Gemeinderat macht das Bürgermeisteramt zum Vollzeitjob

Ab 2020 kein Ehrenamt mehr

17.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:25 Uhr
Der ganze Stolz eines Bürgermeisters ist seine Amtskette (hier Alfred Lengler Ende 2008, als das Prunkstück gerade geliefert worden war). Bei all den Aufgaben, die das Amt mit sich bringt, fühlen sich viele Gemeindebürgermeister aber auch an die Kette gelegt. Was zu einer wichtigen Frage führt: Geht das überhaupt noch ehrenamtlich, als Nebenjob? −Foto: Foto: Hofmann (Archiv)

Waidhofen (DK) In Waidhofen hat der Gemeinderat die Entscheidung bereits getroffen: Ab 2020 soll der Bürgermeister hauptamtlich arbeiten und nicht mehr, wie bisher, ehrenamtlich. In anderen Gemeinden macht man sich da auch Gedanken - denn dass ein Bürgermeisterjob nebenbei erledigt werden kann, das glaubt heute keiner mehr, der sich in der Kommunalverwaltung auskennt.

Die Aufgaben werden immer mehr, die Zusammenhänge immer komplexer, der Zeitaufwand immer höher. Am Nachmittag für drei Stunden ins Büro, alle vier Wochen abends mal eine Gemeinderatssitzung und vielleicht dreimal im Jahr am Wochenende ein paar Grußworte sprechen? Die Realität sieht auch für den Chef einer kleinen Gemeinde längst anders aus. Die Schrobenhausener Zeitung hat die Bürgermeister des Verbreitungsgebiets gefragt, wie viel Zeit sie wöchentlich für ihr Amt aufwenden. Das Fazit: Über eine 40-Stunden-Woche wären viele froh. Die Rathauschefs sind in der Regel täglich im Einsatz, von Montag bis Sonntag also. Und sie müssen zeitlich flexibel sein - was nicht einfach ist, wenn man nebenher noch seinen eigentlichen Beruf erledigen muss. Dass es dennoch neben Hohenwart, Karlskron und demnächst auch Waidhofen keine weiteren Gemeinden mit hauptamtlichen Bürgermeistern gibt, hat sehr viel mit der persönlichen Situation der derzeitigen Amtsinhaber zu tun.

So ist das zum Beispiel in Gachenbach bei Alfred Lengler (CSU). Der Grund dafür, warum in seiner Gemeinde noch nicht ernsthaft darüber geredet worden ist, ob es künftig einen hauptamtlichen Bürgermeister geben soll, liegt in ihm selbst begründet: Lengler ist Unternehmer und kümmert sich, seit er 2008 Bürgermeister wurde, eher nebenher um seine Firmen - wobei er, wie er sagt, sich immer mehr aus dem Geschäft ausklinke. Wäre er hauptamtlicher Bürgermeister, müsste er sich ganz aus den Firmen zurückziehen und Geschäftsführer einstellen - das wolle er nicht. Auch wenn er 2020 erneut die Wahl gewinne, sei ein hauptamtlicher Bürgermeister für Gachenbach kein Thema, versichert Lengler, der aber auch weiß: "Die Aufgaben in einer Gemeinde werden nicht weniger." Eher das Gegenteil sei der Fall. Bürgermeister als Nebenjob - "das geht irgendwann nicht mehr. Das geht schon jetzt nicht mehr." Rund 50 bis 60 Stunden, schätzt Lengler, ist er pro Woche für die Gemeinde im Einsatz.

"Ehrenamtlich geht es auch in einer Gemeinde wie Berg im Gau nicht mehr", meint deren Bürgermeister Helmut Roßkopf. Und Berg im Gau ist immerhin die kleinste Gemeinde des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen. Roßkopf war Gemeindearbeiter, als er 2008 zum Bürgermeister gewählt wurde - und blieb es weitere sechs Jahre lang in Vollzeit. Die Überbelastung habe sich schließlich mit gesundheitlichen Problemen bemerkbar gemacht, deswegen arbeitet Roßkopf, der davon ausgeht, "dass ich als Bürgermeister irgendwo zwischen 35 und 40 Stunden habe - aber ohne Abendtermine", seit 2014 nur noch halbtags im Bauhof. Das werde auch 2020 so bleiben - "von meiner Seite wird es keine Anstrengung geben, das hauptamtlich zu machen", sagt Roßkopf, der bei der nächsten Kommunalwahl wieder kandidieren will.

