Ein naturnahes Kraftwerk entsteht

02.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:15 Uhr
Schwarze Erde, viel Grün - und eine Baumaschine im Miniformat: Bei Berg im Gau entsteht dieses Jahr einer der größten Solarparks Deutschlands. −Foto: Hofmann

Was da in diesem Jahr bei Berg im Gau auf einer Fläche, auf der rund 200 Fußballfelder Platz hätten, entsteht, ist nicht nur der größte Solarpark weit und breit. Sondern auch ein potenzielles Biotop. Weil bis auf 70000 Metallpfosten und ein paar Kubikmeter Schotter nicht viel den Boden versiegelt, kann sich hier die Natur Flächen zurückholen, die bisher landwirtschaftlich genutzt wurden.

Tak-tak-tak-tak-tak geht das, wenn wieder ein Pfosten in den Boden gerammt wird, rund 500 Mal am Tag. Das Tak-tak-tak-tak-tak ist ziemlich laut, wenn man direkt neben der entsprechenden Maschine steht. Hier im Nirgendwo zwischen Oberarnbach und dem Karlshulder Ortsteil Oberer Kanal, am Südrand des Donaumooses, ist allerdings viel Platz, es ist nicht nötig, direkt neben der Tak-tak-tak-tak-tak-Maschine zu stehen. Außer, man macht das beruflich. Und nach jedem Tak-tak-tak-tak-tak ist ja auch wieder Stille. Wobei an diesem wunderschönen Frühsommertag all die singenden Vögel schon auch eine gewisse Lautstärke entwickeln. Sie jubilieren, als freuten sie sich, dass hier demnächst nicht nur in großem Maßstab grüner Strom erzeugt wird, sondern auch die Natur ein paar Hektar ehemalige Ackerfläche zurückerobern darf.

Es ist einer der größten Solarparks Deutschlands, den die Ingolstädter Firma Anumar hier, rund um den ehemaligen Schornhof, auf Berg im Gauer Grund baut. Ein Projekt, das zehn Jahre auf Eis lag und nun doch noch umgesetzt wird, weitgehend ohne staatliche Hilfe und Einspeisevergütung. "Wir produzieren den Strom für 4,5 Cent", sagt Anumar-Geschäftsführer Markus Brosch und fügt gleich hinzu: "Es gibt keine andere Energieform, die den Strom derzeit so günstig produzieren kann."

Noch dazu umweltfreundlich. "Und direkt vor der Haustüre", sagt Brosch, der in Schrobenhausen wohnt. Wenn im Juli oder August das Umspannwerk (ja, dieser Solarpark braucht ein eigenes Umspannwerk!) fertig ist, wird der Strom in die 110-kV-Leitung eingespeist, die zwischen Schrobenhausen-Steingriff und Ingolstadt-Kothau verläuft und praktischerweise das Schornhof-Gelände kreuzt. Daheim in Schrobenhausen kann Brosch dann den Strom seiner eigenen Firma nutzen - und nicht nur er: "Wir produzieren hier über 100 Millionen Kilowattstunden Strom", sagt der 37-Jährige: "Das reicht locker für über 30000 Haushalte." 30000 Haushalte - das entspricht in etwa dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Auf ein solches Projekt kann man schon stolz sein, oder? "Ja, klar macht einen das megastolz", bestätigt Brosch, "man hat auch lange dafür gekämpft."

Der Kampf, der wegen des Solarparks Schornhof ausgefochten wurde - das nur kurz am Rande - war keiner gegen Nachbarn oder Solarparkgegner, sondern einer gegen den Gesetzgeber. Der änderte vor zehn Jahren, als das freiwillige Raumordnungsverfahren für das Großprojekt abgeschlossen war, mal eben schnell die Förderrichtlinien - rückwirkend. Damit rechnete sich die Sache nicht mehr. Zehn Jahre später nun kann die Anlage auch ohne Einspeisevergütung rentabel laufen - zumindest weitgehend. 20 Megawatt würden bei der Bundesnetzagentur registriert, sagt Brosch - 20 von insgesamt 110 Megawatt, auf die der Solarpark ausgelegt ist. Für den Rest habe man auf dem freien Markt langfristige Stromlieferverträge abgeschlossen. PPA nennt sich das, kurz für Power Purchase Agreement. Und da ist Anumar mit dem Schornhof führend: "Es ist der größte PPA-Solarpark mindestens in Süddeutschland", sagt Brosch.

