Ein Stall voller Diamanten

27.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:39 Uhr
  −Foto: Budke

Pferde soweit das Auge reicht - dieses Bild bietet sich dem, der sich von Langenmosen kommend dem Ortseingang von Eppertshofen nähert. 80 Traber vom Fohlen bis zum Gnadenbrotpferd wohnen hier. Wir haben das Gestüt MS Diamant besucht.

 

Überwiegend braune, große Vierbeiner mit schwarzen Mähnen tummeln sich auf den Koppeln und auf den Paddocks vor dem Stall. Über dem Eingang ist auf weißem Holz der Schriftzug "MS Diamanten" zu lesen. Für den Laien mögen die Pferde alle irgendwie gleich aussehen, für den Besitzer Andreas Schwarz natürlich nicht: Er kennt jedes der achtzig Tiere genau.

Da ist zum Beispiel Sugababe Diamant, eine wunderschöne braune Stute mit freundlichen, dunklen Augen. "Ich habe viele Rennen mit ihr gewonnen", erzählt Andreas Schwarz, unter dessen Federführung das Gestüt steht. Er erinnert sich: "Ich habe sie als Baby in Amsterdam abgeholt, da ist sie im Container angekommen mit ihrer Mutter - ich war sofort begeistert, ihren Namen hat sie zurecht." Jetzt wartet sie in ihrer Box auf den Hufschmied, der heute bei den MS Diamanten nach dem rechten schaut. Einen Gang weiter steht Paymybills Diamant. "Er macht gerade Pause, weil er eine Hufverletzung hat", erklärt Schwarz, warum das Pferd in seiner Box ist, während alle anderen, die nicht zum Schmied müssen, draußen auf den Koppeln die frische Luft und die Bewegung genießen. "Paymybills hat in Deutschland ganz große Rennen gewonnen", sagt Andreas Schwarz und fügt hinzu: "Er hat auch in Frankreich gewonnen und in Schweden und ist derzeit das zweitschnellste deutsche Pferd, das es jemals gab." So stolz wie Schwarz ist, scheint auch der große braune Hengst zu sein. Er schaut intelligent mit seinen schwarzen Augen und wirkt fast ein wenig arrogant. "Die Pferde wissen es, wenn sie ein Star sind und sie lassen sich gern bewundern", weiß der Züchter.

 

Das aktuell beste Pferd im Gestüt Schwarz heißt Tsunami - und natürlich mit Nachnamen Diamant. "Er wird derzeit in Holland am Meer trainiert, ist sechs Jahre alt und hat bisher 400000 Euro gewonnen", berichtet Schwarz, "er ist momentan unser Aushängeschild." Jetzt komme Tsunami langsam zum Höhepunkt seiner sportlichen Leistungen und könne aus dem Vollen schöpfen. Mit zwei, drei Jahren laufen die Traber zumeist das erste "Babyrace". Das größte nationale Rennen, in dem Tsunami gesiegt hat, ist das Deutsche Derby - damit ist er quasi Deutscher Meister im Trabrennsport. Weil er inzwischen hohe Preisgelder gewonnen hat, "wird er wie bei der Champions League hoch eingestuft und muss nun in Europa laufen: Norwegen, Frankreich, Schweden", erklärt Schwarz. So muss Tsunami lernen, zu reisen. In einem 3,5-Tonnen-Transporter für zwei Pferde und Zubehör reise man sehr schnell sehr weit. "Wenn sie besonders gut sind, kann es sein, dass sie mal fliegen müssen - so wie Tsunami vielleicht bald: Er wurde für Pfingsten nach Schweden eingeladen", sagt der Besitzer und erklärt die Bedeutung für sein Gestüt: "Das ist für uns wie ein Ritterschlag. Es gibt zwei Sachen: Paris im Januar und die Trabrennbahn Solvalla in Stockholm. Pferde werden dort gefeiert wie Superstars, da sind 50000 Zuschauer im Stadion. Das ist ganz ungewohnt für uns, denn in Deutschland ist Trabrennsport inzwischen eine Randerscheinung."

