Schrobenhausen
Herausforderung Nationalismus

Politologe Ingmar Niemann sprach bei der vhs Schrobenhausen über Krise und Aufbruch der EU

18.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:24 Uhr
Die aktuellen Probleme der Europäischen Union beleuchtete der Hochschuldozent Ingmar Niemann (l.), den Wolfgang Murr (r.) einführte, beim vierten Vortrag der vhs-Reihe zur politischen Bildung. −Foto: Anna Mayer

Schrobenhausen (mva) "Europa zwischen Aufbruch und Krise - im Jahr der Entscheidung" hieß der vierte Abend in der Vortragsreihe "Politische Bildung" der Volkshochschule (vhs) Schrobenhausen. Hauptamtlicher Mitarbeiter Wolfgang Murr freute sich über rund 40 Zuhörer, die in den Blauen Saal der vhs gekommen waren.

Der Referent, Diplom-Volkswirt und Politologe Ingmar Niemann, Dozent an der TU München und an der Hochschule Kempten sowie ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Außenpolitik in München, hat sich in drei vorangegangenen Vorträgen ein festes Publikum geschaffen. Niemann zeigte sich als äußerst profunder Kenner der Geschichte und Entwicklung der Europäischen Union (EU). Anhand von Folien führte Niemann in die Thematik ein und gab einen grundlegenden historischen Überblick.

Europa stehe vor großen Herausforderungen, betonte der Referent und hob die momentane Situation in Großbritannien mit den Brexitverhandlungen heraus. Auch die Probleme mit der Türkei oder der immer stärker aufkommende Nationalismus in den Ländern stellten große Herausforderungen dar. Die Europäische Union sei eine Zweckgemeinschaft, ständig müssten Kompromisse vereinbart werden und kein Mitglied sei zufrieden.

Niemann stellte die Grundlagen der EU vor und äußerte sich zu den anstehenden Europawahlen im Mai. Problematisch seien hier populistische Parteien, die in Ländern wie Frankreich, Polen, Rumänien, aber auch in Deutschland auf dem Vormarsch seien. Als "Flaggschiff" der Europäischen Union nannte Niemann die gemeinsame Währung, den Euro. Dieser vermittele Identität, habe aber auch eine asynchrone Konjunkturentwicklung zur Folge.

Niemann streifte die derzeitige Situation in Italien, hier bestimme eine eher europafeindlich eingestellte Regierung den Kurs. In Frankreich sieht der Referent die Europapolitik von Emanuel Macron eher skeptisch; die wirtschaftliche Situation sei zwar solide, aber die mentale Stimmung in der Bevölkerung sei schlecht. In Frankreich regiere seit Jahrhunderten der Staat die Wirtschaft, viele Fabriken mussten schließen, und es entstand vorwiegend eine Dienstleistungsgesellschaft, in der Industrie würden nur knapp 20 Prozent erwirtschaftet, hinzu komme eine hohe Staatsverschuldung. Der Aufstand der Gelbwesten sei eine unorganisierte Demonstration, also nicht etwa von der Gewerkschaft initiiert, und signalisiere große Unzufriedenheit und Unmut in der französischen Bevölkerung.

Ingmar Niemann stellte am Ende seiner Ausführungen eine Agenda vor, die Europas Zukunft seiner Ansicht nach positiv voranbringen könnte. Unter anderem sollte in Europa die Mehrwertsteuer vereinheitlicht werden, das Rentenalter angepasst werden, der Bildungsstandard an den Universitäten erhöht werden; die Finanzmärkte müssten reformiert und strategische Unternehmensprojekte entwickelt werden. Niemann bedauerte, dass der europäische Gedanke bei den Völkern des Kontinents nicht wirklich grundlegend verankert sei. Wolfgang Murr moderierte die hochinteressante und spannende Diskussion mit dem Publikum.