Gerolsbach
Ungewöhnliche Vorgehensweise

Obwohl der Eigentümer davon nichts wusste, ist sein Grundstück in eine Planung einbezogen worden

22.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:42 Uhr
Hier am Rand von Alberzell will die Firma Irrenhauser & Seitz ihr bestehendes Firmengelände (rechts im Bild) erweitern. −Foto: Haßfurter

Gerolsbach/Alberzell (SZ) Die wohl interessanteste Stellungnahme zur Änderung des Gerolsbacher Flächennutzungsplans im Bereich des Firmengeländes von Irrenhauser & Seitz in Alberzell hatte der Gemeinderat im vergangenen Oktober gar nicht berücksichtigt. Das holte das Gremium nun in der ersten Sitzung des neuen Jahres nach.

Den Firmen Irrenhauser & Seitz in Alberzell sowie Riedlberger in Singenbach soll mit der Aufstellung von Bebauungsplänen die Möglichkeit geboten werden, den jeweiligen Betrieb zu erweitern. Bevor so etwas in einem Bebauungsplan geregelt werden kann, muss erst einmal der Flächennutzungsplan angepasst werden, indem dort auf ehemaligen Acker- oder Wiesenflächen Gewerbe- oder Mischgebiete verzeichnet werden. In diesem Verfahren hatte die Gemeinde im vergangenen Sommer die Unterlagen im Rahmen der so genannten frühzeitigen Beteiligung öffentlich ausgelegt. Am 16. Oktober wurden die von Bürgern, Behörden und anderen so genannten Trägern öffentlicher Belange fristgerecht eingegangenen Stellungnahmen im Gemeinderat behandelt. Nicht auf den Tisch kam damals das Schreiben eines Anwohners - es war erst am Sitzungstag im Rathaus abgegeben worden und konnte deshalb nicht mehr geprüft und vorbereitet werden.

Obwohl die Gemeinde wegen der Überschreitung der Beteiligungsfrist das gar nicht mehr hätte tun müssen, beschäftigte sich nun der Rat mit dem Schreiben des Bürgers, der sich wunderte, dass eine Grundstücksfläche, die ihm gehört, Teil des überplanten Bereichs in Alberzell ist. Er sei mit der Änderung des Flächennutzungsplans nicht einverstanden und sehe sich in seinen Rechten verletzt, schrieb der Grundstückseigentümer. Er sei im Vorfeld von der Gemeinde auch nicht kontaktiert worden; die habe es "nicht für nötig" gehalten, "betroffene Eigentümer rechtzeitig zu informieren". Zudem sei die öffentliche Auslegung der Unterlagen im Juli und August und somit in der Ferien- und Urlaubszeit erfolgt, was "weder bürgerfreundlich noch im Interesse einer regen Bürgerbeteiligung" sei. Da auf seinem Grundstück im geänderten Flächennutzungsplan eine "sonstige Grünfläche" vorgesehen wäre, befürchtet der Eigentümer nun, dass es als Ausgleichsfläche für die von Irrenhauser & Seitz geplanten Baumaßnahmen dienen solle.

"Das ist ja erst der Flächennutzungsplan - der Bebauungsplan wird noch entwickelt, dann wird das konkret", erklärte der Geschäftsleiter der Gemeinde, Thomas Kreller. Inzwischen sei auch mit dem Grundstückseigentümer geredet worden. Dessen Fläche sei deswegen mit in die Flächennutzungsplanänderung aufgenommen worden, weil sie auf drei Seiten von überplanten Bereichen umgeben sei - das sei Usus in solchen Fällen. Baurecht entstehe aber erst im nächsten Schritt, durch die Aufstellung eines Bebauungsplans. Auch an diesem Verfahren werde dann wieder die Öffentlichkeit beteiligt.

