Hohenwart
Die Glocke ist im Turm

Rund 200 Hohenwarter wollen miterleben, wie die neue Glocke in den Turm der Marktkirche gehoben wird

14.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr
Mit einem Autokran wurde die neue Glocke in Minutenschnelle in die Höhe gehoben. −Foto: Hofmann

Hohenwart (SZ) Das war einer dieser Momente für die Ewigkeit: Die neue große Glocke für die Hohenwarter Marktkirche schwebte in der Luft. Viel mehr als ein Moment war es aber wirklich nicht: Was früher stundenlange Schwerstarbeit bedeutete, erledigt heute ein Autokran in kürzester Zeit. Ein Ereignis für Hohenwart war es heute trotzdem, als die neue Glocke in den Turm kam.

Pünktlich um 8 Uhr morgens steht der Autokran auf dem schmalen Platz zwischen der Kirche Mariä Verkündigung und dem Pfarrheim Sankt Georg. Das Loch im Kirchturm, in etwa auf halber Höhe und von unten hinter dem Gerüst kaum zu erkennen, wurde bereits vor rund drei Wochen gebrochen. Und seit ein paar Stunden ist auch die Glocke da. Ganz unscheinbar steht sie auf einer Euro-Palette hinter dem Bauzaun, gut versteckt zwischen Mörtelwannen, Bauaufzug und Dixi-Klo. In der alten Werkstatt der Schmiede am Marktplatz sei sie gelagert gewesen, erzählt Kirchenpflegerin Sieglinde Hirner - jetzt kann sie es ja verraten, wo doch die Glocke gleich sicher im Turm verwahrt sein wird. Am Vorabend ist sie mit dem Gabelstapler zur Marktkirche gebracht worden, wo Hirner sie mit Bauplanen zudeckte. Bis 10 Uhr abends war die Kirchenpflegerin dann noch im Pfarrheim, um aufzupassen, dass sich da kein Wertstoffsammler bedient. Und mit Gottvertrauen sollte auch bis zum nächsten Morgen nichts passieren.

Wobei: So eine Kirchenglocke lässt man nicht einfach mal so mitgehen. Die ist immerhin 850 Kilo schwer. Gegossen wurde sie bereits vor einem Jahr in der Glockengießerei Rincker im hessischen Sinn aus einer speziellen Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn. Sie trägt den Namen "Unserer lieben Frau von Lourdes", finanziert wurde sie von einem Spender, der anonym bleiben möchte. An Christi Himmelfahrt hat Bischof Konrad Zdarsa sie geweiht, ein großer Festtag für Hohenwart.

Das Hinaufheben in den Glockenstuhl ist nun eher eine technische Angelegenheit. Früher hat's bei so etwas wohl auch gleich ein Pfarrfest gegeben. Man baute massive Gestelle mit Flaschenzügen auf, dann durften die Kinder, die ihre Festtagstracht angezogen hatten, ein bisserl an Seilen ziehen und schließlich haben die starken Männer angepackt. "Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt!", heißt es schon bei Schiller. Ja, so könnte es abgelaufen sein, damals. Vielleicht aber auch ganz anders. Schwer zu sagen, denn hier ist niemand, der so etwas schon einmal miterlebt hätte.

Ein einmaliges Erlebnis wird es also für die allermeisten Zuschauer sein, wenn die Glocke am Haken hängt. Denn auch in Zukunft dürfte man das nicht so oft zu sehen bekommen. Deshalb sind auch so viele gekommen. Männer, die heute extra später in die Arbeit fahren, Omas mit Enkelkind auf dem Arm, Alte, Junge, auch Vizebürgermeister Thomas Reis und einige Schwestern von Regens Wagner. Spätestens als auch noch einige Klassen der Hohenwarter Schule ankommen, wird es eng vor dem Pfarrheim. Bestimmt 200 Menschen sind es inzwischen, die gespannt warten. Erst einmal aber krallt sich der Autokran mit vier massiven Stützen auf dem Boden fest, wird der Ausleger ausgefahren und der Haken über der Glocke positioniert.

Dann geht es ganz schnell: Mit dicken Seilen wird die Glocke an den Haken gebunden, der Mann im Führerhaus des Autokrans drückt und zieht an ein paar Hebeln, der Motor wird lauter. 200 Menschen haben ihre Kameras und Smartphones im Anschlag oder schauen, ganz altmodisch, einfach nur zu. "Dass sie in das Reich des Klanges steige, in die Himmelsluft!", würde Schiller jetzt sagen. Und wirklich: Um 8.39 Uhr schwebt die Glocke sachte von der Europalette, um 8.41 Uhr ist sie in der richtigen Höhe und um 8.48 Uhr haben sie die Männer auf dem Gerüst schon in den Turm gezogen. Da brandet Applaus auf, was den Fahrer des Autokrans zu einem Lächeln veranlasst - das erlebt er auch nicht oft.

Geläutet wird die Glocke an diesem Tag übrigens noch nicht - ohne Klöppel geht das schlecht. Und es fehlt ja auch noch einiges anderes - die Aufhängung zum Beispiel. Darum werden sich die Mitarbeiter der Spezialfirma Hörz in den nächsten Wochen kümmern, wenn das Loch im Turm wieder zugemauert ist. Dort oben sind auch die drei anderen, kleineren Glocken der Marktkirche eingelagert. Sie werden ebenfalls wieder aufgehängt, und das Augsburger Kirchenmusikamt wird dafür sorgen, dass der Klang passt, wenn dann vermutlich im August erstmals auch die neue große Glocke über Hohenwart zu hören ist. Schließen wir mit Schiller: "Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute."

Bernd Hofmann