In den vergangenen 15 Jahren sei der Sport in Deutschland kaputt gegangen, man habe Entwicklungen verpasst, zum Beispiel die Bedeutung des Internets für die Wetten. "Durch die Franzosen erleben wir eine kleine Renaissance", stellt Andreas Schwarz fest, "die setzen im Jahr elf Milliarden Euro um mit Pferdewetten." Und er verdeutlicht den Unterschied: "Wenn wir in Deutschland einen Renntag machen mit zehn Rennen, haben wir 100000 Euro Umsatz." Bei aller Liebe zum Pferd, die Andreas Schwarz als "Quereinsteiger" spät entwickelt hat, weil er seinen Vater bei dessen Hobby unterstützen wollte, ist das Gestüt eben auch ein Unternehmen. Zwei Voll- und sechs Teilzeitmitarbeiter arbeiten bei MS Diamanten in zwei Schichten zwischen sechs Uhr früh und sieben Uhr abends. Heu wird selber produziert, Stroh wird regional direkt vom Acker gekauft: "Wir brauchen zwei, drei Quader Stroh à 300 kg und 600 bis 700 kg Heu pro Tag", sagt Schwarz und rechnet vor: "Wenn ein Pferd mit zehn, elf Jahren 150000 Euro verdient, hat es bestimmt auch Kosten von 100000 Euro verursacht - dabei kann man die eigene Zeit nicht einrechnen."

 

Dabei hat das Gestüt die Kosten durch Umdenken reduzieren können: Während früher die Pferde überwiegend in den Boxen die Zeit verbrachten, hat man erkannt, dass sie sich draußen auf den Koppeln praktisch selber motivieren, viel zufriedener und damit auch gesünder und leistungsfähiger sind. "Es hat schon einen Grund, dass wir Züchter-Champion sind", ist der Juniorchef überzeugt; denn "unsere san die Härtesten." Schließlich wird ja auch Leistung verlangt: 1600 bis 2700 Meter ist die übliche Renndistanz, 80 Prozent der Trabrennen finden auf Sandbahnen statt, der Rest sind Grasstrecken. Kurzfristig kann ein Traber 50 oder sogar 55 Kilometer pro Stunde erreichen. Andreas Schwarz hat als Fahrer selbst 496 Rennen gewonnen. Das Besondere ist für ihn, dass man nur als Team mit dem Pferd erfolgreich sein kann. Inzwischen fährt der 44-Jährige nur noch selten: "Ich habe mehr Motivation, die Pferde zu trainieren oder mich um die Aufzucht zu kümmern."

So investiert er viel Zeit und Geld in die Zucht, MS Diamanten ist auch Besamungsstation. Der Samen wird dem Deckhengst abgenommen, mittels Stickstoff gefroren und dann per Paketdienst verschickt. Die Haltbarkeit beträgt circa 48 bis 72 Stunden. Das Besamen der eigenen Stuten ist mit viel Aufwand verbunden: Der richtige Zeitpunkt muss getroffen werden. Der eigene Deckhengst darf in Eppertshofen zwar im Natursprung decken, aber auch Schwarz kauft Samen dazu, um bestmögliche Fohlen zu züchten. Da kostet eine Portion schon mal 8000 oder 9000 Euro. "Ich decke circa zehn Mal teuer und zehn Mal mit meinem Hengst. Von den teuren muss ich die Hälfte wieder verkaufen, um die Kosten zu decken." Wenn der Hengst sehr beliebt ist und sich das Fohlen korrekt entwickelt, kann Schwarz zwischen 20000 und 40000 Euro verlangen, bevor das junge Pferd überhaupt ein Rennen bestritten hat: "Da wird viel die Hoffnung verkauft", weiß der Züchter.

 

Und was ist, wenn die Rennkarriere beendet ist? "Wir haben das Glück, dass wir viele Pferde haben, die mit zehn, elf Jahren noch im Sport sind und gewinnen", ist Schwarz stolz auf die Gesundheit seiner Tiere. Irgendwann wird entschieden, wann die Pferde das Gnadenbrot erreicht haben: "Das bekommen sie auch bei uns." Doch manche Pferde haben ein Problem damit, in Rente zu gehen, weiß Schwarz: "Als Rennpferd haben sie jeden Tag mindestens zwei Stunden Kontakt zu Menschen gehabt und haben gewusst, dass sie etwas Besonderes sind und dann langweilen sie sich." So trennt er sich manchmal von dem ein oder anderen ehemaligen Trabrennpferd "Wenn sie sehr brav und nett sind, vermitteln wir sie mit Schutzvertrag als Freizeitpferde an gute Plätze."

SZ