Noch aus einem zweiten Grund beschäftigte sich der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung noch einmal mit der Flächennutzungsplanänderung bei Alberzell: Das bestehende Areal der Firma Irrenhauser & Seitz wird künftig zum Mischgebiet, nur die Erweiterungsfläche zum Gewerbegebiet - bisher war die ganze Fläche als Gewerbegebiet vorgesehen. Stefan Maurer (fraktionslos) befürchtete hier eine "baurechtliche Selbstbedienung", aus einem "faktischen Gewerbegebiet" werde ein Mischgebiet, in dem es dann auch Wohnungen geben könne. Nein, widersprach Kreller, der Grund sei ein anderer: Auf dem bereits bestehenden Firmenareal, das bisher als Dorfgebiet eingestuft ist, gebe es jetzt schon Wohnungen für Mitarbeiter - eine Ausweisung als reines Gewerbegebiet würde deren künftige Nutzung unmöglich machen.

Bei den Beschlüssen zu diesem Tagesordnungspunkt gab es jeweils einen Gegenstimme von Stefan Maurer (fraktionslos) und eine Enthaltung von Bürgermeister Martin Seitz, dessen Söhne die Firma Irrenhauser & Seitz führen. Die Unterlagen werden, sobald die Änderungen eingearbeitet sind, erneut öffentlich ausgelegt. Die bisherige Version liegt noch immer auf der Homepage der Gemeinde unter "Aktuelle Bauleitplanung" vor.
 

Eine planungsrechtliche Spitzfindigkeit

Auf einen "ganz eklatanten formellen Fehler" machte Annette Schütz-Finkenzeller (UB) in der Gemeinderatssitzung aufmerksam: Für die laufende Flächennutzungsplanänderung in Alberzell und Singenbach fehle ein Aufstellungsbeschluss.

"Wir haben über diese Flurnummern nie abgestimmt, dass das überplant wird", erklärte sie und stellte klar: Mit dem Umgriff der Gewerbeflächen habe sie kein Problem, aber das sei formell nicht richtig. Hier widersprach ihr Thomas Kreller, der Geschäftsleiter im Gerolsbacher Rathaus: Ein Bauleitplan könne auch ohne Aufstellungs- beziehungsweise Änderungsbeschluss ins Verfahren gebracht werden - spätestens wenn die Öffentlichkeitsbeteiligung beschlossen werden muss, sei das Ganze dann ja sowieso ein Thema im Gemeinderat. In Paragraf 2, Absatz 1 des Baugesetzbuchs heißt es dazu: "Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. " Kreller verweist aber auf einen Kommentar von Jäde/Dirnberger/Weiß zu eben diesem Absatz des Baugesetzbuchs: "Nur wenn ein Aufstellungsbeschluss gefasst ist, ist er ortsüblich bekannt zu machen. "

Und weiter: "Nicht aber wird durch diese Regelung mittelbar vorgeschrieben, dass das Aufstellungsverfahren für einen Bauleitplan zwingend mit einem Aufstellungsbeschluss beginnen müsste; ein (wirksamer und wirksam bekannt gemachter) Aufstellungsbeschluss ist folglich auch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung eines Bauleitplans. " Vielmehr habe die Gemeinde die Freiheit, das Verfahren durch die Eröffnung eines Verfahrensabschnitts wie die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung oder auch die öffentliche Auslegung einzuleiten. Der Aufstellungsbeschluss, heißt es weiter in dem Kommentar, könne auch mit der Eröffnung eines solchen Verfahrensabschnitts verbunden werden. Eine formelle Beschwerde hatte auch der fraktionslose Stefan Maurer: Im Protokoll zur Sitzung vom 16. Oktober stehe, dass sich Bürgermeister Martin Seitz wegen persönlicher Beteiligung nicht an Beratung und Abstimmung beteiligt hätte. Das stimme nicht - er, Maurer, sei damals sogar von Seitz zurechtgewiesen worden. Der Bürgermeister kommentierte das mit einem Lächeln. bdh

Bernd Hofmann