München
In einer spannenden Zeit zu Besuch im Sozialministerium

Maria-Ward-Schülerinnen wollten eigentlich über Gewalt gegen Frauen reden, aber dann ging es auch um die Umbrüche nach der Landtagswahl

23.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:45 Uhr
Bei ihrem Ausflug nach München besuchten die Maria-Ward-Realschülerinnen auch die Bayerische Staatskanzlei, vor der sie sich fotografieren ließen. −Foto: Marie-Luise Failer

München/Schrobenhausen (oh) Schon oft hatte die Maria-Ward-Realschule am Programm "Lernort Staatsregierung" teilgenommen, noch nie aber so kurz nach einer Wahl. In diesem Jahr sollte es, wie von den Schülerinnen gewünscht, ins Sozialministerium gehen.

"Politik betrifft uns nicht! " - so denken viele Jugendliche. Dass das nicht stimmt, war den Schülerinnen der Maria-Ward-Realschule bereits vor dem Besuch in München klar. Sie hatten sich alle für die Teilnahme an "Lernort Staatsregierung" beworben. Schon bei der Vorbereitung wurden sie nicht enttäuscht. Dass aber ihr Wunschthema, "Gewalt gegen Frauen", auch etwas mit Politik zu tun hat und im Bayerischen Sozialministerium ein wichtiges Thema ist, dachten sie zunächst nicht.

Richtig entsetzt waren sie dann, als sie sich damit eingehend beschäftigten und Andrea Schlicht vom Frauenhaus in Ingolstadt eingeladen hatten. "Jede vierte Frau erlebt häusliche Gewalt", berichtete sie. Schnell zählten die Schülerinnen durch und stellten fest, dass unter ihnen elf Mädchen sitzen, die, rein statistisch gesehen, später betroffen sein werden.

Im Ministerium erfuhren die Schülerinnen dann, dass dies unabhängig von Einkommensverhältnissen, von Herkunft und Alter geschieht. Die Zahl der Taten steige, betonte Yanina Bloch, die im Ministerium den Fachvortrag zum Thema hielt, und fuhr fort: "Aber die Opfer sind nicht verstärkt in Familien mit Migrationshintergrund zu finden, wie viele glauben. " Sie meinte, Grund für den Anstieg der Fallzahlen sei unter Umständen auch eine gewachsene Bereitschaft von Frauen, diese Taten zur Anzeige zu bringen. Doch noch immer sei die Dunkelziffer enorm hoch und das Thema an sich für viele tabu. Auch in den Medien werde davon kaum berichtet.

Doch unter den aktuellen politischen Bedingungen trat das Wunschthema der Schülerinnen, "Gewalt gegen Frauen", fast in den Hintergrund: Wird Staatsministerin Kerstin Schreyer, erst seit sieben Monaten im Amt, dieses schon wieder verlieren? Wer muss mit ihr das Ministerium verlassen? Diese und viele weitere Fragen hatten die Schülerinnen im Gepäck. Als Beamter in ein Ministerium zu kommen, gelte als sicherer Job, erfuhren die Schrobenhausenerinnen. Die Arbeit sei vielseitig und interessant. Man freue sich über die Zusage, nehme die Familie mit in die Landeshauptstadt und kassiere die Zulage, die es für Mitarbeiter in den Ministerien gebe. Nur einmal brauchte die CSU bisher einen Koalitionspartner. Die Beamten in den Ministerien mussten sich vor einer Versetzung nicht fürchten. Plötzlich ist alles anders. Die CSU hat die absolute Mehrheit verloren und sucht nach einem Juniorpartner.

Im Sozialministerium wurde darüber schon vor den Wahlen heftig diskutiert, erfuhren die Schülerinnen. Das Ergebnis erstaunte dann eher weniger, waren doch die Demoskopen mit ihren Prognosen gut gelegen. Die Themen, die die Freien Wähler besetzen, betreffen das Ministerium für Arbeit, Familie und Soziales eher weniger. Vielleicht bleibt das Sozialministerium also in der Hand der CSU. Das beruhigt die Mitarbeiter. Wird aber Kerstin Schreyer weiterhin Staatsministerin bleiben? Und was ist, wenn sich der Zuschnitt der Ministerien schon wieder ändert? Ohnehin hat das ehemalige Superministerium in der Vergangenheit wichtige Bereiche verloren. Während des BSE-Skandals fielen Verbraucher- und Tierschutz weg, es folgten Gesundheit und Pflege und mit der Wahl von Markus Söder zum Ministerpräsidenten zuletzt Asyl und Integration.

Wenn Staatsminister und Staatssekretär wechseln, bringen diese in Regel neue Mitarbeiter mit. Der persönliche Referent des Ministers muss gehen und oft werden auch die Spitzenbeamten ausgetauscht. "Woanders hinzugehen ist Teil der beruflichen Laufbahn eines Beamten. Das muss man wissen und aushalten, wenn man diesen Weg einschlägt", sagte Markus Gruber, einer der beiden Ministerialdirektoren im Haus. Ein Ministerium arbeite dem Minister zu. Deshalb dürfe der große Rest der Beschäftigten bleiben. Schließlich hätten die Beamten schon viel Erfahrung, auf die sich gerade die Neuen im Amt stützen können. Auch Projekte, die bereits angefangen wurden, würden in der Regel fortgeführt. Was aber, wenn im Zuge der ohnehin geplanten Deregulierung Teilbereiche einzelner Ministerien verstärkt in andere Städte verlegt werden? Dann müssten viele Familien ihre Koffer packen und umziehen und das beträfe auch Mitarbeiter im Sozialministerium.

Im Ministerium war man von dem Interesse der Schülerinnen und der regen Beteiligung begeistert. Für ihr Engagement wurden die Schülerinnen reichlich belohnt: Sie dürfen sich für eine Fahrt nach Berlin bewerben, verkündete eine Sprecherin der Landeszentrale für politische Bildung, die für alle bayerischen Schulen nur insgesamt sechs solche Fahrten anbiete. Die Schrobenhausenerinnen müssten nur noch ein passendes Gruppenfoto mit ihrem Spruch zusenden.

Das ließen sich die Schülerinnen nicht zweimal sagen. Schon beim nächsten Treffen wollen sie über Motiv und Motto entscheiden und versuchen, mit den Ideen ihrer Vorgänger konkurrieren zu können. In jedem Fall aber wünschen sich die Schülerinnen, dass die Lernortgruppe an der Schule fortgeführt wird. Anja Pfaffinger bemerkte abschließend: "Im Unterricht in Sozialkunde lernen wir die Theorie. Jetzt kann ich mir etwas darunter vorstellen. "

Marie-Luise Failer