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Wie man aus einer Not eine Tugend macht

CSU-Kreisverband bestimmt seine Delegierten im Autokino - Emotionaler Moment durch Erich Irlstorfer

28.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:41 Uhr
So sieht sie aus, die Autokino-Wahl des CSU-Kreisverbands Neuburg-Schrobenhausen. Am Freitagabend wurden kurzerhand Privatautos zu Wahlkabinen umfunktioniert, um die Delegierten zu wählen, die am Ende Brandl und Irlstorfer erneut für den Bundestag nominieren. −Foto: Winter

Schrobenhausen - Man könnte trefflich darüber streiten, ob die Änderung des Bundeswahlgesetzes hinreichend rechtssicher gemacht wurde oder nicht. Tatsächlich müssen die Delegierten, die die Bundestagskandidaten nominieren sollen, in Präsenzveranstaltungen bestimmt werden. Gar keine leichte Aufgabe für einen CSU-Kreisverband der Größe Neuburg-Schrobenhausens, mit immerhin 1200 Mitgliedern. Es war der Kreisvorsitzende Matthias Enghuber, der die glorreiche Idee hatte: Lasst uns eine Drive-in-Wahl machen! Gesagt, getan. Und bald schon gab es auch einen Termin: Der Abend des 26. März.

Ein Drive-in ist es am Ende nicht, aber eine Art Autokino-Parteitag. Ohne Popcorn allerdings. Zumindest wird keines verteilt, aber es geht ja auch um sehr ernstzunehmende Formalien. Naja, und irgendwie dann doch auch um ein bisschen Spaß.

Erich Irlstorfer ist da, endlich hat er seine schlimme Corona-Infektion soweit überstanden, dass er wieder wieder arbeiten kann. Er spricht aus, was so mancher gedacht haben wird: "Ich bin wirklich sehr gerne hierher gekommen", sagt er lächelnd, "auch um zu sehen, welche Automarken Sie fahren." Die Anwesenden danken für die kleine Auflockerung mit Hupe und Lichthupe. Wie im Autokino.

Insgesamt 96 wahlberechtigte CSU-Kreisverbandsmitglieder finden sich an diesem Abend ein, selbstverständlich allesamt coronakonform mit Masken. Tatsächlich könnte man auch sagen: maskiert. Denn in der einbrechenden Dunkelheit sind die meisten Maskierten in ihren rollenden Wahlkabinen kaum noch zu erkennen. Bis auf den einen mit dicker Jacke im Cabrio. Die maskierten Helfer verteilen Wahlzettel, die werden im Auto ausgefüllt und danach kontaktlos wieder eingesammelt. Top organisiert, top maskiert.

Diese Veranstaltung ist so originell und ungewöhnlich, dass nicht nur CSU-Funktionäre der Bezirksebene nach Schrobenhausen gekommen sind, um sich hier etwas abzuschauen. Auch die beiden Kandidaten selbst lassen es sich am Ende einer harten Berlin-Woche nicht nehmen, in Schrobenhausen vorbeizuschauen: jener schon benannte Erich Irlstorfer, zuständig für den südlichen Bereich im geteilten Landkreis, und Reinhard Brandl, der den Norden vertritt. Wobei die meisten hier längst nicht mehr mit der Situation hadern, dass Neuburg-Schrobenhausen beim Zuschnitt der Bundeswahlkreise in zwei Bereiche zerhackt wurde. "Das führt ja dazu, dass der Kreis von gleich zwei Bundestagsabgeordneten vertreten wird", sagt Matthias Enghuber, selbst bekanntlich Landtagsabgeordneter, mit einem Augenzwinkern am Rande der Veranstaltung. Überhaupt ist er bestens aufgelegt, er spürt selbst, dass da etwas Besonderes geglückt ist.

Immer wieder leuchten die Lichthupen, wenn es an der Zeit für optischen Applaus ist. Den bekommen alle drei Redner, Organisator Enghuber und die beiden CSUler in Berlin für emotionale Grußworte. Denen merkt man an, was die Pandemie (und mutmaßlich auch die Raffgier-Querschläge der vergangenen Wochen) ihnen abverlangen. "Ich sage es ganz offen: Die Kontaktbeschränkungen gehen mir auch auf die Nerven", gibt Brandl unumwunden zu, aber es bleibe ja keine Wahl, aktuell gebe es keine Alternative, "um die Auswirkungen der Pandemie weitgehend abzufedern." Er sagt das auch mit Blick auf Erich Irlstorfer, der im gebotenen Abstand neben ihm steht, den das Virus erwischt hatte.

Tatsächlich war Irlstorfer über Monate außer Gefecht. Erst seit ein paar Tagen kann er wieder arbeiten. Wie froh und glücklich er ist, die Infektion nun soweit überstanden zu haben, ist ihm anzusehen, als er sich über die Lautsprecher an die Wähler wendet. Der Moment geht unter die Haut, auch bei den Delegierten in ihren Autos, die Irlstorfer an den geöffneten Seitenfenstern an den Lippen hängen. "Meine erste öffentliche Veranstaltung seit November" sei das, wie er sagt, und das fasst ihn auch an. Nun also ist er wieder da.

In einer Zeit allerdings, die für die Union nicht einfach ist. Er weiß das wohl, und spricht das auch aus: "Wir bekommen es immer wieder zu hören, dass manches nicht klappt", sagt der maskierte Mann, der seine Unbescholtenheitserklärung im Internet veröffentlicht hat, weil er sich offenkundig nichts vorzuwerfen hat. Er und Brandl haben sich ja auch den Ruf erarbeitet, Politiker aus Überzeugung zu sein. Und beide rufen dazu auf, sich nicht entmutigen zu lassen, begeistert für das Land weiterzuarbeiten und nach vorn zu schauen.

Die Wahl selbst, sie ist dann schnell vorbei. Gefühlt sicher. Das Ergebnis gibt es aber erst am Montag. Ein paar Erkenntnisse bleiben aber doch, auch bezüglich der scherzhaften Bemerkung von Erich Irlstorfer am Anfang. Die meisten CSUler fahren tatsächlich bevorzugt Autos aus Süddeutschland. Etliche waren vorher noch eben in der Waschanlage. Der E-Auto-Anteil liegt im Trend - er ist klein. Und doch gehen auch die angeblich so konservativen CSUler mit der Zeit: Keiner hat eine gehäkelte Klorolle auf der Heckablage. Die Bundestagswahl kann kommen.

SZ

Mathias Petry