Ehekirchen
Von der Marketingidee zur Tradition

Ehekirchens Hochzeitsfest geht auf einen Werbecoup in den 1970er-Jahren zurück - Heute ist es beliebter als je zuvor

15.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:14 Uhr
Einige Bierfilze aus der Vergangenheit des Hochzeitsfests hängen gerahmt im Zett'schen Esszimmer. −Foto: Budke/Rein

Ehekirchen (SZ) Eine gute Idee und ziemlich viele Zufälle sorgen manchmal dafür, dass etwas Außergewöhnliches entsteht.

Vor allem, wenn dann noch eine ganze Gemeinde mitzieht. Genauso verhält es sich mit dem Ehekirchener Hochzeitsfest, das nun schon seit 1975 stattfindet.

Georg Zett ist in Ehekirchen geboren und aufgewachsen. Die Brauerei, die nördlich der Gastwirtschaft an der heutigen Staatsstraße stand, betrieben die Zetts schon seit Generationen. Als einziger Sohn wurde Georg Zett nicht nach seinem Berufswunsch gefragt - wie es damals üblich war, erlernte er den Beruf des Vaters und übernahm nach dessen frühem Tod die Brauerei.

1937 wurde das heutige Wohnhaus auf dem Hof gegenüber der Gastwirtschaft gebaut, der Stadel stand zu dem Zeitpunkt schon längst. Und so bildeten die Gebäude eine Art Dreiseithof. Als Georg Zett 1974 seine erste Frau Melitta heiratete, bauten die beiden das Haus um und stießen dabei auf ein Bierrezept aus Großvaters Zeiten. Anlässlich ihres ersten Hochzeitstags brauten sie das Bier im folgenden Jahr nach. "Und wie macht man ein Bier bekannt? ", fragt Georg Zett heute und liefert die Antwort im gleichen Atemzug selbst: "Durch ein Brauereifest. " Auf der Wiese gegenüber vom Gasthof Berger, der inzwischen längst geschlossen ist, wurde ein Festzelt aufgestellt und vier Tage von Freitag bis Montag gefeiert: Blasmusik, Wettsägen, Rutschen - alles, was zur Unterhaltung beiträgt, habe es immer schon auf dem Hochzeitsfest gegeben, erzählt Zett. Und: "Je verrückter, desto beliebter war das Ganze", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Das Verrückteste überhaupt habe 1976 stattgefunden, als auf dem Fest drei Paare geheiratet haben. Von der Kirche zog man zum Festzelt und feierte. "Eine Riesenpresse" habe das damals gegeben, sogar der "Stern" sei da gewesen. Das Schlimme: "Es hat geregnet, was der Himmel kann", erinnert sich Georg Zett. Wer die besagte Wiese kennt, kann sich vorstellen, wie es dort ausgesehen haben muss: "Wir sind fast abgesoffen. " Deshalb zog man 1977 an den Sportplatz um. Auch in dem Jahr regnete es und die Situation war nicht viel besser. So kam das Ehepaar Zett auf die Idee, den alten Stadel abzureißen. Dort sollte stattdessen das Festzelt stehen. Zufällig traf Zett zu dieser Zeit den damaligen Kreisoberbaumeister Peter Zwack, der wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlug angesichts dieser Idee und meinte: "Ihnen wird wohl etwas Besseres einfallen, als den Stadel wegzureißen. "

Da kam dann erneut Kamerad Zufall ins Spiel: Der Brauer Zett lernte den Architekten Horst Auer kennen, der später an der TU München lehrte. Auer war zu Gast in der Zett'schen Wirtschaft. Neugierig auf den Stadel, seien die beiden spätabends mit der Taschenlampe in das alte Gebäude rüber. Und Auer gefiel wohl, was er sah. Er bot an: "Wenn du mir die Pläne schickst, fällt mir vielleicht was ein. " So war es dann auch: Der Stadel wurde in seiner heutigen Form ausgebaut und 1978 fand dort das erste Hochzeitsfest statt. Von Beginn an war es gut besucht. Hochzeitsjubelpaare wurden eingeladen, mit einem Biedermeierstrauß begrüßt, hatten Getränke und Essen frei. Einen kleinen Umzug um den Stadel und das Wohnhaus herum und wieder zum Hof herein habe man gemacht, erinnert sich Zett - und das brachte ihn auf die nächste Idee. Schon als junger Bub von etwa zwölf Jahren war er bei der breit gestreuten Brauereiverwandtschaft in Riedenburg zu Besuch und sah die dortige Bierhochzeit. Die Menschen beim Umzug waren in Verkleidungen erschienen, die wohl typisch für den Wirtschaftswunder-Stolz der 1950er-Jahre waren: Kunstdünger- und Spritzmittelsäcke zum Beispiel waren dabei auf zwei Beinen auf den Straßen unterwegs. So etwas konnte man 1980 nicht mehr machen, war sich Zett sicher. Der damalige Kreisheimatpfleger Mathias Schieber hatte jedoch die Idee, die bis heute den Umzug prägt: die Landwirtschaft um die Jahrhundertwende darzustellen. Ein Hochzeitsfestpaar, das die Vermählung von Hopfen und Gerste repräsentiert, gibt es seit dem ersten Umzug (der seitdem nicht ganz regelmäßig alle zwei oder drei Jahre stattfindet), und auch das Marionetten-Paar ist seitdem quasi das Maskottchen des Festes.

2014, zur Ehekirchener 800-Jahr-Feier, fand das Fest erstmals wieder im Festzelt statt, diesmal bei der Grund- und Mittelschule. Der Stadel, erzählt Zett, sei schon Jahre davor renovierungsbedürftig gewesen. Aber die Auflagen aus der heutigen Zeit habe das Gebäude einfach nicht erfüllen können. Die Brandschutzbestimmungen und die Parkplatzvorgaben wären nur mit höchstem Kostenaufwand und mit Einschränkung der zulässigen Personenzahl im Stadel umsetzbar gewesen. Das war nicht machbar.

So kehrt das Fest also wieder in das Zelt und damit irgendwie zum Ursprung zurück, wenn auch an einen anderen, vor allem trockeneren Platz. Und Zett ist noch heute begeistert, besonders weil so viel Wert auf historisches Erscheinungsbild gelegt werde. Er habe schon einige Bierumzüge im In- und Ausland angeschaut, aber das sei alles kein Vergleich: "Auf das Hochzeitsfest können die Ehekirchener stolz sein. "
 

Neue Serie

Das Hochzeitsfest in Ehekirchen gehört zu den größten Brauchtumsveranstaltungen in der Region. Heuer geht  es bereits in die 36. Runde   − und zwar von Freitag bis Sonntag,  31. August bis 2. September. Die Vorbereitungen für das diesjährige Hochzeitsfest begleiten wir in unserer Zeitung mit einer  mehrteiligen Serie, die in unregelmäßigen Abständen erscheinen wird und bei der es auch einen Blick hinter die Kulissen der Feier gibt. Zum Start geht es um die Entstehungsgeschichte der beliebten Veranstaltung, die in den 1970er-Jahren als Brauereifest ihre Premiere feierte. SZ

Heidrun Budke