Schrobenhausen
Ein bisschen Schottland in Schrobenhausen

Genussabend mit Reiderweiberhias und Thomas Kastura entführt in raue Inselwelt

18.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:59 Uhr
Reiderweiberhias spielten nicht nur, sondern sangen auch, trotz angeschlagener Stimme von von Rita Brunner (oben links). In der Mitte Andreas Wenger, rechts Irene Irchenhauser. Christian Gradwohl (u.r.) erzählte so unterhaltsam über die Whiskys, dass er das Publikum total fesselte und fast zum heimlichen Star des Abends wurde. Autor Thomas Kastura (u.l.) hatte Glück: Er bekam einen bequemen Sessel, so dass er ganz entspannt lesen konnte. −Foto: Budke

Schrobenhausen(SZ) Gemütlich war es am Wochenende im ersten Stock der Buchhandlung an der Stadtmauer in Schrobenhausen. Zum einen, weil der Raum zwischen den Bücherregalen mit rund 75 Menschen kuschelig-voll besetzt war. Zum anderen, weil das Programm mit reichlich entspannter Wohnzimmeratmosphäre aufwartete: Lesung, Musik und Whisky-Tasting mit dem Autor Thomas Kastura, den drei Musikern von Reiderweiberhias und Georg Gradwohl vom gleichnamigen Weinhaus sorgten für umfassende Sinneserlebnisse.

Einige glückliche Zufälle waren zusammengekommen und hatten so den "Sweet Dreams"-Abend in der Buchhandlung möglich gemacht. Autor Thomas Kastura ist einigen Schrobenhausenern sicher bekannt als Dozent der Literarischen Sommerakademie. Bei seinen Besuchen hat Kastura die Weinhandlung Gradwohl kennengelernt und in Georg Gradwohl einen Verbündeten in Sachen Begeisterung für schottischen Whisky gefunden. Im letzten Jahr waren dann die Schwestern Rita Brunner und Irene Irchenhauser von der Band Reiderweiberhias als Teilnehmer bei der Literarischen Sommerakademie und lernten so Kastura kennen. Damit war die Idee für den Abend eine runde Sache: Lesung mit Whisky-Tasting und bayrisch-schottischer Musik. Als Kastura auf die Inhaberin der Buchhandlung, Theresa Feuersinger, mit diesem Vorschlag zuging, stimmte sie natürlich begeistert zu. Über diese glücklichen Fügungen konnten sich am Freitagabend die Besucher nur freuen, denn Lesung, Whisky und Musik harmonierten perfekt miteinander.

Die Formation Riederweiberhias hatte eigens für diesen Abend das ein oder andere bairische Volkslied auf schottische Klänge umkomponiert, gab aber auch "Sweet Dreams" von den Eurythmics in einer eigenen Version zum Besten sowie Traditionals aus Schottland und Irland. Vor allem bei diesen Liedern, die die Band mit Hackbrett, Akkordeon und Geige temperamentvoll darbietet, tauchen vor dem inneren Auge unweigerlich auf Holzböden tanzende Menschen auf. Da ist die Atmosphäre eines schottischen Pubs greifbar. Die Musik umrahmte perfekt die Lesungen von Thomas Kastura. Der Autor startete mit dem Vortrag eines Gedichtes von Robert Burns, der heuer am 25. Januar 260 Jahre alt geworden wäre. Burns wird in seiner schottischen Heimat bis heute sehr verehrt und sein Geburtstag jährlich gefeiert: "Da wird viel Whisky getrunken, ebenso viel Haggis gegessen und reichlich Robert Burns zitiert", gibt Kastura einen Eindruck, wie die Feiern so aussehen. Das Gedicht "Red, red rose" las der Autor in den vier Sprachen englisch, deutsch, scotts und gälisch und versetzte die Zuhörer damit endgültig in ein schottisches Gefühl.

