Schrobenhausen
Ein Anruf gegen die Einsamkeit

Auch in Schrobenhausen gibt es ab Ostern Telefon-Engel - Seniorenbeirat startet neues Projekt

30.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:43 Uhr
Ab und zu mit jemandem reden, auch wenn es lediglich per Telefon ist, soll der möglichen Vereinsamung älterer alleinstehender Menschen vorbeugen. In Schrobenhausen legt der Seniorenbeirat jetzt das Projekt Telefon-Engel auf. −Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Schrobenhausen - Immer mehr ältere Menschen in Schrobenhausen werden zusehends einsamer. Nicht erst seit der Corona-Pandemie. Der Seniorenbeirat Schrobenhausen möchte etwas dagegen tun. Sogenannte Telefon-Engel - ehrenamtliche Helfer - sollen von Zeit zu Zeit alleinstehende ältere Menschen anrufen.

"Im Alter verliert man oft Freunde durch den Tod", beschreibt Christian Spreitzer den Gang des Lebens. Viele ältere Menschen seien nach dem Tod von Angehörigen oft alleine zu Hause. Auch die erwachsenen Kinder lebten in vielen Fällen möglicherweise weit weg von ihren verbliebenen Eltern. Die Konsequenz: Wenn sich alleinstehende Ältere nicht anderweitig engagieren, drohe die zunehmende Vereinsamung. Der Seniorenbeirat möchte laut seinem Vorsitzenden Spreitzer dafür sorgen, "dass der Tag nicht so langweilig werden soll".

Das Stichwort der Lösung heißt Telefon-Engel. Das sind laut Spreitzer ehrenamtliche, die regelmäßig ältere Menschen anrufen und mit ihnen Gespräche führen sollen. Im Seniorenbeirat haben sich bereits vier Freiwillige gefunden, sagt Spreitzer. Mehr dürften es aber gern noch werden, rührt der proSob-Kommunalpolitiker und ehemalige Stadtrat die Werbetrommel für das Projekt des Seniorenbeirates.

Eine der Mitinitiatorinnen des neuen Projektes ist Rieta Schenk, eine Schrobenhausener Seniorenbeirätin der ersten Stunde. Sie bestätigt, dass der Beirat schon lange vorhatte, ein Telefonprojekt auf die Beine zustellen, um vereinsamte ältere Menschen anzurufen. Doch die Umsetzung der Idee habe stets für neue Fallstricke gesorgt. Zuerst der Datenschutz. Dann die Sorge, dass es gegen das Projekt unter der Zielgruppe Vorbehalte geben könnte. Schließlich werde regelmäßig davor gewarnt, dass potenzielle Betrüger im Telefonnetz unterwegs sein könnten - Stichwort Enkeltrick.

Die Lösung aller Probleme tat sich für den Schrobenhausener Seniorenbeirat vor zwei Jahren auf. In München wurde der Verein Retla - der eigenwillig anmutende Name ergibt rückwärts gelesen das Wort Alter - gegründet. Der gemeinnützige Verein hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, "den Umgang mit älteren Menschen in unserer Gesellschaft" zu verändern.

Unter dem Dach des Vereins, dessen Schirmherren die bekannten Schauspieler Michaela May und Elmar Wepper sind, haben sich bereits mehr als 300 Freiwillige als sogenannte Telefon-Engel registriert. Darunter auch die vier Schrobenhausener aus den Reihen des Seniorenbeirates. Der gehört übrigens inzwischen selber als Mitglied dem Verein Retla an, wie Spreitzer bemerkt.

Für Rieta Schenk ist es keine Frage, dass es sich um ein gutes Projekt handelt. Sie selber habe im persönlichen Umfeld erlebt, wie schwierig es sei, in Corona-Zeiten soziale Kontakte zu pflegen. Da tue ein Telefonat zwischendurch schon gut. Dabei komme es nicht darauf an, so eine Art Telefonseelsorge zu leisten. Dafür seien die Telefon-Engel nicht gedacht. Vielmehr wollten die Engel mit anderen älteren Menschen über alles Mögliche reden. Darüber, was die einsamen Menschen eben bewege, wo es vielleicht auch ganz alltägliche Probleme gebe. "Ich bin gerne bereit, einige Zeit zu opfern", sagt eine Schrobenhausenerin, die sich mit ihren 71 Jahren auch als Telefon-Engel engagiert, aber ihren Namen nicht in der Zeitung veröffentlicht sehen möchte, "um Gespräche zu führen." Etwa eine bis zwei Stunden pro Woche könne sie für den guten Dienst gerne erübrigen, sagt die Seniorin im Gespräch. Und für Rieta Schenk ist auch wichtig, "dass die Chemie stimmt" zwischen dem Telefon-Engel und dem jeweiligen Angerufenen.

Da wiederum helfe Retla, ist sich Schenk sicher. Zum einen können sich bei dem Verein die interessierten möglichen Telefon-Engel direkt melden. Auch die Menschen, die gerne einen Anruf bekommen möchten, könnten sich bei dem Verein melden. Natürlich können sich einsame Ältere auch an den Seniorenbeirat direkt wenden, entweder per E-Mail an seniorenbeirat-sob@web.de oder mit einer kurzen Notiz, die den vollständigen Namen und die Telefonnummer beinhalten sollte, im Briefkasten des Beirates im ehemaligen Eikam-Haus in der Lenbachstraße.

Auch potenzielle Telefon-Engel können sich über den Seniorenbeirat melden. Noch lieber wäre es dem Seniorenbeirat, wenn sie sich direkt bei Retla melden, per E-Mail an info@retla.org oder unter der Telefonnummer (089) 18910026 (täglich zwischen 8 und 22 Uhr). Der Verein bringe dann die Engel und ihre jeweiligen Schützlinge nach Postleitzahlbereichen zusammen. Schenk und Spreitzer hoffen aber auch darauf, dass in und um Schrobenhausen Hilfsorganisation wie das BRK, die Caritas, die Malteser, Hausärzte, Pfarreien oder die Tafeln, die einsame Menschen kennen könnten, unter denen eventuell ein wenig die Werbetrommel für den Seniorenbeirat und die Telefon-Engel rühren würden. Dazu, so Spreitzer, werde der Seniorenbeirat in den nächsten Tagen Flyer des Vereins Retla verteilen.

"Wir können ab sofort starten", sagt Rieta Schenk mit der ihr eigenen tatkräftigen Ungeduld in der Stimme. Ganz offiziell möchte der Seniorenbeirat Ostern den Startschuss für sein neues Projekt geben.

SZ

Jürgen Spindler