Mehr als eine 40-Stunden-Woche hat auch Aresings Gemeindechef Klaus Angermeier, der ehrenamtlich tätig ist. "Wir stellen aber Gedanken an wegen hauptamtlich", erzählt er - der Anstoß sei nicht von ihm gekommen, sondern aus dem Gemeinderat: "Die haben gesagt: ,Du bist eh immer da, dann kannst das gleich hauptamtlich machen.'" Angermeier ist Unternehmer, den Betrieb führt im Wesentlichen sein Sohn: "Ich bin pro Woche noch drei, vier Stunden in der Werkstatt", sagt der Seniorchef, ums Tagesgeschäft könne er sich überhaupt nicht mehr kümmern. "Nebenher ist das Bürgermeisteramt nicht mehr zu händeln", sagt Angermeier, selbst wenn das jemand zeitlich noch arrangieren könne, denn: "Du hast den Kopf immer woanders." Denn Bürgermeister, das sei ein 24/7-Job.

Für Waidhofen fand Bürgermeister Josef Lechner den geeigneten Zeitpunkt gekommen, von Ehren- auf Hauptamt umzustellen. Lechner hört 2020 auf, die Gemeinde bekommt dann einen neuen Bürgermeister. Der wird hauptamtlich tätig sein - das hatte Lechner den Gemeinderäten vorgeschlagen, die das dann auch entsprechend beschlossen. Die Beweggründe des Amtsinhabers: "Wenn ich sehe, was ich Termine habe jeden Tag - wenn man noch nebenbei in die Arbeit geht, ist das nicht mehr zu bewältigen." Lechner selbst konnte das bisher ganz gut arrangieren: "Ich mache das ja eigentlich hauptamtlich - ich bin ja auch noch VG-Vorsitzender." Auch wenn der künftige Waidhofener Bürgermeister vielleicht nicht mehr zugleich Chef der Verwaltungsgemeinschaft sein wird - einen Vollzeitjob wird er haben. Und auch so bezahlt werden.

Als im Gespräch der Satz fällt, dass er das Bürgermeisteramt "nebenbei" mache, da lacht Thomas Wagner laut auf. Der 46-Jährige arbeitet halbtags bei Audi - und im Grunde Vollzeit für die Gemeinde Brunnen. Dennoch werde er nicht darauf drängen, dass das Amt künftig hauptamtlich wird, und das auch nicht zur Bedingung für eine weitere Kandidatur machen, stellt er klar. Geredet worden sei darüber im Gemeinderat schon mal - aber zur Zeit seines Vorgängers Johann Wenger. Hauptamtlich, ehrenamtlich - das sei eine "schwierige Diskussion" und für eine kleine Gemeinde auch eine finanzielle Frage. Im Übrigen hänge die wöchentlich Arbeitszeit eines Bürgermeisters nicht unbedingt mit der Größe seiner Gemeinde zusammen - Brunnen zum Beispiel habe eine Schule, sei an einer zweiten beteiligt, sei Träger von zwei Kindergärten, habe mehrere Kläranlagen. Arbeit gebe es da genug. Auch für den Amtsinhaber sei ein - eventuell ja nur auf sechs Jahre befristeter - Vollzeitjob als Bürgermeister nicht unbedingt von Vorteil, meint Wagner: "Du musst einen Arbeitgeber haben, der dich für die Zeit als Hauptamtlicher freistellt - und dich nachher wieder aufnimmt."

