Schrobenhausen
Das Wunder von Schrobenhausen

<DK-XY_trifft>125 JAHRE ACO SCHROBENHAUSEN: </DK-XY_trifft>Als der Verein 1959 Deutscher Mannschaftsmeister im Gewichtheben wurde

05.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:02 Uhr
Sie sorgten damals für die Sensation und holten den Deutschen Mannschaftsmeistertitel nach Schrobenhausen: Josef "Bubi" Schnell (v. l.), Michael Fleischmann, Erich Witetschek, Konrad Schwarzbauer, Michael Brehm und Max Liller, vorne Martin Eberle. −Foto: Archiv

Schrobenhausen - Am Samstag, 6. Juni 1959, geschieht das "Wunder von Schrobenhausen".

Josef Schnell, Konrad Schwarzbauer, Max Liller, Martin Eberle, Erich Witetschek, Michael Fleischmann und Michael Brem von der Schwerathletik-Abteilung des FC Schrobenhausen holen in einem dramatischen Endkampf gegen den KSV 88 Essen den Titel Deutscher Mannschaftsmeister im Gewichtheben.

An jenem denkwürdigen Samstag spätabends im Saal des Gasthauses Bräumichl feiern 400 begeisterte Anhänger die starken Männer von Schrobenhausen für ihre unglaubliche Leistung. Bei weiteren 2000 Fans, die keinen Einlass mehr gefunden und den Wettkampf von der Straße aus mitverfolgt hatten, herrscht Jubel, Trubel Heiterkeit. Ihre Schwerathleten hatten endlich das erreicht, was sie schon mehrere Jahre versucht hatten, nämlich das Erringen der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft.

Bereits in den Jahren 1956, 1957 und 1958 standen die Schrobenhausener Gewichtheber bereits mehrmals in Endausscheidungen und Endkämpfen um den Mannschaftsmeistertitel. 1959 folgt dann die Krönung des absolut höchsten Vereinszieles.

Schön ist sie hergerichtet, die Bühne im Bräumichlsaal. Ein Gewirr von Kabeln und Scheinwerfern für die Fernsehkameras zieht sich durch die Wettkampfstätte, die Musikanlage des Radiohauses Neumeyer spielt den River-Kwai-Marsch, und auch die erstmals eingerichtete Lichtsignaltafel für das Kampfgericht arbeitet ohne Pannen (sofern die Kampfrichter sie richtig bedienen). An den Fenstern hängen Menschentrauben, an der Saalrückwand stehen die Zuschauer und auch an der Theke ist ein guter Platz.

Beste Plätze haben die honorigen Besucher dieses Abends: Bürgermeister Fritz Stocker mit mehreren Stadträten (vornehmlich der SPD- und BHE-Fraktion). Über all dem schwebt der olympische Geist, denn die Übungen werden im olympischen Dreikampf (beidarmig Drücken, Reißen, Stoßen) ausgetragen.

Beim Wettkampf gegen den KSV 88 Essen merkt man von Anfang an deutlich, dass die Mannschaft taktisch klug beraten war. Jeder Heber geht im ersten Versuch ganz auf Sicherheit. Auch die zweiten Versuche gehen auffallender Weise nicht schief. Zu Fehlanzeigen kommt es bei den Schrobenhausenern nur bei den dritten Versuchen. Von den elf waren einige keine Umschmeißer, sondern von den Kampfrichtern entdeckte Unsauberkeiten. So im Drücken, als Erich Witetschek bei den sonst ziemlich leicht gemeisterten 220 Pfund mit dem Knie wackelt und bei Josef Schnells 280 Pfund, wo manche Zuschauer den Kniestoß nicht recht glauben und beim Aufleuchten der roten Lämpchen pfeifen, nachdem sie zu früh stürmisch geklatscht hatten. Nach dem Drücken ist die Stimmung im Saal noch etwas gedämpft, denn die Westfalen liegen knapp vorne.

Doch im Reißen passieren den Essenern Patzer, während auf Schrobenhausener Seite Witetschek und Schnell ihre Versuche mit Bravour bewältigen. Jetzt glauben auch die letzten Zweifler an den Titelgewinn, und die Stimmung steigt sprunghaft an. Martin Eberle besiegt mit Unterstützung der begeisterten Anhänger den alten Fuchs Hellermann.

Im Leichtgewicht liefert sich Michael Brem mit dem Essener Bringenberg ein totes Rennen. Konrad Schwarzbauer knüpft im Mittelgewicht an seine alte Form an und sticht Fechner klar aus. Der erst 19-jährige Max Liller stößt erstmals 210 Pfund und verbessert seine bisherige Gesamtleistung um zehn Pfund. Michael Fleischmann bleibt lediglich fünf Pfund unter seiner persönlichen Bestleistung und befriedigt somit voll und ganz.

Im Reißen beweist Fleischmann seine enorme Kraft, als er dreimal ganz langsam aus der Hockstellung hochkommt. Und dann ist das Wunder von Schrobenhausen endlich sicher: Die Schrobenhausener Gewichtheber schlagen die sympathische Staffel vom KSV 88 Essen mit großartigen 4605 : 4380 Pfund.

Glückstrahlend nehmen die Athleten, ihnen voran Vater Schnell, aus den Händen des DAB (Deutscher Athletenbund)-Präsidenten Josef Hergl das Meisterdiplom und den Josef-Straßberger-Wanderpreis entgegen. Vater Schnell bedankte sich dafür herzlich: "Der Wanderpreis ist geschaffen worden von der heimischen Firma Pöllath und der Holzsockel stammt noch aus meiner Werkstatt. Ich bin stolz auf unsere Mannschaft, auf unser Publikum. " Die Polizeistunde wird aufgehoben und die ganze Nacht wird gefeiert.

Acht Tage nach ihrem grandiosen Erfolg dankt der Hauptverein FC Schrobenhausen den Meisterhebern im Hotel Post mit einem Festessen. Tags darauf ehrt die Stadt die Athleten mit einem Empfang im Lenbachsaal des Rathauses. Dann geht es unter den Klängen der Musikanten der Feuerwehr ins Vereinslokal "Herzog Max", wo im engen Kreis ein von einem großherzigen Gönner gestifteter Rehbock verzehrt wird. Der Bayerische Rundfunk berichtete über UKW II in einer zehnminutigen Reportage über diesen großartigen Wettkampf in Schrobenhausen. Kultreporter Oskar Klose zeichnet ein farbiges, zuweilen freilich etwas zu kräftiges Bild dieses Sportereignisses (laut Schrobenhausener Zeitung). Auch im Bayerischen Fernsehen können sich die Athleten nochmal selbst betrachten. Die Münchner Abendschau informiert in einem Filmbericht von über vier Minuten über das "Wunder von Schrobenhausen. "

SZ