Stolz ist der 37-Jährige nicht nur auf diese Dimensionen - ein paar imposante Zahlen nennt er später noch beim Rundgang über die Baustelle, die ohne Auto wohl mehrere Stunden dauern würde -, sondern auch auf einen Nebeneffekt, der jemandem, der sich für Nachhaltigkeit und regenerative Energieerzeugung begeistert, wohl einfach am Herz liegen muss: "Das wird hier ein richtiges Paradies für die Natur", schwärmt der 37-Jährige, als zwei Rehe zwischen den bereits gesetzten Pfosten hindurchschlendern. Weiter hinten hoppelt ein Hase, und auch ein Fasan ist zu sehen. Weil die Äcker nicht mehr bewirtschaftet werden, finden die Tiere wieder Unterschlupf. Die Zäune, mit denen das Gelände später umgeben wird, haben genug Bodenfreiheit, damit sie kein Hindernis darstellen. Und auch all die Bäume und Büsche, die an den Wegen wachsen, bleiben erhalten. Die Module halten genügend Abstand, damit der Schatten keine Rolle spielt. Und es wird sogar noch grüner: Rund 22000 Neuanpflanzungen sind vorgesehen; von den rund 140 Hektar, die das Solarparkgelände umfasst, werden nur 70 für die Aufstellung von Modulen genutzt, der Rest bleibt frei. Hier kann sich die Natur ausbreiten.

Nachhaltig ist auch die Verankerung der 350000 Photovoltaikmodule im Boden: Kein Betonfundament, sondern 70000 Metallpfosten, die durch die rund eineinhalb bis zwei Meter dicke Moorbodenschicht in den tragfähigen Untergrund getrieben werden. Deswegen tak-tak-tak-tak-tak. "So wie der Pfosten reinkommt in den Boden, kann er später auch wieder rausgezogen werden", erklärt Brosch.

Auf die Pfosten - die übrigens wegen des aggressiven Moorbodens eine spezielle Beschichtung brauchen - kommen Längs- und Querträger aus Metall, auf denen dann jeweils wieder die Module befestigt werden. In einzelnen Bereichen sind die Gestelle schon fertig, auch die Kabel sind schon verlegt. Viele Kabel. Sehr viele Kabel. Insgesamt werden im Solarpark - auch wieder so eine imposante Zahl - am Ende mehr als eine Million Meter Kabel verlegt sein. 1000 Kilometer. "Einmal quer durch Deutschland", sagt Brosch.

Die kleineren Kabel münden in 60 Trafokästen, jeder 13 Tonnen schwer (und übrigens in Reichertshofen fabriziert). Dort wird der Strom auf 20000 Volt transformiert und in ein Ringnetz geleitet - diese Kabel sind dann schon deutlich stärker ausgelegt. Sie verbinden das Ganze mit dem Umspannwerk, das den Strom auf 110000 Volt bringt, damit er ins Netz eingespeist werden kann.

Was es im Solarpark bisher noch nicht gibt, sind Photovoltaikmodule. Die werden ab Juli geliefert. Sie kommen aus Asien - Brosch hofft, dass trotz Corona auch weiterhin alles so gut klappt wie bisher. Abschnitt für Abschnitt wird dann der Solarpark bestückt - und kann Strom erzeugen. Bis Ende des Jahres, so die Planung, ist er vollständig am Netz. Bis dahin: tak-tak-tak-tak-tak. Immer wieder. Und dazwischen jubilierende Vögel.

SZ