Der Wagen sollte bloß 80 Tage halten

Militärjeep eines Schrobenhauseners hat 75 Jahre auf dem Buckel

13.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:42 Uhr
  −Foto: Spindler

Jetzt ist der Willys Militärjeep, den der Schrobenhausener Peter Möchel besitzt, schon 75 Jahre alt. Der Urvater vieler Geländewagen wurde penibel restauriert und sieht dank viel Arbeit und jeder Menge Originalersatzteile heute so aus, als wäre er nie im Krieg gewesen. Die Geschichte von Möchels Kultauto hat auch etwas mit dem Hang zu alten Fahrzeugen und der Liebe zwischen Vater und Sohn zu tun.

Schon das Anlassen des olivgrünen Wagens ist ein besonderes Schauspiel und nicht mit dem einfachen Knopfdrücken von modernen Hybrid-Autos zu vergleichen. Peter Möchel legt einen unscheinbaren schwarzen Schalter um: "Zündung einschalten." Dann drückt er in der Nähe des Schalthebels für das Getriebe mit seinem rechten Fuß den nächsten Schalter - den für den Anlasser. Gleichzeitig reguliert er mit der linken Hand über den gezogenen Choke die richtige Einstellung des Standgases. Mit viel Gefühl macht der 61-Jährige das. Der Motor läuft.

Aber irgendwie klingt der Motor nicht nach einem amerikanischen Kultwagen, obwohl der Willys, den der gebürtige Münchner und Wahl-Schrobenhausener sein Eigen nennt, ein echtes Kultauto aus den Vereinigten Staaten ist. Schließlich gibt es den in der freien Wildbahn eher selten zu sehen. Die meisten Schrobenhausener dürften den Militärjeep wohl ausschließlich aus Kriegsfilmen à la Hollywood kennen.

Seit sieben Monaten besitzt Peter Möchel einen Original Willys Overland GPW. Unter der Motorhaube steckt ein Ford-Aggregat mit etwa 2,2 Litern Hubraum, das rund 60 Pferdestärken auf die Straße oder noch viel lieber direkt ins Gelände überträgt. Der wendige Kriegswagen, der ohne Lenkhilfe auskommt - da weiß man, warum beim Militär die Chauffeure oft Kraftfahrer heißen -, verfügt über ein Getriebe mit drei Gängen, die ihn vorantreiben. Mehr Gänge braucht es nicht, um vorwärts zu kommen. Neben einer ausführlichen schriftlichen Dokumentation der Restaurierung des Geländewagens zeugen auch Schrauben mit original Ford-Emblem davon, dass der Willys einer von Ford in Lizenz gebaute Version des 1940 von der Willys-Overland Company in Toledo (Ohio) entwickelten Allzweckwagens ist.

Gebaut wurde der Jeep in den USA im Jahr 1943. Möchel kann sogar nachvollziehen, dass sein Wagen am 30. April 1943 an die US Air Force ausgeliefert wurde. Die amerikanische Luftwaffe stellte den Wagen dann am 1. Juli 1943 in Dienst - der Tag der Erstzulassung. Dann verliert sich die Spur des Jeeps. Wo er im Krieg eingesetzt war, kann Möchel nicht sagen, selbst der Vorbesitzer habe es nicht mehr recherchieren können.

Im Krieg war der Wagen ganz offensichtlich. Denn als das Fahrzeug Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre wieder nach Deutschland zurückkehrte, fand der Besitzer ein Einschussloch beim linken Hinterrad. Mehr war von seiner militärischen Verwendung aus früheren Tagen nicht zu sehen. Unter dem weißen Lack traten deutlich sichtbare Rostspuren hervor. Fahrersitz? Überbewertet. Fehlanzeige. Ein Holzschemel zierte das spartanische Interieur des Fahrzeugs. Ein texanischer Staatsanwalt muss den Jeep als privaten Jagdwagen in den Weiten seiner Heimat benutzt haben, erzählt Möchel. Den Zustand, in dem der Wagen aus Greenville in Europa anreiste, bezeichnet Möchel vorsichtig mit den Worten "sehr schlecht".

Dass Peter Möchel das geländegängige Auto heute besitzt, ist eigentlich ein Zufall, wie er selber sagt. In den Bergen, wo Möchel mit seiner Familie regelmäßig Urlaub macht, habe ein Nachbar sich den Jeep damals gekauft. Der Nachbar, so Möchel, begann zusammen mit seinem Sohn den Wagen zu restaurieren. Originalverdeckstoff aus New York wurde dafür genauso herangeschafft wie Originalersatzteile aus anderen Bundesstaaten der USA. Sogar ein zweiter Willys soll auf dem Hof des Vorbesitzers gestanden haben - als Ersatzteillager.