Anschließend gab Kastura eine etwa fünfzehnminütige Kostprobe aus seinem Roman "Todesströmung": Im ersten Kapitel dieses Krimis stellt er die Hauptfiguren vor. Das Auftragskiller-Team hat festverteilte Aufgaben, denn Hinch übernimmt das Schießen, Rick ist der Scout und Winslow, der jüngste im Team, ist der Fahrer - auch wenn der Nachwuchsgangster daran gern etwas ändern würde. Die weibliche Hauptfigur ist Gracie, eine Ozeanologin aus Liverpool, die mit einem Forschungsprojekt betraut ist. Der Krimi spielt in Schottland, denn die Auftragskiller flüchten nach einem misslungenen Auftrag auf die abgelegene Hebriden-Insel Jura, die durch die Meerenge Corryvreckan von der nördlichen Nachbarinsel getrennt wird. Der gleichnamige Strudel gehört zu den weltweit stärksten Strudeln und genau dort ist das Forschungsprojekt von Gracie beheimatet. So treffen die vier im Krimi aufeinander. Geschrieben hat Kastura diesen Roman unter dem Pseudonym Gordon Tyrie, um sich von seiner bisherigen Bamberger Schreibheimat abzusetzen und einen deutlichen schottischen Akzent zu setzen.

Natürlich spielt auch Whisky eine Rolle in dem Roman wie auch in der Erzählung, die er nach der Pause liest. "Schottische Symphonie, Andante con whisky" ist in dem Sammelband "Killing you softly - die besten Rock- und Popmorde" erschienen. Die Hauptfigur Ralfi Drummond, ein Antiheld, den Kastura als "Looser-Ermittler" und überhaupt "schlechtesten Ermittler Schottlands" bezeichnet, ist ganz offensichtlich extensiver Whisky-Trinker Wie auch in Todesströmung spart Kastura trotz des Krimigenres nicht mit Humor; die Zuhörer haben reichlich Gelegenheit, herzhaft zu lachen.

Gleiches gelingt Georg Gradwohl mit seinen äußerst informativen und kurzweiligen Einführungen zu den drei Whiskysorten, die er zwischen Musik und Lesung zum Probieren anbietet. Er erzählt mit Anekdoten gespickt über die Landschaft und menschlichen Besonderheiten, die Geschichte der jeweiligen Destillerien und den Charakter der Whiskys. Mit der Auswahl der Proben greift er die Örtlichkeiten aus Roman und Erzählung perfekt auf und sorgt so dafür, dass die schottische Atmosphäre des Abends eben nicht nur durch Worte und Musik, sondern zudem durch Geruch und Geschmack erlebt werden kann. Der erste Whisky Turas Mara sei der drittbestverkaufte überhaupt in Großbritannien und die Destillerie Craig House ist auf eben auf Jura, dem Handlungsort von "Todesströmung" beheimatet. Der Whisky hat leuchtet hell-bernsteinfarben im Glas, sein Geschmack sei angenehm weich, sogar etwas fruchtig. Der zweite Whisky Loyality of the wolf stammt aus Highland Park - auch Ralfi Drummond trinkt in der Erzählung Whisky aus dieser Destillerie. Die Kostprobe am Abend habe eine Honig-Note mit Apfel, Birne, Marzipan und sei ganz leicht rauchig. Da mag mancher schon begonnen haben, zu verzweifeln, was er alles im Getränk erschmecken soll, aber Gardwohl kommt zuvor: "Jeder schmeckt etwas anderes und das ist auch gut so!" Der dritte Whisky ist nach dem Meeresstrudel bei Jura benannt, der auch im Krimi vorkommt: Corryvreckan von der Brennerei Ardbeg. "Das Wilde des Strudels soll im Whisky wiedergegeben werden", meint Gradwohl und ergänzt "der sagt morgen früh noch Hallo". Genauso gut, aber sicher mit freundlich-gestimmter Note, dürfte dieser durch und durch schottische Abend allen Gästen in Erinnerung bleiben. Mancher wird sicher an einem gemütlichen Winterabend das Buch von Gordon Tyrie alias Thomas Kastura zur Hand nehmen, dazu einen Whisky genießen und im Hintergrund ein schottisch-bairisches Traditional hören.
 

Heidrun Budke