Schrobenhausen
"Ich bin es gewohnt, zu kämpfen - aber fair"

Ein 1968 bei der Primiz von Werner Hörmann gedrehter Film zeigt auch zahlreiche Honoratioren der Stadt

14.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:24 Uhr
  −Foto: Fotos: Screenshots De Pascale

Schrobenhausen/Ostendorf (SZ) "Langweilig ist in meinem Leben nahezu gar nichts", sagt Werner Hörmann. Vor 50 Jahren, im Juli 1968, feierte der promovierte Theologe in Schrobenhausen Primiz. Noch heute sieht er sich als Priester, auch wenn er "1982 in den Laienstand zurückversetzt" worden sei. Auf einem am Primiztag gedrehten Film, den die Schrobenhausener Zeitung jetzt veröffentlicht, sind auch zahlreiche Honoratioren der Stadt zu sehen.

Ein Interview? Da hakt Werner Hörmann (kleines Foto) erst mal genauer nach, meint, das komme darauf an. "Wenn Sie mich fragen, wie viele Galaxien es gibt, muss ich sagen: Das weiß ich nicht." Humor, der scheint in Hörmanns Leben eine nicht zu unterschätzende Rolle einzunehmen.


Der Glaube ebenso. "Ich bin dem Schöpfer dankbar, dass ich mit dabei sein darf bei seinen Geschöpfen", sagt Hörmann. "Und ich bin dem Sohn des Schöpfers dankbar, dass ich auch frei sein darf. Nämlich frei, mit ihm zu gehen, komme, was kommen mag."

Die Bilder auf dem Film, den Kurt Gössl gedreht hat, zeigen herrliches Festtagswetter. Fahnenabordnungen und Kirchenchor, Feuerwehrleute wie Honoratioren waren mit dabei, auch viele Zaungäste wollten diesen besonderen Tag offensichtlich miterleben. Denkt er noch zurück an jene Zeit? "Durchaus", versichert Werner Hörmann. "Ich habe eine ganz wichtige Erinnerung an meine Priesterweihe: Da gibt's eine Szene, da müssen sich die zu Weihenden auf den Boden legen, mit ausgestreckten Armen. Dann berührt sie von oben her der zuständige Weihbischof und beauftragt sie mit der Verkündigung. Damals hat sich in mir bereits deutlich der erste - kirchlich gesprochen - ,Ketzereffekt' gezeigt. Ich habe mir gedacht: Du gibst mir nicht den Auftrag! Den Auftrag hat mir schon jemand gegeben, vor dir."



Bevor er den Weg in Richtung Priesteramt einschlug, absolvierte Werner Hörmann in Schrobenhausen eine Ausbildung zum Graveur. "Was ich in der Schule gehört habe zum Thema Bibel, das hat mich so verunsichert, dass ich mir von meinem ersten Lehrlingsgehalt eine ganze Bibel kaufte", erzählt Hörmann, "die besitze ich heute noch." Um anschließend Priester werden zu können, holte er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach.

Wegweisende Begegnungen gab es im Leben von Werner Hörmann nicht nur einmal. Die beiden "sehr guten Professoren" etwa, die er beim Studium kennenlernte, "ein Philosoph und ein Neutestamentler" - beide waren sich einig: Pfarrer, das sei nicht das Richtige für ihn. Sie gaben ihm den Ratschlag, vielmehr Exeget, also Ausleger des Neuen Testaments, zu werden. "Ich habe es oft ironisch gesagt", erzählt der 78-Jährige, "wenn jemand bei der Kirche nicht Karriere machen will, dann soll er sich gefälligst sehr viel mit dem Neuen Testament befassen, denn dann wird er nämlich immer gefährlicher und undurchschaubarer - und so ging es mir."

Dennoch führte er den eingeschlagenen Weg zunächst fort, trat die vereinbarte Kaplanstelle an. "Da hatte ich schon wieder Fehler begangen", blickt Hörmann zurück. Er habe nämlich zusammen mit einem protestantischen Pfarrer regelmäßig eine Bibelstunde abgehalten. Das sei dann wieder dem Herrn Bischof zugetragen worden. "Und so weiter..."



Auch im Doktorandenseminar in Freiburg traf Hörmann auf einen Lehrer, "dem ich viel zu verdanken habe", wie er erzählt. "Bereits damals habe ich Worte erfunden." Anstatt "irgendeinen kirchlichen Titel zu benutzen" habe er die Herrschaften einfach "Kirchler" genannt. Jene, "die meinten, sie bräuchten bloß eine äußere Form haben und rechtzeitig dem Glockengeläut hinterherlaufen, dann sind sie schon die wahren Christen".