"Beim nächsten Bürgermeister könnte ich mir schon vorstellen, dass er hauptamtlich wird - weil's anders gar nicht zu machen ist", sagt Martin Seitz (CSU) in Gerolsbach und ergänzt: "Die 40 Stunden, die ein Hauptamtlicher arbeiten müsste, bringe ich locker zusammen." Dennoch ist es für Seitz keine Frage, dass er, sollte er 2020 erneut gewählt werden, gerne ehrenamtlich bleiben würde - schon aus geschäftlichen Gründen. Seitz ist Unternehmer, seine Söhne leiten das Tagesgeschäft in der Firma. Mit seiner Zeiteinteilung ist Seitz offenbar sehr zufrieden. Er mache fast nie Urlaub, sagt er, und er nehme sich gerne mal die Freiheit, an Samstagen, wenn das Rathaus geschlossen ist, Termine mit Bürgern zu machen - wenn man als Bürgermeister Zeit mitbringe, rede es sich schon viel leichter über Sachen wie den Grunderwerb für Radwege.

Zeit nehmen will sich auch Mathilde Ahle (CSU) in Langenmosen für ihre Bürger. Das könne sie, weil sie keinem Beruf mehr nachgehen muss und somit viel Zeit in ihre ehrenamtliche Arbeit stecken kann. "Ich sage immer: Ich bin ehrenamtliche Bürgermeisterin, aber hauptberuflich tätig", erzählt Ahle. Wie viele Stunden sie wöchentlich arbeitet? "Ich habe schon mal versucht, das aufzuschreiben, aber ich hab's aufgegeben." Einer nebenberuflichen Beschäftigung entspreche die Stundenzahl aber sicherlich nicht mehr. "Für mich ist das keine Belastung", stellt Ahle klar, die aber auch meint, dass es selbst im kleinen Langenmosen irgendwann nur noch mit einem hauptamtlichen Bürgermeister gehen werde. Wohl aber noch nicht in der nächsten Wahlperiode. Geredet werde im Gemeinderat im kommenden Jahr sicherlich wieder über das Thema - wie alle sechs Jahre. Bisher sei eine Umstellung auf einen hauptamtlichen Gemeindechef aber noch kein ernsthaftes Thema gewesen.

Schon seit 1978, als sie mit Pobenhausen und Adelshausen zusammengeschlossen wurde, hat die Gemeinde Karlskron einen hauptamtlichen Bürgermeister. Für Gemeindechef Stefan Kumpf (CSU) gibt es da auch gar keinen Grund, darüber nachzudenken, ob er lieber ehrenamtlich arbeiten würde - obwohl das von den rechtlichen Grundlagen her möglich wäre. Derzeit kratzt Karlskron sogar an der 5000-Einwohner-Marke, und die bringt einige Änderungen mit sich. Ab 5000 Einwohnern sieht der Gesetzgeber automatisch einen hauptamtlichen Bürgermeister vor - unter dieser Grenze ist er automatisch ehrenamtlich. In beiden Fällen kann der Gemeinderat aber etwas anderes beschließen. Ab 5000 Einwohnern gibt es auch 20 Gemeinderäte, nicht mehr, wie bisher 16. Und auf eine weitere Änderung weist Kumpf lächelnd noch hin: Ab 5000 Einwohner gibt's für den Bürgermeister etwas mehr Geld.

Noch ein Stückchen weiter von dieser Grenze entfernt ist der Markt Hohenwart, der derzeit rund 4600 Einwohner hat. Auch hier ist der Bürgermeister schon lange hauptamtlich tätig - seit 1980, wie Amtsinhaber Manfred Russer (CSU) sagt. Damals trat sein Vorgänger Ludwig Ade das Amt an. Ein ehrenamtlicher Bürgermeister in Hohenwart? "Das ist absolut undenkbar", sagt Russer, dieser Beruf sei "ein Full-Time-Knochenjob". In der heutigen Zeit und bei den heutigen Voraussetzungen halte er - ohne seinen Kollegen zu nahe treten zu wollen, wie er betont - einen ehrenamtlichen Bürgermeister "für gar nicht mehr zeitgemäß". Und zwar ganz unabhängig von der Größe einer Gemeinde - "die Aufgaben sind doch die gleichen".

Bernd Hofmann