Heiße Ausbildung für schweren Atemschutz

24.08.2007 | Stand 03.12.2020, 6:32 Uhr

Der Puls steigt, die Hitze dringt durch die Schutzkleidung. Die körperliche Belastung ist immens. Bis zu drei Liter Flüssigkeit verliert der Körper eines Atemschutzgeräteträgers in 30 Minuten.

Schrobenhausen (SZ) Atemschutzgeräte gab es schon vor hundert Jahren. Die damals Bauchapparate genannten Geräte haben allerdings mit den Hightech-Atemschutzgeräten, die bei der Feuerwehr heute eingesetzt werden, nicht mehr viel gemeinsam. Der Umgang damit will gelernt sein.

"Feuer ist nicht gleich Feuer. Heute brennt es anders als vor 50 Jahren", sagt Ralf Schlingmann, zweiter Kommandant der Schrobenhausener Feuerwehr. Klingt komisch, ist aber so. Früher bestand das Grundgerüst der Häuser aus Holz, die Inneneinrichtung größtenteils aus unbehandeltem, chemikalienfreiem Holz. Das, was nicht aus diesem Werkstoff war, wurde aus natürlichen Materialien wie zum Beispiel Baumwolle hergestellt.

Heute sieht das ganz anders aus: Überall hoch giftige Klebstoffe, PVC, Kunstfasern und lackierte Möbel. Daraus resultieren viel mehr Gefahren für die freiwilligen Helfer der Feuerwehr. "Sie haben sich verhundertfacht", sagte Ralf Schlingmann. Die Feuerwehrleute müssen sich vor Atemgiften wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid oder Blausäure schützen und tragen deshalb Atemschutzgeräte.

Wer dem Feuer nahe kommt, muss sich nicht nur vor Atemgiften schützen, sondern auch vor Hitze. Schon bei kleinen Bränden können Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius entstehen. Das stellt hohe Anforderungen an die Schutzausrüstung der Helfer. Der Atemschutzträger selbst steht vor extremen körperlichen und psychischen Belastungen. "Bei Temperaturen ab 100 Grad Celsius und einer Einsatzdauer von 20 Minuten suggeriert man seinem Körper eine Art Fieberzustand", sagt Ralf Schlingmann. "Dazu kommen noch vollkommene Dunkelheit und die eigentliche Gefahr, das Feuer."

Um auf diese Situationen und Gefahren optimal vorbereitet zu sein, durchlaufen die Atemschutzgeräteträger der Feuerwehren in Schrobenhausen ein vierstufiges Ausbildungskonzept. Die Mittel für diese hochwertige Ausbildung hat der Schrobenhausener Stadtrat vor kurzem erst bewilligt.

"Eine Investition in die Zukunft", findet Robert Ottillinger, Leiter des Bereichs Atemschutz bei der Feuerwehr Stadt Schrobenhausen. "Wir investieren hier in die Sicherheit unserer Kameraden, die ihre Freizeit für die Bürger der Stadt Schrobenhausen zur Verfügung stellen."

Vier Stufen

Das vierstufige Ausbildungskonzept sieht in der ersten Stufe die Atemschutzgrundausbildung der angehenden Geräteträger an der Stützpunktfeuerwehr Schrobenhausen vor. Vorrausetzung für die Teilnahme ist eine ärztliche Tauglichkeitserklärung sowie ein Alter von mindestens 18 Jahren. In 20 Stunden lernen Feuerwehrfrauen und -männer von der Pike auf, wie Atemschutzgeräte aufgebaut sind, wie sie richtig bedient und eingesetzt werden. Die Gefahren des Atemschutz?einsatzes stellen einen weiteren Schwerpunkt in der Ausbildung dar.

In der Praxis werden Trockenübungen durchgeführt. Höhepunkt der Ausbildung ist der Kriechstrecken-Durchgang: ein Hindernisparcour aus verschiedenen Gitterboxen mit Engstellen, Ein- und Ausstiegsluken, Rohren und einer Hitzezone. Erst, wer das überstanden hat, ist dazu berechtigt, Atemschutzgeräte im Einsatz zu tragen.

Die zweite Konzeptstufe umfasst eine vierstündige praktische Ausbildung im gasbefeuerten Brandcontainer in Karlshuld. Hier können die Atemschutzgeräteträger das erste Mal ihr Können am heißen Objekt unter Beweis stellen. Schon beim Eintreten in den Container schlägt einem eine Flammensäule durch eine eiserne Wendeltreppe entgegen. Im stockdunklen Raum tasten sich die Atemschutzgeräteträger vor und stoßen auf brennende Gasflaschen. Jetzt ist überlegtes und beherztes Handeln gefragt. In der Enge breitet sich die Hitze der brennenden Gasflaschen rasch aus und erschwert den kontrollierten Löschangriff.

