Schrobenhausen
"Ich kann sehr scharf werden, muss aber nicht rumpoltern"

Stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Natascha Kohnen diskutierte mit Gymnasiasten vom Arbeitskreis "Politik und Zeitgeschichte"

30.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:15 Uhr
Auf diskutierfreudige Schüler traf Natascha Kohnen (r.) am Schrobenhausener Gymnasium. −Foto: De Pascale

Schrobenhausen (SZ) "So wie Söder mach ich es nicht!

" - das sei beim Einstieg in die Politik einer ihrer ersten Gedanken gewesen, erzählt Natascha Kohnen. Am gestrigen Freitag war die Stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende zu Besuch beim Arbeitskreis "Politik und Zeitgeschichte" im Schrobenhausener Gymnasium - und traf da auf diskutierfreudige Schüler.

Ein paar Eckpfeiler liefert ihnen Kohnen zu ihrem persönlichen Werdegang, geht dann allerdings zackig dazu über, mit den Gymnasiasten über die Politik der SPD zu debattieren. Das tut sie mit einem gerüttelt Maß an Selbstkritik, redet vom "verheerenden Ergebnis" ihrer Partei bei der Landtagswahl. Mehrere Aspekte macht Kohnen dafür aus: So habe man Themen wie Nachhaltigkeit und Klima vernachlässigt. "Wir müssen definitiv raus aus der Kohle, aber die Zusatzaufgabe haben wir als SPD nicht gelöst, nämlich: Wie gehen wir mit denen um, die ihre Arbeitsplätze verlieren? " Auch die Sache mit der Glaubwürdigkeit mache der SPD zu schaffen, nicht zuletzt auch wegen Fehlern der Vergangenheit: Stichwort Hartz IV. "Unglaublich viele Menschen haben der SPD nie verziehen, was wir damals gemacht haben. " Jedenfalls müsse die SPD nun endlich mal "das Belastete in der Partei abwerfen! ", ist Kohnen überzeugt. Was die Grünen wesentlich besser hinbekämen, sei Zuversicht zu versprühen. Wobei Kohnen findet: "Die Grünen wählen gibt ein gutes Gefühl, aber gehen Sie mal in die Tiefe, dann kriegen Sie wenig Antworten! " Auch das ein Manko der SPD: "Wir waren nicht in der Lage, uns klar zu positionieren" - was nun dringend geschehen müsse. Generell, auch auf Bundesebene, müsse gelten: Keine Angst vor Personaldebatten! Wozu auch gehöre, jüngere Leute ranzulassen.

Vor allem in Bezug auf das Sprachliche sei ein unglaublich brutaler Wahlkampf geführt worden, findet Kohnen, etwa wenn Innenminister Horst Seehofer von "Asyltouristen" geredet habe. Oder wenn mittels "Wassersprache", also Begriffen wie Dammbruch oder Lawine, Menschen Angst eingejagt wurde. Überhaupt, das Thema Flüchtlinge: "das absolute Hetzthema", findet Kohnen, schließlich sei das für die meisten im täglichen Leben überhaupt nicht relevant. Generell sei Immigration "ein globales Thema", bei dem es nicht um Abschotten gehen könne, sondern um die Frage: Wie löse ich das für die Länder, aus denen sich Menschen auf den Weg machen? Auch, weil man hierzulande ja an alledem nicht unschuldig sei. "Wir haben Ressourcen verballert, aber wir diskutieren das nicht", so Kohnen.

Noch viele Punkte mehr, von der Digitalisierung, der sich damit verändernden Arbeitswelt, über bezahlbares Wohnen bis zu Bildungs-, Gesundheits- oder Familienpolitik ("statt über bedingungsloses Grundeinkommen vielleicht lieber über eine Kinder-Grundsicherung reden") kommen in den rund eineinhalb Stunden, die sich Natascha Kohnen für die Diskussion mit den Schrobenhausener Gymnasiasten nimmt, zur Sprache. Punkte, die in die grundsätzliche Frage münden: Was für einen Sozialstaat wollen wir eigentlich? Auch die Koalitionsverhandlungen reißt Kohnen kurz an: Da habe sich die CSU mit den Freien Wählern den "schmerzfreieren" Partner ins Boot geholt. Und: "Ich glaube nicht, dass sich wahnsinnig viel verändern wird. "

"Sie haben jetzt mehrere Leuchtkerzen gezündet, in die wir einsteigen können", ermuntert Christian Huber, Leiter des Arbeitskreises "Politik und Zeitgeschehen", seine Schüler schließlich zur Diskussion mit der Stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden. Die sieht sich dann Fragen wie: "Führen Sie eine mangelnde Medienpräsenz auf Ihr Scheitern bei der Wahl zurück? " gegenüber. Seinen Bekanntheitsgrad hochzubringen, sei unglaublich schwierig, antwortet Kohnen. Dass sie nicht am TV-Duell, deren Gäste an Umfragewerten orientiert eingeladen wurden, teilnehmen durfte, habe sehr geschmerzt.

"Ich gehe mit vielem, was die SPD anbietet, d'accord", sagt ein Schüler, aber: "Sie haben kein starkes Profil als Partei; ich habe das Gefühl, dass sich die SPD nur von der CSU rumschubsen lässt". Eine Aussage, die ihr im Wahlkampf immer wieder begegnet sei, gesteht Kohnen. Deshalb heiße es für die SPD jetzt, Vertrauen zurückzugewinnen. "Wir müssen uns schnell positionieren und dann raus! " Warum nicht mal über Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnerts Vorschlag nachdenken: "Ein soziales Jahr für über 40-Jährige? ", spinnt Kohnen dann die Frage eines weiteren Schülers nach ihrer Position zur Wehrpflicht weiter. Wie schwer sich das politische Geschäft mitunter nach außen verkaufen lässt, versucht sie anhand der Antwort auf eine weitere Schülerfrage zu erklären: Nicht selten gelte es im Hintergrund nach außen schwer verständlicher Entscheidungen nämlich, Vereinbarungen aus der Vergangenheit einzuhalten.

Das Interesse einer Schülerin daran, was ein Politiker neben der fachlichen Kompetenz auch an Persönlichkeit mitbringen müsse, findet Kohnen "eine schöne Frage". Sie antwortet: "Klingt kitschig, aber Sie müssen Leute echt mögen. " In eine ähnliche Richtung zielt auch diese Schülerfrage: "Sie führten einen eher leisen Wahlkampf - würden Sie das im Rückblick anders machen? " - "Ich kann sehr scharf werden", gesteht Kohnen (beim Fall Maaßen sei ihr "der Kragen geplatzt", hatte Kohnen zuvor bereits gestanden); sie müsse aber "deswegen nicht rumpoltern". Denn: "umso derber, umso populistischer, umso dreckiger - das funktioniert nicht. " Kohnen ist überzeugt: Sich permanent an die Rübe zu gehen" bringe weder im Gesellschaftlichen, noch im Politischen und auch nicht im Schulischen irgend jemanden weiter.

Ute De Pascale