Angstfrei im OP-Saal

Videobrille sorgt für Entspannung und beste Unterhaltung während operativer Eingriffe und reduziert den Medikamenteneinsatz

15.11.2020 | Stand 02.12.2020, 10:09 Uhr
Markus Schmola, Chefarzt der Anästhesie, legt einer Patientin vor der Operation die Videobrille an. −Foto: Kreiskrankenhaus

Schrobenhausen - Patienten am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen können sich ab sofort während der Operation mit einer Videobrille ablenken. Wie die Klinik mitteilt, hätten Studien die entspannenden Effekte auf den Nutzer bei Eingriffen mit Teilnarkose verdeutlicht. Schmerzmedikation könne dadurch reduziert werden.

Morgens, 10 Uhr, im OP-Saal: Markus Schmola, Chefarzt der Anästhesie am Kreiskrankenhaus, betritt den Raum. Ganz in Grün gekleidet, mit Kopfbedeckung und Mundschutz wirkt er, wie auch die anwesenden OP-Schwestern, ruhig und gelassen. Für ihn ist der heutige Eingriff Routine; für seine Patientin jedoch nicht. Bei ihr werden Krampfadern operativ behandelt. Dafür wird lediglich eine örtliche Betäubung benötigt. "Bei einer Operation mit Teilanästhesie bekommen es viele Menschen mit der Angst zu tun", erklärt der Mediziner, "die vielen unbekannten optischen und akustischen Eindrücke während des Eingriffs sind oft Grund für Stress bei den Patienten."

Um in diesen Situationen Abhilfe zu leisten, hat man sich im Kreiskrankenhaus dazu entschieden, eine spezielle Videobrille für die Betroffenen bereitzustellen. Neben der Brille selbst gehört auch ein ergonomisch angepasster Surround-Kopfhörer zum kostenlosen Angebot. Die Idee ist einfach: Durch die Videobrille sollen Patienten, die für ihre Operation eine Teilnarkose erhalten, abgelenkt werden. Dabei können die Betroffenen ihr Programm selbst im Rahmen der OP-Vorbereitung wählen. Das Programmangebot ist groß: Neben Filmklassikern und Reisedokumentationen kann man auch Natur- und Entspannungsinhalte wählen. Für jeden Geschmack und jede Altersgruppe ist etwas dabei.

"Viele unserer Patienten möchten nicht genau wissen, was während der OP geschieht. Wenn sich aber erst einmal die Angst ausgebreitet hat, hatten wir in der Vergangenheit keine andere Wahl, als ein Beruhigungsmittel zu verabreichen", sagt Schmola. Doch die Medikamente hätten einen Nachteil: Die Nebenwirkungen stünden nicht immer im Verhältnis zum Eingriff. Verwirrtheit und Desorientierung könnten nach dem Aufwachen die Folge sein. Deshalb setzt die Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses auf beste Unterhaltung statt Beruhigungspräparate. Ein deutlich reduzierter Stresslevel und somit ein verminderter Einsatz von Medikamenten sind nach Schmolas Worten das Ergebnis: "So unterstützen wir den Patienten dabei, seine Operation angstfrei zu überstehen, ohne dabei auf Beruhigungsmittel zurückgreifen zu müssen."

Als zertifiziertes Medizinprodukt erfülle die Videobrille alle Anforderung für den Einsatz im OP-Saal. Erst seit rund drei Wochen sei die Brille nun im Einsatz, erfreue sich aber bereits großer Beliebtheit. "Das Videosystem bietet den Patienten nicht nur Ablenkung, sondern auch Unterhalten", erläutert der Chefarzt: "Die ersten Erfahrungen zeigen, dass unsere Patienten das Angebot gerne in Anspruch nehmen. Nach dem Eingriff erfassen wir deren Eindrücke und Meinungen mittels eines Fragebogens. Die bisherigen Rückmeldungen sind sehr positiv."

Auch beim künstlichen Gelenkersatz spiele die Videobrille eine tragende Rolle. Bei betagten Patienten könne eine Vollnarkose zu Nebenwirkungen wie Desorientierung und Verwirrtheit führen, dem sogenannten Delir. "Eine Vollnarkose will man so weit wie möglich vermeiden, um die Erholungszeit nach dem Eingriff zu verkürzen", sagt Schmola. "Besonders beim Gelenksersatz ist es wichtig, dass der Patient möglichst schnell wieder mobil wird." Hier biete die Videobrille eine gute Alternative. Stresslevel würden so reduziert und der Patient bekomme nur die Medikamente, die er tatsächlich brauche. "Grundsätzlich ist das Unterhaltungssystem aber bei allen Eingriffen mit örtlicher Betäubung einsetzbar. Bei Operationen mit vielen unangenehmen Nebengeräuschen sind die Patienten besonders gut durch den Einsatz der Kopfhörer abgelenkt", erläutert der Mediziner. Er erhofft sich von dem Einsatz des Videosystems einen langfristigen Rückgang beim Bedarf an Beruhigungsmedikamenten sowie eine entspannte und positive Erfahrung für seine Patienten.

SZ