Aufwind für die Bereitschaftspraxis

Aichach als Vorbild

03.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:38 Uhr
Der Altomünsterer Thomas Moser ist Arzt im Zentrum für Allgemeinmedizin in Aichach und behandelt von Zeit zu Zeit auch in der KVB-Praxis im alten Krankenhaus.     −Foto: Bastian Brummer

Im ehemaligen Aichacher Krankenhaus funktioniert, was es in Schrobenhausen nicht gibt und worum hier noch immer gekämpft wird: eine Bereitschaftspraxis. Sie hat das alte System der dienstverpflichteten Hausärzte abgelöst. Die Hausärzte auf dem Land sind dadurch weniger belastet, das soll die Attraktivität für Nachwuchsärzte erhöhen. Nun also ein Blick nach Aichach: Wie läuft es dort?

Aichach (SZ) Die Bereitschaftspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) in Aichach hat seit knapp drei Monaten geöffnet. In renovierten Räumen des ehemaligen Aichacher Krankenhauses tun mittwochs und freitags sowie an Wochenenden und Feiertagen verschiedene Ärzte Dienst. Vom geschwollenen Bein bis hin zur allergischen Reaktion auf einen Bienenstich behandeln sie dort diejenigen Patienten, die nicht erst am nächsten Tag zu ihrem Hausarzt gehen wollen oder können.

Ein Besuch in der Bereitschaftspraxis zeigt: Drei Monate nach der Eröffnung ist die Einrichtung zu einer festen Anlaufstelle geworden. "Zumindest in der subjektiven Wahrnehmung steigen die Patientenzahlen", erklärt Thomas Moser, Facharzt für Allgemeinmedizin im Gespräch mit unserer Zeitung. Trotzdem wissen einige Patienten offensichtlich noch nicht, dass es die KV-Praxis gibt.

Zumindest die Telefonnummer 116 117 wird seit einiger Zeit kräftig beworben. Wer sie in Notsituationen wählt, wird unmittelbar zur nächsten Bereitschaftspraxis geschickt. "Daher wissen immer mehr Leute davon", gibt Moser zu bedenken, die Regel ist das noch nicht.

Es ist ein heißer Mittwochabend, kurz nach 17 Uhr. Theresia Fischhaber aus Weilach ist mit ihrer Tochter Nicole das erste Mal in der Praxis. "Ich finde es super, dass es so etwas gibt", meint sie. In einer weiteren Aichacher Arztpraxis hätten sie zwei Stunden warten müssen. "Hier sind wir gleich drangekommen. Da kommen wir öfter her", meint die Weilacherin und lacht.

Als Ersatz für den Hausarzt ist die KV-Praxis freilich nicht gedacht. "Aber die wenigsten Patienten kommen aufgrund von Banalitäten", betont Thomas Moser. Sein Bereitschaftsdienst hat um 16 Uhr begonnen und dauert bis 21 Uhr - danach übernimmt die benachbarte Klinik die Patienten. Dorthin kommen übrigens auch diejenigen, deren Kreislauf in der sommerlichen Hitze kollabiert.

"Hierher kommen nur diejenigen, die noch mobil sind", sagt Moser. Nicht zuletzt deshalb ist der Abend in der Praxis eher ruhig. Ganz anders sähe das an Vormittagen am Wochenende oder an Feiertagen aus, erklärt der Mediziner. Dann kämen zum Teil 25 bis 30 Patienten in der ersten Schicht. Die dauert an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 9 bis 15 Uhr. Danach werden der Arzt und eine medizinische Fachangestellte im Anmeldezimmer abgelöst. Die zweite Schicht bleibt bis 21 Uhr. Und wie sieht die Klientel aus? "Mir liegt es auf der Zunge zu sagen: so wie früher auch", meint Thomas Moser und lächelt. Am Wochenende kämen lädierte Fußballer oder Kinder mit Infekten in die Praxis. Die ist übrigens hauptsächlich für Not-, nicht Spezialfälle gerüstet. "Bei Verdacht auf Herzleiden schicke ich Patienten sofort in die Klinik - die Wege sind ja glücklicherweise sehr kurz", sagt der Arzt.

