Schrobenhausen
Barfuß durch das Gras weckt Emotionen

Rollrasen für Stadien, Böschungen und Privatgärten aus dem Schrobenhausener Land

15.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:34 Uhr
Bei der Ernte muss die Temperatur stimmen, deshalb wird bei großer Hitze nachts geerntet: Wenn der Rasen auf der Oberfläche 70°C hat, dann hält er vielleicht 2 Stunden, sonst entsteht Silage. Bei 10°C hält er dagegen 14 Stunden. Ob Austausch von Rasenflächen wie hier im Fußballstadion, auf dem Golfplatz oder im privaten Garten - das Unternehmen baut nicht nur an, sondern verlegt auch. −Foto: Budke

Haid am Rain - Die Anbauflächen der Schwab Rollrasen GmbH in Haid am Rain kennt jeder, der in der Region unterwegs ist. Aber auch am Geschäft mit dem Rasen geht die Corona-Krise nicht spurlos vorbei: Statt aus großen Sportclubs kommen die Aufträge derzeit stärker aus dem Privatbereich. Auf 280 Hektar Fläche produzieren die Brüder Günther und Walter Schwab Rollrasen. Standorte der Firma liegen in Waidhofen, in Karlskron und seit einem Jahr in Pörnbach.

"Wir verkaufen heuer nicht weniger Rasen, aber uns fehlt ein wenig die Liquidität von den großen Baustellen", sagt Günther Schwab, der sich im Unternehmen um den Vertrieb kümmert, während Bruder Walter für die Produktion zuständig ist. Beide sind vom Fach: Walter hat Landschaftsbau gelernt und den Landwirtschaftsmeister gemacht, während Günther ebenfalls zunächst Landschaftsbau gelernt, dann Landschaftsarchitektur studiert und ein Wirtschaftsstudium darauf gesetzt hat.

Das Jahr werde nicht schlecht, nur anders, meint Günther Schwab: "Früher hatte man eine Viertelmillion auf der Bank, um Rechnungen zu bezahlen, jetzt muss man erst PayPal abräumen und auf die Kreditkartenabrechnungen warten." Grund ist, dass die Aufträge heuer vor allem aus dem Privatbereich kommen: "Das ist sicher ein Corona-Effekt", vermutet er, da viele Menschen anscheinend die Zeit zu Hause genutzt haben, um ihre Gärten auf Vordermann zu bringen.

Ein großer Teil des angebauten Rasens geht heuer an den Hobbygärtner - mit und ohne Verlegen. Dazu bestellt der Kunde online den passenden Dünger, der im Standort in Pörnbach verpackt und verschickt wird. "Meine Mitarbeiter haben schon gesagt, sie würden jetzt gern mal wieder auf eine große Baustelle zum Verlegen fahren", weiß der Chef.

In diesem Jahr wurde bisher nur ein Sportplatzprojekt abgeschlossen, ein zweites läuft gerade: "Letztes Jahr hatten wir 16 Sportplätze um diese Zeit." Der Rollrasen geht auf den europäischen Markt, dabei sind Fußballstadien ein wichtiges Thema.

Auf die Frage nach dem namhaftesten Abnehmer sagt Günther Schwab: "Ach, wir haben schon so ziemlich für jeden Fußballclub in Europa gearbeitet von Sparta Prag, Juventus Turin, FC Bayern, Berlin, Leverkusen. Es ist zwar immer ein Kampf, aber eigentlich gibt es keinen, den wir noch nicht gemacht haben."

Von den Ländern her ist der größte Abnehmer die Schweiz. Schwab scherzt gut gelaunt: "Manchmal denke ich, wir haben in der Schweiz schon so viel ausgelegt, da dürften eigentlich nur noch die Bergspitzen oben rausschauen."

Unter den Kunden finden sich russische Oligarchen oder Golf-Clubs, vor allem bei Ausbesserungen oder Veränderungen sei der Rollrasen gefragt: "Wenn zum Beispiel mal ein Abschlag verlegt wird." Auf dem Crans-Montana-Hochplateau etwa ist die besondere Herausforderung, dass dies im Sommer Golfregion und im Winter Skigebiet ist und der Zeitraum, etwas zu verändern, relativ kurz. Im April oder Mai habe man mit der Maßnahme begonnen, im Juli war die Fläche bespielbar: "Das war für uns ein ganz toller Auftritt in diesem Golfclub", weiß Schwab, "auf 1600, 1700 Metern - recht viel schöner gibt es das gar nicht in der Schweiz."

Aber auch vor der eigenen Haustür ist der Rollrasen gefragt: "150000 Quadratmeter pro Jahr werden nur nach München geliefert. Da denkt man: Gibt es da noch Straßen oder ist alles schon grün?", fragt Günther Schwab lachend. Dem Hobbygärtner empfiehlt der Rasenprofi ein sehr einfaches Rezept: "Das, was man sonst über Rasenpflege liest, kann man getrost vergessen - das stimmt alles nicht."