Dennoch gibt es ja auch innerhalb der katholischen Kirche Menschen, die es sehr wohl verstehen, in die Tiefe zu gehen, es keineswegs darauf angelegt haben, um jeden Preis "Karriere" zu machen - oder etwa nicht? Die habe es immer schon gegeben, antwortet Hörmann. "Aber die werden von außen her und zwar Richtung Rücken beschossen." Auch zu seinen Doktorandenseminaren kämen Leute, die tiefer in die Themen einsteigen möchten. "Denen mache ich auch entsprechende Schaubilder - das kommt aus meiner Graveurszeit - und die sind bis auf einen immer noch in Amt und Würden: Lehrer, Politologen, Künstler, Pfarrer, Psychologen - die tragen das weiter, die kann nicht so leicht jemand hindern."

14 Jahre nach seiner Primiz in Schrobenhausen, anno 1982, "bin ich in den Laienstand zurückversetzt worden", durch Joseph Ratzinger. "Das Nette ist: Ein ehemaliger Studienkollege von mir ist mittlerweile sein Assistent in Rom. Er hat mich wiederholt eingeladen, Ratzinger zu treffen", so Hörmann. "Ich antworte dann immer: ,Wenn er sich auf ein Streitgespräch mit mir einlässt...'"



Doch wie läuft so etwas eigentlich ab, wenn jemand beschließt, nicht mehr Priester sein zu wollen? "Ich habe das nie beschlossen", entgegnet Hörmann. "Ich halte mich immer noch dafür." Und: "Wenn andere meinen, sie müssten mich, weil ich nicht in ihren üblichen Formelkram hineinpasse, degradieren: Ich nehm's zur Kenntnis, nehm's hin." Weiter erzählt Hörmann: "Das Erste, was sie übrigens seinerzeit gemacht haben: Sie haben mir jede Möglichkeit entzogen, kirchliche Rente zu beziehen, haben mir sozusagen den Geldhahn zugedreht."

Anschließend ging Werner Hörmann zu einer Versicherungsfirma in Augsburg, setzte sich für eine bessere Verrentung von Pfarrhaushälterinnen ein. Auch das sprach sich natürlich herum. "Runter bis in die Diözese Passau. ,Achtung, da kommt immer einer, und da ist ein Pfarrer dabei' - das war ich", erzählt Hörmann schmunzelnd. "Das hat auch wieder nicht gepasst." Vorwürfe habe er seinerzeit aus Augsburg vernommen: "Der macht jetzt Geschäfte auf unsere Kosten." Hörmann weist sie von sich: "Ich habe nur so viel bekommen, dass ich mir eine billige Wohnung und zu essen und zu trinken leisten konnte." Darüber hinaus habe er Einladungen zu Referaten angenommen. "Und ich habe eine Portion Bücher geschrieben, dafür gute Tantiemen gekriegt", berichtet er.

Ältere Schrobenhausener erinnern sich womöglich noch an eine weitere Facette Werner Hörmanns. Vom 13. bis zum 18. Lebensjahr war er Ringer, "ich war auch Bayerischer Meister", erzählt er. "Ich bin es gewohnt, zu kämpfen." Generell lasse sich diese Sportart gut anwenden, nicht zuletzt auf das Leben selbst. "Du darfst ruhig auch einmal hart sein, musst nicht jedem aus purer Höflichkeit nachgeben." Nur fair müsse eben alles zugehen. Nach dieser Maxime habe er sein Leben lang gehandelt.



Nun ist es ja so, dass Priester hin und wieder auch deshalb einen anderen Weg einschlagen, weil sie sich verlieben, heiraten möchten - das war bei ihm also überhaupt kein Thema? "Das habe ich nachher gemacht", sagt der 78-Jährige, der heute in Ostendorf, einem Ortsteil von Meitingen, lebt, "eine meiner ehemaligen Studentinnen, mit der ich jetzt noch verheiratet bin."

Auch die Bande nach Schrobenhausen sind nach wie vor aktiv. Verwandtschaft lebt hier, und im Landkreis Pfaffenhofen wohnt sein Bruder. Und wenn ein Geburtstag, eine Hochzeit oder eine Taufe ansteht, dann ist wieder Hörmanns Humor gefragt. Dann, erzählt er, komme eine launige Rede von "Onkel Werner" immer bestens an.

 

Ute De Pascale