Wenn das gemeistert ist, steht dem Atemschutztrupp ein Fettbrand in einer Küche bevor. Auch hier gilt es, die Theorie in die Praxis umzusetzen. "Das war mein erster Innenangriff unter Atemschutz mit echtem Feuer", bestätigt Daniel Göbel, die die Ausbildung gerade hinter sich gebracht hat. "Es ist sehr beeindruckend, einen Brand aus direkter Nähe zu sehen und effektiv zu bekämpfen. Die Hitze fordert einem körperlich alles ab."

Ausbildungsstufe Nummer drei ist der Lehrgang "Wärmegewöhnung in einer holzbefeuerten Trainingsanlage" bei der Firma FeuRex in Oberhausen. Auf zwei Tage verteilt lernen die Firefighter den professionellen Umgang mit Strahlrohren. Wie bei vielen Feuerwehren sind auch in Schrobenhausen so genannte Hohlstrahlrohre im Einsatz. Diese ermöglichen den gezielten und sparsamen Einsatz von Löschwasser sowie den Schutz der eigenen Kameraden durch ein breites Wasserschild.

Hohlstrahlrohre

Der richtige Umgang mit diesen Hohlstrahlrohren muss aber gelernt und ständig geübt werden. Nach der Theorie folgt wieder die Praxis. Allein der Gedanke an die zu erwartenden Arbeitsbedingungen mit zunehmender Hitze sowie Nullsicht im Brandrauch bedeutet Stress pur für die Einsatzkräfte. Im Brandcontainer erwartet die Teilnehmer ein Hindernisparcour. Es ist wieder stockdunkel, und man muss sich in kompletter Montur zwischen Reifen durchquetschen, nach oben hangeln und irgendwo unten durchkriechen.

Im zweiten Abschnitt der Übungsanlage ist die sengende Hitze deutlich zu spüren. Der Puls steigt. Die Hitze dringt durch die Schutzkleidung. Die körperliche Belastung ist immens. Trotzdem lautet der nächste Befehl, der sich im Raum befindenden Ausbilder: "Personensuche!"

Das Opfer muss in Sicherheit gebracht werden. Dann heißt es: Ab durch die dritte Tür in den eigentlichen Brandraum. Schon beim Öffnen kann man die 200 Grad Hitze in Türklinkenhöhe durch den Handschuh spüren. Im Brandraum wird die Hitze fast unerträglich. Die Sekunden werden zu Minuten. Am Ende des Containers lodert das Feuer. Der Raum ist erfüllt von lautem Prasseln. Die Grenzen der Belastbarkeit werden bis zum Letzten ausgelotet. Zum Allerletzten.

Der Geräteträger erfährt hier, wie er mit den physischen Belastungen im Einsatz umgehen muss, um sich nicht selbst zu gefährden. Eine sehr wichtige Erfahrung für die Atemschutzgeräteträger.

Auch das Sprühimpuls-Löschverfahren muss gelernt werden. Es wird demonstriert mit wie wenig Löschmittel effektive Brandbekämpfung ausgeführt werden kann. Die Zeiten, in denen Feuerwehren ganze Stockwerke fluten, gehören nach derartigen Trainingslagern der Vergangenheit an.

Endlich gibt der Ausbilder das Zeichen, den Raum zu verlassen. Die dampfenden Gestalten sind froh, aus dieser Feuerhölle rauszukommen. Jetzt heißt es: viel trinken. Bis zu drei Liter Flüssigkeit verliert der Körper in 30 Minuten.

Flashover

Die letzte Stufe der Ausbildung sieht einen acht Stunden dauernden Lehrgang vor. Wieder bei der Firma FeuRex in Oberhausen angekommen, erfahren die Teilnehmer mehr über die heimtückischen Eigenschaften von Brandrauch. Der enthält nicht nur schädliche Atemgifte. Hauptbestandteil von Brandrauch ist Kohlenmonoxid – ein brennbares Gas. Das heißt: Brandrauch kann sich schlagartig und ohne Vorwarnung über den Köpfen des vorrückenden Atemschutztrupps entzünden und explosionsartig abbrennen. Die Raumtemperatur schnellt dabei derart in die Höhe, dass alle brennbaren Gegenstände im Raum von einer Sekunde auf die nächste in Flammen stehen. Ein Rückzug kann unmöglich werden. Dieses Szenario nennt man Rauchgasdurchzündung (oder auch Flashover) und stellt eine enorme Gefahr für die Atemschutzgeräteträger dar. Wie man damit umgeht, und wie man einen Flashover bekämpft, wird in der Rauchgasdurchzündungsanlage simuliert.

"Es ist Wahnsinn, wenn man sieht, wie aus dem Nichts eine Feuerwalze über seinen Kopf hinwegfegt und man die Kraft des über acht Meter entfernten eigentlichen Brandherdes spürt", schildert Rene Wiesner von der Schrobenhausener Feuerwehr seine Eindrücke.