Tatsächlich benötige Rasen viermal im Jahr Dünger, ab und zu Wasser, wenn es heiß ist und regelmäßiges Mähen. "Sonst braucht der nix", sagt Schwab ganz locker, "kein Vertikutieren, kein Wässern zu bestimmten Uhrzeiten." Statt am Morgen oder am Abend den Rasensprenger anzuschalten, meint Schwab: "In der Mittagshitze ist das fast besser, weil der Rasen vom Abfrischen profitiert."

60 verschiedene Sorten Rollrasen hat Schwab inzwischen im Programm, die für ganz unterschiedliche Ansprüche entwickelt wurden: spezielle Hitze- oder Halbschattenmischungen, ein Duftrasen mit ätherischen Ölen oder der erste Wildblumenrasen, der nur zweimal im Jahr gemäht werden muss.

Wie entstehen denn neue Sorten? Günther Schwab erzählt als Beispiel über den Albrecht-Dürer-Rasen: "Das war ein Auftrag der Stadt Nürnberg, die im Dürerjahr für die Bundesgartenschau in München eine Wiese gestaltet hat." Dazu wurde das berühmte Aquarell "Das große Rasenstück" des Malers daraufhin analysiert, was für Gräser und Kräuter abgebildet sind. Daraus wurde eine Saatgutmischung hergestellt. "Die haben wir bekommen, um es als Rollrasen für die Bundesgartenschau zu produzieren", sagt Schwab und ergänzt: "Der Dürer-Rasen sieht aus wie auf dem Gemälde - das hat uns so gut gefallen, denn es ist so natürlich, und vielfältig." Und das ist etwas für die freie Landschaft, aber auch für Leute, die nicht mähen wollen, denn "das Gras wird hüfthoch, eine richtige Heuwiese und die mäht der Gärtner dann zweimal im Jahr ab."

Von der Wildblumenwiese bis zum Golfgrün - für alles, was dazwischen ist, gibt es einen Liebhaber und einen Nutzen, weiß Günther Schwab. Deswegen ist die Vielfalt entstanden. Neben Privatgärten, Fußballarenen und Golfanlagen findet man den Rollrasen auf den verschiedensten Böschungen: Uferböschungen, Hochwasserdämme, Autobahnböschungen, Schießplätze. Dort stabilisiert der Rollrasen und schützt davor, dass die Böschung etwa bei Starkregen abrutscht.

Seit der Firmengründung 1969 hat das Unternehmen umfassend Erfahrungen gesammelt. "Der Ausschlag beim Anbau ist die Düngung", ist Günther Schab überzeugt und der Boden muss pfleglich behandelt werden: "Man braucht eine Zwischenfrucht, damit der Boden nicht ermüdet. Da nehmen wir eine Mischung aus Gründüngungspflanzung wie Luzerne, Sonnenblume, Senf und Ölrettich." Die überwiegend gepachteten Flächen - nur circa 20 Hektar Rasen entstehen auf eigenem Grund - profitieren: "Wir machen Verträge über 10 Jahre, danach geben wir das Land besser zurück als wir es bekommen haben."

Anderthalb Jahre dauert es, bis der Rasen fertig ist, dabei muss "man immer im Auge haben, dass sich kein Unkraut auf der Fläche vermehrt, denn Klee im Gras will der Kunde nicht." Aber manchmal kommen unterschiedliche Sorten sogar vom gleichen Feld, weil sich auf dem einen Ende mehr die Gräser, auf dem anderen Ende mehr die Kräuter durchgesetzt haben.

Günther Schwab ist begeistert von den Produkten, das hört man ihm an, wenn er über die vielen Sorten und Besonderheiten von der Ansaat, der Ernte oder der Entwicklung neuer Mischungen erzählt. Dabei geht es auch um Ökologie: "Im Grunde macht der Rasen das gleiche wie eine biologische Kläranlage. Keine Pflanze auf dieser Welt hat so ein dichtes Wurzelwerk und so viel Assimilationsfläche pro Quadratmeter. 250 Quadratmeter Rasenfläche produziert so viel Sauerstoff wie 5 Hektar Mischwald oder 10 Hektar Nadelwald."

Diese Umweltleistung ist in der Stadt spürbar, weiß Schwab: "Wenn man am Tag über eine Grünfläche geht - wie sich die Temperatur und das Klima verändert im Vergleich zum Asphalt nebenan oder der Häuserfassade." Da sind Gefühle im Spiel, das kann der Unternehmensinhaber nicht verleugnen: "Ich fahre mit dem Kunden zum Rollrasenfeld in Haid am Rain", erzählt Günther Schwab, "und sage: Ziehen sie die Schuhe aus, spazieren sie barfuß über den Rasen und finden heraus, wofür ihr Herz schlägt - im Endeffekt ist es die Emotion, die den Ausschlag gibt."

SZ