Möchels Bergnachbar und dessen Sohn zerlegten das Vehikel in seine Einzelteile. Alles musste gereinigt und begutachtet werden. Manches taugte nur noch für den Schrott, anderes konnte nach einer akribischen Überholung wieder in den Wagen eingebaut werden. Über Jahre hinweg dauerte die Restaurierung, die in einer kleinen Kladde minutiös festgehalten wurde. Möchel blättert immer wieder mal in dem Heftchen. Auch eine detaillierte Fotodokumentation zeigt, wie aus dem heruntergekommenen Jagdwagen wieder ein stolzer Militärjeep wurde.

Doch das Schicksal hat es mit Möchels Nachbarn auf dem Berg nicht gut gemeint. Der Sohn des Mannes starb mit Mitte 50 an einer schweren Krankheit. Der Plan von der Übergabe des wiederhergestellten Wagens an den Sohn, der die vierrädrige Seltenheit in Ehren halten, fahren und pflegen sollte, wurde zu Makulatur. Einige Jahre, so Möchel, habe sein Nachbar den Wagen noch besessen und sich ganz langsam von seinem Sohn sowie dem Wagen verabschiedet. Im vergangenen Jahr habe der Mann dann Peter Möchel den Wagen angeboten: "Jetzt ist es so weit, hat er nur gesagt."

Möchel hat lange überlegt. Den letzten Ausschlag für die Zusage hat seine Frau gegeben. Möchel erinnert sich noch ganz genau an ihre Worte: "So ein Auto mit Liebe restauriert, im Originalzustand, bekommst du nie wieder - schlag' zu." Das hat er getan. Und er hat ein Vermächtnis damit übernommen: Er soll nun den Wagen in Ehren halten und später an seinen Sohn weitergeben.

Der Elektromechanikermeister Peter Möchel hat ein Faible für alte Fahrzeuge, ihre einfache und robuste Technik. Sogar die Felgen seines Willys sind zweiteilig gebaut. So sollten die Soldaten damals mit einfachem Werkzeug schnell einen defekten Reifen austauschen können, erklärt Möchel. Die Konstruktion des Urvaters aller späteren Jeeps sollte einfach sein. Gleichzeitig sollte ein wendiges und möglichst vielseitiges Fahrzeug entstehen, das nicht viel Geld verschlingt und für den Kriegseinsatz geeignet ist. "Der Wagen sollte bloß 80 Tage halten", sagt Möchel, der mit Blick auf sein restauriertes Schmuckstück mit Stolz in der Stimme hinzufügt: "Und jetzt ist er 70 Jahre alt..."

Besonders wohl fühlen sich Möchel und sein Willys abseits der asphaltierten Straßen. "Das schnellste, was ich gefahren bin, sind 40 Meilen", erzählt Möchel. "Wenn man schnell auf der Straße fährt, muss man aufpassen, dass er nicht von der Straße springt." Möchel legt den ersten Gang ein. Wieder eine Besonderheit - der Schalthebel wird nach hinten geführt. Zum Glück regnet es nicht. Denn in einem solchen Fall muss der Beifahrer seinen Scheibenwischer selber per Hand betätigen. Nur der Fahrer genießt den Luxus eines sich selbst bewegenden Scheibenwischers. Der wird durch den Vergaserunterdruck in Bewegung gehalten. Es geht es auf die Staatsstraße. Beim Schalten lässt sich Möchel Zeit. Der erste Gang ist unsynchronisiert, was sich vor allem beim Herunterschalten für den ungeübten Fahrer bemerkbar macht - ordentlich Zwischengas geben ist angesagt. Der zweite und der dritte Gang haben eine synchronisierte Übersetzung. Trotzdem schaltet Möchel mit gut geschultem Gehör und viel Gefühl. Die Nadel auf dem Tacho zittert sich auf die 30 Meilen pro Stunde zu. Der Wagen hopst wirklich. Dann geht es von der Straße herunter, ab in den Wald. Wie von Geisterhand hört die rhythmische Hüpferei auf. "Hier ist er in seinem Element", sagt Möchel über seinen Willys. Es geht über Feldwege durch einen Wald: "Der erste Gang reicht." Und was, wenn das Gelände mal schwieriger wird? Darauf hat Möchel eine ganz lockere Antwort parat: "Untersetzung und Allrad rein."

Jürgen Spindler