Aichach
Aichach: Geburtshilfe wird geschlossen

Zwei der verbliebenen Hebammen haben gekündigt, weil die Belastung zu groß war

16.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Ein Abschiedsfoto: Dagmar Schmaus (2. v.r.) war seit 2003 Hebamme in Aichach, sie wird im Raum Aichach weiter für Nachsorge zur Verfügung stehen. Selma Nuray (Mitte) war seit 1996 dabei. Für Pia Petrovic (2. v.l.) geht es erst einmal in Elternzeit. Seit Mai ist Martina Effinger (l.) im Team, trotzdem ist auch für sie das Ende der Geburtshilfestation in Aichach bitter. Der Arzt Sorin Turcu-Reiz (r.) zeigte sich bewegt: "Ohne den überdurchschnittlichen Einsatz von Dagmar Schmaus, Selma Nuray und ihren Kolleginnen hätten wir schon seit Jahren geschlossen." −Foto: Carina Lautenbacher

Aichach (SZ) Im Aichacher Krankenhaus wird es in Zukunft keine Geburten mehr geben. Zwar hoffen die Verantwortlichen, dass sich das in den nächsten ein oder zwei Jahren wieder ändern wird. Bis dahin aber ist die Geburtshilfe geschlossen, wie bei einer Pressekonferenz mitgeteilt wurde. Hebammen, Ärzte und Politiker waren gleichermaßen bedrückt. Aber auch eine nicht unerhebliche Portion Wut lag im Raum.

Zweimal war die Geburtshilfe in diesem Jahr vorübergehend geschlossen, weil die Hebammen - zwischen vier und fünf waren es zuletzt - am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen waren: Krankheitsfälle, Weggänge, Neuanfängerinnen - das alles war für das Team im Schichtbetrieb zu viel. Dagmar Schmaus und Selma Nuray fühlten sich so am Limit, dass sie nun schweren Herzens ihre Verträge gekündigt haben. Zwar hatten zuletzt die Friedberger Hebammen Hilfe angeboten, wofür ihnen ihre Kolleginnen dankbar sind. Aber auch sie hätten zusammen nur viereinhalb Tage im Monat stemmen können, so dass noch immer zu viele Schichten übrig geblieben wären, zumal eine der Aichacher Hebammen nicht mehr im Kreißsaal arbeiten darf, weil sie schwanger ist. "Wir können nicht mehr", sagt Dagmar Schmaus.

Neben dem Personalengpass sind die Probleme des Hebammenberufs inzwischen hinlänglich bekannt, etwa die sehr hohen Versicherungsbeiträge und die Rund-um-die-Uhr-Arbeitszeiten. Etwa die Hälfte aller Hebammen will deshalb nicht mehr in der Geburtshilfe, sondern nur noch in der Vor- und Nachsorge arbeiten. Es gebe also genug ausgebildete Hebammen, nur im Kreißsaal wollen viele von ihnen unter den gegebenen Bedingungen nicht arbeiten.

Für die Frauen bedeutet die Schließung der Geburtshilfe, dass bis Jahresende im neuen Aichacher Krankenhaus nur noch geplante Kaiserschnitte durchgeführt werden. Danach ist auch damit Schluss. Andere gynäkologische Eingriffe werden Sorin Turcu-Reiz und Ronald Goerner weiter durchführen.

Für das Aichacher Krankenhaus bedeutet die Schließung der Geburtshilfe, dass der neue Kreißsaal leerstehen wird. Der reine Umsatzverlust dürfte bei etwa 700000 Euro jährlich liegen, wobei das nur eine erste Schätzung ist.

Landrat Klaus Metzger machte keinen Hehl daraus, wo er die Schuldigen sieht: "Wir haben als kleiner Landkreis gestrampelt und gestrampelt, um Systemfehler zu beheben." Die Politik in Berlin und München hat erst zu spät reagiert und dann noch immer nicht ausreichend Abhilfe geschaffen, um die Problematik der Hebammenversorgung, die in Ballungsräumen noch weit gravierender ist, anzugehen. Metzger legte eine Auflistung aller Briefe und Gespräche vor, die in der Sache mit Verantwortlichen geführt wurden. Er erinnerte daran, dass der Landkreis ab 2014 teilweise Beiträge für Haftpflichtversicherungen übernommen hat. Massiv wurden die Bemühungen vor einem Jahr, wie die Auflistung zeigt. Ob es trotz allem am Ende seitens des Landkreises zu wenig Engagement war, oder ob es zu spät kam, will der Landrat nicht als entscheidende Frage gelten lassen: Schuld seien ganz klar die Fehler im System.

Noch wesentlich deutlichere Worte fand Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann. "Es ist ein Debakel, vor allem wenn man sieht, wie begeistert die Menschen das neue Krankenhaus aufgenommen haben." Er könne es weder verstehen noch hinnehmen, dass es nach dem Großraum Schrobenhausen nun auch im Großraum Aichach keine Geburten mehr geben soll. "Sollen denn die 370 Frauen, die jährlich in Aichach entbinden, im Winter nach Friedberg oder gar nach Augsburg fahren - das kann doch nicht sein. Was hat das mit wohnortnaher Versorgung zu tun?"

Ob und wie sich die Schließung der Geburtshilfe auf die angedachte Hebammenschule in Aichach auswirkt, ist noch nicht ganz klar. Einerseits fehlt der praktische Ausbildungsort, andererseits werde es ohne solche Schulen nie eine wachsende Zahl an Hebammen geben, sagte der Landrat.

Klaus Metzger und Klaus Habermann erklärten mit Nachdruck, dass sie die Schließung der Geburtshilfe nicht als endgültigen, sondern nur als vorübergehenden Schritt verstehen. "Wir geben nicht auf, und werden alles tun, was wir können", versicherte der Landrat. Habermann wird helfen, denn "das ist für mich wirklich eine persönliche Angelegenheit."

Carina Lautenbacher