegen seiner Brandverletzungen noch am selben Abend in eine Spezialklinik gebracht, wo er eine Hauttransplantation erhielt und neun Tage bleiben musste. Erst als er nach Hause zurückkehrte, wurde auch ihm das ganze Ausmaß des Schadens, dessen Höhe die Polizei auf rund eine Million Euro schätzt, bewusst. „Alles, was man sich in 30, 40 Jahren aufgebaut hat – weg!“, fasst es Maria Oswald zusammen.

Die 54-Jährige wusste das schon, als sie am Tag nach der Katastrophe, als die Feuerwehr noch die letzten Glutnester löschte, auf ihrem Hof stand. „Jetzt haben wir nichts mehr“, sei ihr da durch den Kopf gegangen, erzählt sie nun, drei Wochen später, und bemüht sich dabei merklich, ihre Emotionen im Griff zu behalten. Zumindest hat sie noch ein Dach über dem Kopf, denn die rund 180 Feuerwehrleute hatten es geschafft, die meterhoch lodernden Flammen am Übergreifen auf das Wohnhaus zu hindern. Und sie hielten das Feuer davon ab, bis zum Diesellager vorzudringen. Das befindet sich neben dem Haus, fast genau dort, wo der Wind in der Brandnacht die Flammen hintrieb. „Glücklicherweise hat das einer von der Feuerwehr gewusst, der früh da war und sagen konnte, wo man angreifen musste“, sagt Daniela Haslinger, die ihre Mutter wie auch die drei anderen Kinder in dieser schweren Zeit unterstützt.

Wie es weitergehen soll, kann auch sie nicht sagen. „Momentan läuft's noch zukunftslos“, sagt Daniela Haslinger. „Der Ackerbau und die Wiesen, das muss weitergehen“, meint die Mutter. Aber wie? „Wir haben die Kartoffellegemaschine und den Vollernter. Aber alles dazwischen haben wir nicht“, berichtet die Landwirtin. „Und keine Pflanzkartoffeln“, ergänzt ihre Tochter. Die wenigen, die den Brand überstanden hätten, seien beim strengen Frost der vergangenen Tage erfroren. Denn die Stelle, wo sie gelagert sind, sei noch nicht freigegeben gewesen. Da eigenmächtig etwas machen dürfe man nicht – wegen der Versicherung, sagt Daniela Haslinger, „sonst kriegt man gar nichts gezahlt. Man weiß eh nicht, wie viel die zahlen“.

Dort, wo sie aufräumen dürfen, beseitigen die Oswalds und ihre Helfer die Trümmer. Der 58-jährige Bauer kann nach seiner schweren Verletzung allerdings noch nicht selbst eingreifen, „das macht es für mich natürlich nicht einfacher“, sagt Maria Oswald. Doch sie hat ihre Kinder, die zwar alle nicht mehr auf dem Hof wohnen, aber natürlich helfen, wo sie können. Daniela kümmert sich um den Papierkram, Michaela hat das Haus geputzt, Simone hilft mit den Tieren und Martin bei den Aufräumarbeiten im Hof.

Und dann sind da all die Freunde und Nachbarn, die mit anpacken. „Es sind ganz viele gekommen, um zu helfen“, erzählt die 54-jährige Bäuerin. Schon beim Brand waren sie da und in den Tagen danach. Manche brachten Wurstsemmeln für die Helfer, andere Heu für die Tiere. „Die haben das alles freiwillig gemacht. Die haben das alles gern gemacht“, sagt Maria Oswald, und jetzt schimmert es doch feucht in ihren Augen. Sie weiß aber auch, dass sie wohl noch lange auf Hilfe angewiesen sein wird, bis sie und ihr Mann wieder ein einigermaßen normales Leben führen können. Irgendwann vielleicht.