Schrobenhausen
Vom Shufflen-Lernen und dem Vermissen

Wie es ist während der Corona-Pandemie weit weg vom heimischen Malzhausen zu sein

15.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:10 Uhr
Elisa Herbig aus Malzhausen lebt inzwischen in Nordirland. Zu gerne wäre sie zu Ostern nach Hause gekommen - alles gestrichen, auch längst geplante Gegenbesuche. −Foto: privat

Schrobenhausen - Seit Januar 2019 lebt die 24-jährige Elisa Herbig, die in Augsburg Sprachwissenschaft (Anis) studiert hat, nun schon mit ihrem Freund in Belfast und arbeitet dort im Personalwesen als Recruiter.

 

Bislang kam sie auch regelmäßig zu Besuch nach Deutschland zurück, wie auch über Weihnachten vergangenen Jahres. Dass dieser Besuch aber vorerst ihr letzter sein würde, hatte sich zu dem Zeitpunkt wohl noch keiner ausmalen können.

Los ging es damit, dass gleich Anfang des Jahres ihre Dienstreise nach Singapur gestrichen wurde, erinnert sich Elisa Herbig zurück. "Da war Corona offiziell noch gar nicht einmal in Europa", erzählt sie. In den Lockdown ging es für Belfast relativ zeitgleich mit Bayern - zirka eine Woche später. "Viele Erasmus-Studenten sind noch vor dem Lockdown heimgeflogen", weiß sie. Da sie bislang aber noch wie vor Corona arbeiten kann - nur eben aus dem Homeoffice - entschieden sich ihr Freund und sie in Belfast zu bleiben. Denn auch ihr Freund, der im internationalen Vertrieb für Infrarotthermometer tätig ist, kann ganz normal aus der Wohnung in Belfast arbeiten.

Während der Ausgangssperre durfte man sich auch in Belfast mit niemanden treffen. Nur essenzielle Gänge in den Supermarkt oder zum Arzt waren erlaubt. "Auch Liquor Shops galten bei uns als essenziell", meint sie lachend. Das liegt aber daran, dass man im Supermarkt keinen Alkohol kaufen kann und es eben separate "Liquor Shops" dafür gibt.

Anfang Mai wurde für Nordirland ein fünfstufiger Plan vorgestellt, wie die Ausgangssperre langsam gelockert werden soll. Davon, in einem Restaurant zu essen oder zum Friseur zu gehen, kann Elisa Herbig bislang aber nur träumen. Derzeit befindet sich Belfast nämlich in Phase eins des Plans, sprich: Sie darf sich mit bis zu sechs Leuten, die nicht aus ihrem Haushalt stammen, treffen - wenn auch nur draußen.

"Als erstes haben die Gartencenter und Recyclinghöfe wieder aufgemacht", erinnert sie sich. Restaurants, Cafés, Pubs und so weiter bleiben, aber alle vorerst noch geschlossen. Essen kann aber über Take-away mitgenommen werden oder man lässt es sich ganz einfach direkt nach Hause liefern. "Viele Cafés haben während des Lockdowns umgebaut", erklärt sie, so dass sie mittlerweile auch Take-away anbieten können. Die Leute werden einfach kreativ: "Ein Pub macht zum Beispiel Guinness-Lieferungen", erzählt sie lachend. Sie hat diesen Service bisher zwar noch nicht in Anspruch genommen, aber in dem Auslieferungsauto gibt es dann einen Zapfhahn, so dass das Guinness frisch vor der Haustür gezapft werden kann.

Eine Maskenpflicht wie in Bayern gibt es aber bislang nicht - nur auf freiwilliger Basis. "80 Prozent haben keine Masken auf", schätzt Elisa Herbig. Manche hätten aber Handschuhe an.

Generell sei das Gesundheitssystem eher überfordert als Deutschland. "Während dem Lockdown gab es aber keine großen Unterschiede", meint sie. Darum hätte es nicht einen so großen Unterschied gemacht, ob sie währenddessen nun in Bayern oder in Belfast gewesen wäre.

Einen Unterschied zu Deutschland sieht sie aber dennoch. "Ich habe das Gefühl, dass mentale Gesundheit hier mehr gefördert wird", sagt sie. So, wie sie mitbekommen hat, haben sich viele Firmen in Nordirland zu Beginn des Lockdowns überlegt, wie sie ihre Mitarbeiter bestmöglich unterstützen können. Darum gibt es bei ihr in der Arbeit auch einen Personaltrainer, der dienstags via Video mit ihr und ihren Kollegen Yoga macht und donnerstags Workouts anbietet. "Die mentale und physische Gesundheit wird hier mehr verknüpft", ist sie sich sicher.

Generell macht auch sie seit der Corona-Pandemie mehr Sport als zuvor, erzählt Elisa Herbig. Ihre überschüssige Energie wird sie zum Beispiel beim Laufen los, oder sie macht sich mit YouTube Tutorials fit. "Ich mache jetzt fast jeden Tag Sport", sagt Elisa Herbig heute und erzählt dann, dass sie ihr Freund schon scherzhaft als sportverrückt bezeichnet. Auch eine Challenge hat sie sich während des Lockdowns gesetzt: Spagat lernen. "Das klappt aber noch nicht so gut", erzählt sie lachend. Außerdem habe sie mit dem Shufflen, einem Tanzstil zu elektronischer Musik, angefangen.

Das Schlimmste war vermutlich jedoch eines: Eigentlich wäre sie nämlich über Ostern nach Deutschland gereist, aber Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung. "Ich hatte auch lange noch Hoffnung, dass es bis dahin wieder gehen würde", erklärt sie wehmütig. Doch die Flüge wurden einfach gestrichen. Und selbst wenn das geklappt hätte, hätte sie in jedem Fall in Deutschland in eine zweiwöchige Quarantäne gemusst. Nach Hause kommen und dann während des ganzen Besuches niemanden sehen dürfen - das hätte nicht viel Sinn gemacht. "Ich wäre daheim auch ein Risiko für meine Familie gewesen", weiß sie. Deswegen war die Entscheidung, in ihrer momentanen Wahlheimat zu bleiben, einfach nur logisch.

Dadurch hat sie aber zum Beispiel den 50. Geburtstag ihrer Tante verpasst und ihr nur virtuell gratulieren können. "Dieser Anruf war schon sehr emotional", erinnert sie sich zurück. Auch ihr Papa wäre sie Ende Mai in Belfast besuchen gekommen, doch auch das musste erst mal ausfallen.

Der Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden wird trotzdem gehalten, nur eben jetzt auf andere Weise: "Es gibt jetzt mehr Videoanrufe", erzählt sie. "Jetzt haben alle mehr Zeit für sowas." Trotzdem sieht sie der Zukunft positiv entgegen und hofft, dass sie im August oder September ihre Liebsten in Deutschland wieder in die Arme schließen kann. Und vielleicht klappt es bis dahin ja auch noch mit dem Spagat.

SZ