Gröbern
Entspannte Gemeinschaft voller Hilfsbereitschaft

Motorradweihe für einen guten Zweck: Leonhard darf im Beiwagen mitfahren

10.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:21 Uhr
Mit neuem T-Shirt und strahlenden Augen: Leonhard (im Beiwagen rechts) freut sich, dass Manfred Weber ihn mitnimmt, sein bester Freund Benni ist auch dabei. Leonhards Eltern, Andrea und Markus Arzberger, halfen beim Einsteigen - sie gönnen ihrem Sohn, der an Muskeldystrophie leidet, den Spaß von Herzen. −Foto: Budke

Gröbern (SZ) 170 motorisierte Zweiräder zählten die Organisatoren vom Motorradstammtisch Gröbern am Pfingstsamstag auf dem ehemaligen Spargelhof am Ortseingang. Mehr als 250 Menschen waren gekommen, um ihre Fahrzeuge weihen zu lassen und um für einen guten Zweck zu spenden: Heuer sammelten die Biker für den neunjährigen Leonhard Arzberger, der an einer Muskeldystrophie des Typs Duchenne erkrankt und dadurch auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Seit vergangenem Herbst sitzt der fröhliche Junge im Rollstuhl. Er wirkt sehr lebenslustig, aber auch ein wenig bescheiden: Der Rummel mit den vielen Motorrädern und Menschen, die gern ein Foto von ihm machen wollen, scheint ihm fast ein wenig peinlich - im Mittelpunkt zu stehen, das braucht er nicht unbedingt. Trotzdem freut er sich riesig, als die Motorradfreunde Gröbern ihm ein Geschenk übereichen, das ihn immer an diesen Tag erinnern wird: "Motorradweihe Gröbern" steht in weißen Buchstaben auf dem roten T-Shirt, das er gleich anzieht. Danach baut er sich mit seinem Rollstuhl vor der dunkelblauen BMW K1100LT auf und wartet zunehmend ungeduldig, bis er endlich einsteigen darf, denn der Fahrer, Manfred Weber, wird den Jungen im Beiwagen zur Ausfahrt mitnehmen. Weber hat das Motorrad gerade erst vor drei Monaten gekauft, im Beiwagen fährt normalerweise sein Border Collie mit. Das ist ein Glücksfall, denn deshalb hat Weber einen Anschnallgurt eingebaut und so kann heute Leonhard bequem und gut gesichert Platz nehmen.

Genauso ist es einem Zufall zu verdanken, dass die Motorradweihe in Gröbern, die heuer zum dritten Mal stattfindet, dem munteren Leonhard aus Dietersdorf bei Schweitenkirchen gewidmet ist. Auf einem Parkplatz lernten sich seine Eltern, der Junge und Beate Weichenrieder kennen. Weichenrieder ist gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Roland Hofberger und dem gute Freund Alfred Schrätzenstaller alljährliche Organisatorin der Weihe, bei der immer für einen guten Zweck Spenden gesammelt werden. Hofberger habe, wie Weichenrieder erzählt, schon immer den Wunsch gehabt, für eine sinnvolle Sache zu spenden, ohne dass für Verwaltungsaufwand Geld verloren gehe - für eine Sache, bei der man sich sicher sein könne, dass alles am richtigen Platz ankomme. So hätten sie vor drei Jahren die Idee umgesetzt und damals für ihren Neffen Michael gesammelt, der auch im Rollstuhl sitzt: "Er war quasi unser Versuchskaninchen", lacht Weichenrieder. Ihr Lebensgefährte fahre schon seit Ewigkeiten Motorrad und kenne dadurch sehr viele Leute, nicht nur in Bayern. "Die Motorradfahrer sind eine Gemeinschaft", weiß Weichenrieder aus Erfahrung, "und man hilft sich immer."

Da ist es auch egal, dass bei den Arzbergers bisher niemand Motorrad fährt. Leonhards Vater Markus hatte eigentlich den Plan, mit 50, "wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind", wie er sagt, einen Führerschein zu machen, "aber das sieht ja jetzt anders aus", fügt er hinzu. Die Tochter Franziska ist 13 und wird irgendwann selbstständig sein, bei Leonhard ist das genau anders herum: Er wird im Laufe der Jahre immer mehr Hilfe benötigen. "Mach doch jetzt einen Schein", hätten die Motorradfreunde ihm vorgeschlagen, "warum denn noch so lange warten?" - und tatsächlich denkt Arzberger darüber nach: Mit einem Harley-Trike könnte er sich gut anfreunden und Leonhard könnte mitfahren.

Kein Wunder, dass man auf solche Gedanken kommt, denn die Stimmung auf dem Hof ist total entspannt, das ganze Chrom funkelt in der Sonne und die Biker - egal, ob mit oder ohne Kutte, ob mit langen, wehenden Haaren, mit ordentlichen Zöpfen oder Kurzhaarschnitt, ob BMW GS, Harley oder Roller - sitzen bei Weißwurst, Limo, Kaffee und Kuchen gemütlich zusammen. Alkohol wird nicht ausgeschenkt, das ist den Organisatoren wichtig.

Sogar Ruhestandspfarrer Anton Keller aus Schrobenhausen, der den Gottesdienst und die Weihe abhält, outet sich als ehemaliger Motorradfahrer. Er hat ein begeistertes Lächeln im Gesicht, als er die Reihen mit den Zweirädern abläuft und alle gewissenhaft mit Weihwasser besprenkelt. Sehr kurzfristig ist Keller für Pfarrer Roy Augustine Kulathinkal eingesprungen, der ins Krankenhaus musste - einmal mehr also Hilfsbereitschaft, ohne die diese Veranstaltung gar nicht zu managen wäre.

Beate Weichenrieder freut sich und ist vielen Menschen dankbar: "Das ganze Dorf unterstützt uns, alle stellen ihre Höfe als Parkplätze zur Verfügung, sogar Zäune wurden abgebaut, der Metzger gibt Nachlass, der Bäcker auch." 260 Brezen, 60 Semmeln, 120 Paar Wiener und 240 Stück Weißwürste wurden an diesem Samstag ausgegeben - und die Nachfrage wäre noch höher gewesen. "Wir wollen zeigen, dass Motorradfahrer nicht Raser oder böse Rocker sind, sondern ganz normale Menschen, wie der Nachbar von nebenan", meint Beate Weichenrieder. Ganz normal aber wohl doch nicht, denn das Engagement, was der Motorradstammtisch hier an den Tag legt, ist eher außergewöhnlich. Und wer sieht, wie Leonhard beim Start der Ausfahrt im Beiwagen der BMW strahlt, der weiß, dass es sich gelohnt hat.

Heidrun Budke