Tatsächlich stehen die Krankenwagen des Roten Kreuzes gerade einmal 15 Meter von ihm entfernt an der Notaufnahme, stets abfahrbereit. Besetzt sein muss die Bereitschaftspraxis innerhalb der Öffnungszeiten übrigens auch immer. "Die KVB hat einen Versorgungsauftrag, und den muss sie erfüllen", sagt Thomas Moser. "Wenn ein diensthabender Arzt bemerkt, dass er seinen Dienst nicht wahrnehmen kann, muss er sich um einen Ersatz kümmern", erklärt Katja Rieter. Sie ist die Teamleiterin für den Bereitschafts- und Notarztdienst in Schwaben bei der KVB. Innerhalb der Vereinigung ist der in Regionen aufgeteilt. 330 niedergelassene Kassenärzte sind in der Region Augsburg-Ost tätig und damit zum Bereitschaftsdienst verpflichtet. Zu ihnen gehört auch Thomas Moser. Er leistet 68 Bereitschaftsstunden im Jahr ab, das ist eine mehr als der durch die Kassenärztliche Vereinigung errechnete Durchschnitt. Kann er einen Dienst nicht wahrnehmen, hat er die Möglichkeit zu tauschen, entweder mit weiteren dienstpflichtigen Kassenärzten oder etwa 1000 Pool-Ärzten aus ganz Bayern, die Bereitschaftsstunden übernehmen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Wunschtermine können online gewählt und 42 Tage im Jahr freigehalten werden.

Damit sei die Arbeitszeit laut Moser "halbwegs geregelt" und die Dienstbelastung merklich gesunken. In der Bereitschaftspraxis gibt es inzwischen allerdings mehr zu tun. Die letzte Dienststunde ist angebrochen. Eine Aichacherin hat sich beim Fahrradfahren am Knie verletzt. Mit geschwollenem Bein sitzt sie auf einem Stuhl und wartet neben einem Mädchen mit Migräne. "Wenn der Hausarzt schon zu hat, ist so eine Praxis hier praktisch", meint die Begleiterin der verletzten Radlerin. "Da spart man sich den Weg nach Kühbach oder Pöttmes." Auch die Radfahrerin aus Aichach ist zum ersten Mal in der Bereitschaftspraxis. Wie viele Patienten tatsächlich bisher im alten Krankenhaus behandelt wurden, wird laut Teamleiterin Rieter erst in einigen Monaten feststehen. Doch wer vorbeikommt, wird feststellen: Es gibt immer etwas zu tun.

VERSORGUNG IN DER REGION

In der Region gibt es drei Bereitschaftspraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB): das Vincentinum in Augsburg, eine Bereitschaftspraxis in Friedberg und eine in Aichach. Die Einrichtung in Friedberg gilt dabei als "vollumfänglich", hat also sieben Tage pro Woche geöffnet, die beiden weiteren bezeichnet die KVB als "flankierende", also unterstützende Praxen.

Die Bereitschaftspraxis in Aichach hat am Mittwoch und Freitag zwischen 16 und 21 Uhr geöffnet, an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen öffnet sie bereits ab 9 Uhr. Die Ausweitung des Netzes an Bereitschaftspraxen hat 2017 begonnen, nachdem im Herbst 2015 zehn Pilotregionen mit derartigen Einrichtungen ausgestattet worden waren. Am 27. November 2018 erhielt mit der Eröffnung der Friedberger KVB-Praxis auch die letzte Region in Schwaben die vollumfängliche Notversorgung. Laut Katja Rieter, Teamleiterin für den Bereitschafts- und Notarztdienst in Schwaben, haben einige Praxen ihre Öffnungszeiten bereits erweitert, andernorts wurden sie eingeschränkt. Darüber entscheidet die Auslastung der Standorte. Geschlossen wurde noch keiner. Wie es in Aichach weitergeht - ob die Öffnungszeiten der Praxis in der Paarstadt also gleich bleiben - wird innerhalb der kommenden Jahre diskutiert.

Bastian Brummer