Gachenbach
Niederlage in Karlsruhe

Gemeinde muss Grundstücksverträge überarbeiten - das könnte auch andere Kommunen betreffen

01.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:23 Uhr
Rege Bautätigkeit in neuen Wohngebieten (hier in der Aresinger Hänggasse) - das sieht man gerne in den Rathäusern. Um zu vermeiden, dass Grundstücke nur als Geldanlage gekauft werden, haben sich die Gemeinden Klauseln für ihre Notarverträge einfallen lassen. Eine hat der BGH jetzt gekippt. −Foto: Hofmann

Gachenbach (SZ) Wenn ein Grundstückskäufer nicht eine bestimmte Zeit selbst in seinem neuen Haus wohnt, ist beim Verkauf eine im Notarvertrag festgelegte Nachzahlung fällig. Diese in vielen Gemeinden übliche Praxis hat der Bundesgerichtshof jetzt zu Fall gebracht. Ein Bürger hatte gegen die Gemeinde Gachenbach geklagt - und Recht bekommen. Für die Gemeinden muss das kein Nachteil sein.

Bei dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe könne es sich durchaus um einen Präzedenzfall handeln, meint der Gachenbacher Bürgermeister Alfred Lengler (CSU). In seiner Gemeinde ist es seit vielen Jahren üblich, bei Grundstücksverkäufen an Privatleute im Notarvertrag festzuhalten, dass innerhalb von fünf Jahren mit dem Bau des Eigenheims begonnen werden muss. Spätestens acht Jahre nach dem Kauf muss es bezogen werden, danach muss der Eigentümer selbst weitere acht Jahre in dem Haus wohnen. Diese Klauseln seien einst eingeführt worden, "damit da kein Schindluder getrieben wird", erklärt Lengler. Schließlich wolle die Gemeinde in ihren neuen Baugebieten vermeiden, dass Grundstücke rein als Geldanlage gekauft werden und dann jahre- oder gar jahrzehntelang brach liegen. Vielmehr sollen sich die neuen Siedlungen schnell füllen, sollen hier Menschen die Möglichkeit bekommen, sich ihren Traum vom eigenen Häuschen zu verwirklichen.

Gerade in der Boomregion rund um München und Ingolstadt sind solche Verträge für viele Kommunen ein Werkzeug, um Grundstücksspekulationen einzudämmen. Wer sich nicht an die Regeln hält und sein Grundstück frühzeitig weiterverkauft oder auch nur das Haus vermietet, muss in Gachenbach 25 Euro pro Quadratmeter nachzahlen. Dagegen hatte ein Bürger geklagt, der aus familiären Gründen aus seinem Haus ausziehen musste. Vor dem Landgericht Ingolstadt kam es vor zwei Jahren zum ersten Prozess, den damals noch die Gemeinde gewann. In zweiter Instanz gab das Oberlandesgericht München dem Bürger Recht, ließ aber Revision zu. Die wollte die Gemeinde nutzen, doch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat nun abgelehnt. Die Nachzahlungspflicht verstoße nach Auffassung des BGH-Senats gegen das Gebot einer angemessenen Vertragsgestaltung, teilte dazu die von der Gemeinde beauftragte Rechtsanwältin Barbara Genius mit.

Das muss die Gemeinde Gachenbach nun so akzeptieren. Die nach dem Auszug von der Gemeinde eingeforderte Nachzahlung habe der Bürger bereits zurückerstattet bekommen, sagt Lengler. Zudem müsse die Gemeinde ihre Notarverträge noch einmal überarbeiten - "nicht nur wir, sondern ganz, ganz viele Gemeinden", meint Lengler. Denn Formulierungen wie die in Gachenbach seien wohl weit verbreitet.

Natürlich gibt es immer mal wieder den Fall, dass ein Grundstückseigentümer aus beruflichen, familiären oder finanziellen Gründen aus seinem Haus ausziehen müsse - und das vor dem Ablauf der Achtjahresfrist. Wie reagiert die Gemeinde darauf? "Das ist immer eine Einzelfallentscheidung", über die der Gemeinderat abzustimmen habe, sagt Lengler, der es allerdings ablehnt, hier konkrete Beispiele zu nennen, denn: "Grundstücksangelegenheiten gehen keinen Menschen etwas an - nur den Käufer." In anderen Gemeinden habe es aber schon auch mal den Fall gegeben, dass die Kommune das Grundstück samt Haus zurückgekauft und dann versteigert habe.

Bereits vor einigen Jahren habe die Gemeinde Gachenbach damit begonnen, ihre Notarverträge für Grundstücksverkäufe zu überarbeiten, sagt Lengler. Bei dem Fall, um den es nun vor Gericht ging, habe es sich allerdings um einen der "Altverträge" gehandelt, wie sie in Gachenbach schon zu Beginn von Lenglers Amtszeit (2008) in Gebrauch waren. Auf Grundlage des Revisionsurteils aus Karlsruhe soll sich nun noch einmal ein Rechtsanwalt mit den Schriftstücken befassen.

Eine künftige Möglichkeit für die Gestaltung solcher Notarverträge habe der BGH der Gemeinde bereits aufgezeigt, sagt Lengler: Man könne eine Wertsteigerungsklausel einbauen. "Das ist für die Gemeinde durchaus positiv", meint der Gachenbacher Bürgermeister angesichts der Grundstückspreise, die in den vergangenen Jahren ja geradezu explodiert sind. 25 Euro pro Quadratmeter? Innerhalb von 16, 10 oder auch 8 Jahren hat der Preis auch in Gachenbach sicherlich stärker angezogen.
 

Bernd Hofmann