Schrobenhausen
Weniger Lebensmittel und mehr Kunden: Schrobenhausener Tafel ist dringend auf Spenden angewiesen

Vorsitzende Verena Bartelmann: "Bis jetzt mussten wir niemanden abweisen"

25.10.2020 | Stand 23.09.2023, 15:00 Uhr
Fleißig sortieren die ehrenamtlichen Helfer die Lebensmittel für die Ausgabe in Schrobenhausen. −Foto: Ammer

Die Kunden sind mehr geworden, die Lebensmittel weniger: Auch die Schrobenhausener Tafel bekommt die Auswirkungen der Corona-Pandemie massiv zu spüren. Das Wichtigste für die ehrenamtlichen Helfer ist, dass sie nicht noch einmal vorübergehend schließen müssen. Denn in Zeiten wie diesen ist die Tafel wichtiger denn je. Und sie ist auf die Spendenbereitschaft der Menschen angewiesen.

Es ist Freitagnachmittag und ehrenamtliche Helfer der Tafel sind damit beschäftigt, die Lebensmittel, die die Fahrer abgeholt haben, auszusortieren und zu reinigen. Bananen, Karotten, Äpfel, Weintrauben, davon gibt es viel an diesem Tag. Selten sind hingegen Wurst oder Käse, denn viele Supermärkte dürfen diese Waren nicht mehr an die Tafel geben, wenn sie abgelaufen sind. Bis auf einen einzigen Supermarkt in Schrobenhausen bekommt die Tafel von allen Ware - allerdings ist es seit der Corona-Pandemie bedeutend weniger geworden, wie die Vorsitzende Verena Bartelmann erzählt. "Das ist drastisch zurückgegangen." Worauf sie das zurückführt? Es werde gezielter bestellt, es falle einfach nicht mehr so viel an, ist ihr Eindruck. Und das bei deutlich steigenden Kundenzahlen in der Tafel. "Wir hatten heuer schon Mitte des Jahres so viele wie letztes Jahr am Ende des Jahres", erzählt die Vorsitzende über die Abholzahlen. "Es ist eine Gratwanderung, dass jeder was kriegt." Manche Leute hätten teilweise 300 oder 400 Euro Rente im Monat, kein Wunder, dass sie kaum über die Runden kommen. Und mit Corona sind nun auch noch mehr Arbeitslosengeldempfänger dazugekommen, ebenso wie Familien und Einzelpersonen, denen ein 400-Euro-Job weggebrochen ist. "Bis jetzt mussten wir niemanden abweisen", ist Verena Bartelmann froh. Doch die Lage ist in Schrobenhausen wie bei allen anderen Tafeln schwierig.

Was vor allem fehlt, sind die haltbaren Lebensmittel, sprich Mehl, Zucker, Reis, Nudeln, H-Milch, wie die Vorsitzende erzählt. Diese Ware bekomme die Einrichtung eigentlich nur dann von Supermärkten, wenn Päckchen aufgerissen sind. Manchmal gibt es zweckgebundene Spenden, die sie für haltbare Lebensmittel aufwenden können, und natürlich einmal im Jahr die Rewe-Aktion mit den Fünf-Euro-Tüten, die in dieser Woche aktuell noch läuft. Wer die Tafel unterstützen möchte, kann so eine fertig gepackte Tüte für fünf Euro kaufen - oder wahlweise in einen bereitgestellten Einkaufswagen hinter der Kasse selbst ausgewählte Lebensmittel legen.

Verena Bartelmann und ihr Team hoffen, dass so noch das eine oder andere zusammenkommt. "Manche Tafeln haben schon Aufnahmestopp, aber wir halten uns noch mit Lebensmittelspenden über Wasser", erzählt sie. Das Publikum in der Tafel ist sehr gemischt, da sind Rentner, Asylbewerber, Alleinerziehende - und viele Kinder. Von den etwa 340 Kunden in Schrobenhausen sind tatsächlich rund 130 Kinder. In den sechs Jahren, in denen sie nun in der Tafel arbeitet, sagt die Vorsitzende, habe sich die Zahl der Personen, die kommen, um sich dort Lebensmittel abzuholen, etwa verdoppelt. Und es könnten noch deutlich mehr sein, denn viele Menschen würden nicht kommen, weil sie sich dafür schämen, obwohl sie die Unterstützung der Tafel nötig hätten. Andere haben das Problem, dass die Anbindung aus den Randgemeinden an Schrobenhausen schlecht ist - und es mangelt an Fahrern. Zum Teil würden die Menschen sogar zur Tafel trampen. "Es wäre gut, wenn es uns nicht geben müsste", sagt Verena Bartelmann. Doch sie weiß, dass daran gerade jetzt nicht zu denken ist. "Überall hakt es, an jedem Eck und an jedem Ende."

Freude bereitet ihr die Aufgabe trotzdem. Zu sehen, mit wie wenig man Menschen glücklich machen kann. Zum Beispiel, wenn ein Mädchen an seinem Geburtstag über ein Spiel strahlt, das es in der Tafel geschenkt bekommen hat. Oder auch einfach die Dankbarkeit vieler Menschen über eine Kiste mit Lebensmitteln. "Dann merkst du, es ist richtig, was du da machst." Und natürlich sind es auch die Stimmung und die gute Zusammenarbeit im Team, die Verena Bartelmann Freude bereiten. Da wird gerne gelacht, es gibt viel zu erzählen. Nicht nur dann, wenn ein Bauer gleich einen ganzen Bulldoganhänger voll mit Kürbissen bringt, sodass auch noch das Kinderheim und umliegende Tafeln von der orangefarbenen Flut profitieren. "Man erlebt immer wieder etwas Neues." 35 Ehrenamtliche arbeiten in der Schrobenhausener Einrichtung, allerdings sind momentan nicht alle im Einsatz, da einige selbst zur Corona-Risikogruppe gehören.

Aktuell dürfen auch nur zwei Abholer gleichzeitig die Räume der Tafel betreten, deswegen bilden sich draußen teils lange Schlangen. Es wird auf Mund- und Nasenschutz, Abstände und Desinfektion geachtet. "Das Wichtigste ist, den Betrieb aufrecht zu erhalten", weiß die Vorsitzende. Denn im Frühjahr musste die Tafel im allgemeinen Lockdown schon für zwei Monate schließen - und man habe Gutscheine an die Leute verteilt, damit sie sich Lebensmittel kaufen können. Dank vieler Spenden, gerade auch von Firmen, sei das möglich gewesen. Aber eine Lösung auf Dauer ist es nicht, dafür ist es einfach zu teuer. "Noch ein Lockdown wäre eine Katastrophe", ist Verena Bartelmann klar.

Die meisten Leute, die zur Tafel kommen, kennt sie, viele davon schon lange. Und man merkt, es ist ihr ein Herzensanliegen, da zu sein. Auch in Krisenzeiten nicht den Kopf einzuziehen. Denn sie weiß: "Es gibt immer neue Herausforderungen, aber man muss positiv in die Zukunft schauen."

SZ

Isabel Ammer