Schrobenhausen
Gehen der Stadt die jungen Menschen aus?

Experte warnt Schrobenhausener Politiker: "Jugendgerechte Umwelten entstehen nicht von selbst"

09.12.2018 | Stand 12.10.2023, 9:58 Uhr
  −Foto: Nusko, Hans, Beilngries

Schrobenhausen (SZ) Es ist ein düsteres Bild, das der Demografiespiegel des Bayerischen Landesamts für Statistik für Schrobenhausen zeichnet: Bis 2034 könnte die Anzahl der unter 18-Jährigen um gut zehn Prozent zurückgehen und dafür der Anteil der über 65-Jährigen auf rund 42 Prozent ansteigen. Die Stadt scheint - zumindest laut Bericht - als Lebensraum für Jüngere schlicht nicht mehr attraktiv zu sein.

Nein, gute Aussichten sind das, was der Demografiespiegel zeichnet, sicher nicht: Ein Schrobenhausen, in dem beinahe die Hälfte der Bürger aus Rentnern besteht, ein Schrobenhausen, von dem die, die dort aufgewachsen sind, wegziehen und nicht mehr dorthin zurückkehren. Spricht der Bericht im Jahr 2018 noch von gut 2600 unter 18-Jährigen, sollen es 2034 bei einer Gesamteinwohnerzahl von 17200 nur mehr 2500 sein. Die Anzahl der zwischen 18- und 65-Jährigen soll noch drastischer sinken: von derzeit knapp 10500 auf nur mehr 9800. Dafür werden laut Statistik von 17200 Einwohnern im Jahr 2034 rund 4900 Schrobenhausener über 65 Jahre alt sein, das sind in etwa 1300 mehr als noch in diesem Jahr.

Auf der anderen Seite dieser Statistik steht, dass all das zunächst einmal eine Prognose und damit etwas ist, das eintreffen kann, aber längst nicht muss. Nämlich dann, wenn die Stadt jetzt beginnt, in Jugendpolitik zu investieren - das sagt zumindest Winfried Pletzer (Foto oben) vom Bayerischen Jugendring, der Kommunen - und so auch Schrobenhausen - in Sachen Jugendpolitik berät.

Jugendpolitik, das ist laut Pletzer weit mehr, als für Jugendliche ein Jugendzentrum bereitzustellen und ein paar Geräte auf einen Skateplatz zu installieren. "Erfolgreiche Jugendpolitik ist ein kommunaler Standortfaktor", so der Experte. Sein Tipp an die Entscheidungsträger der Stadt lautet deshalb: "Stellen Sie sich bei der Jugendpolitik kompetent auf. Dann schaffen Sie ein Stück Zukunftspolitik." Denn junge Menschen - und damit seien längst nicht nur Jugendliche gemeint - bräuchten Anreize, um sich in einer Stadt niederzulassen. Für junge Familien etwa könnten das attraktive Kinderbetreuungsangebote sein oder mehr Freizeitangebote. Derzeit, so Pletzer, würden aus Schrobenhausen mehr junge Menschen wegziehen als sie kommen.

Ein Grund: Schrobenhausen ist kein Hochschulstandort - wer studieren will, der muss in den meisten Fällen wegziehen. Und viele derer, die einmal weggezogen seien, kämen dann nicht mehr zurück. "Weil einige Universitätsstädte auch massiv investieren, um die, die ihre Abschlüsse bei ihnen machen, auch da zu behalten", erklärt Pletzer. Wenn Schrobenhausen da mithalten wolle, dann sei es jetzt an der Zeit zu handeln. "Jugendgerechte Umwelten und Infrastrukturen entstehen nicht von selbst", sagt er.

Wie aber könnte Schrobenhausen seiner düsteren Zukunftsvision entgehen? Experte Pletzer rät zunächst einmal dazu, eine neue Stelle in der Stadtverwaltung zu schaffen. Einen "Kümmerer" wie er es nennt, also eine Person, die sich ausschließlich mit Jugendpolitik beschäftigt und die Kommune im Prozess begleitet. Desweiteren rät Pletzer auch auf Zuwanderung zu setzen: "Ohne sie wird es nicht gehen."

Dabei rede er ganz und gar nicht nur von Flüchtlingen. "Gemeint sind vor allem gebildete Kräfte aus dem EU-Ausland", so Pletzer, aber freilich auch aus Deutschland selbst. Ziel sei es also, nicht nur für die eigenen Einwohner so attraktiv zu sein, dass sie gar nicht erst wegziehen, sondern auch so attraktiv zu werden, dass Menschen von außerhalb zuziehen wollen.

Bei Schrobenhausens Jugendreferent Andy Vogl (CSU; Foto unten) rennt Pletzer mit seinen Ratschlägen offene Türen ein. Auch er plädiert schon länger dafür, einen Referenten für Jugendpolitik einzustellen. "Weil das Thema einfach wichtig ist", sagt er. "Wir wollen doch, dass junge Familien sich bei uns niederlassen, aber dafür müssen wir etwas tun." Man dürfe sich nicht darauf auszuruhen, dass man ja einen Jugendstadtrat habe. "Der Jugendstadtrat ist vielleicht ein kleiner Teil von Jugendpolitik", sagt er, "aber da gehört schon noch viel mehr dazu."

Auch deshalb sollte das Thema für sich stehen und eigenständig betreut werden. In Schrobenhausen ist der Bereich "Kinder und Jugendliche" derzeit beim Ordnungsamt untergebracht - wo er laut Vogl nicht hingehöre. Er will deshalb auch nicht locker lassen und sich im Stadtrat für junge Themen und eine eigenständige Anlaufstelle für Jugendpolitik stark machen.

Fotos: Nusko, Spindler

Alexandra Burgstaller