UNTERM STRICH
Alles schon da gewesen

Im Goachat wiederholt sich gerade Geschichte

05.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:16 Uhr

Die Proteste nehmen an Fahrt auf.

Die Initiative "Rettet das Goachat" gibt Gas und stellt dem geplanten Neubau der Kreisstraße ND32 durch die Paarauen im Südwesten Schrobenhausens, den der Stadtrat beschlossen hat, etwas entgegen. Auch an diesem Samstag wieder, Treffpunkt zum nächsten Spaziergang ist um 14 Uhr an der Paarbrücke am Ende des Hans-Sachs-Weges bei Drei Linden.

Eine Frage ist in den vergangenen Tagen wiederholt aufgekommen: Warum gerade jetzt? Die Antwort: Weil das Planfeststellungsverfahren, das über Wohl und Wehe des angedachten Straßenneubaus entscheidet, gerade in der Phase angekommen ist, in der die Bürger ihre Bedenken geltend machen können und auch sollen. Und sowohl die Stadtverwaltung als auch das politische Schrobenhausen haben es wieder einmal verpasst, diesen Prozess zu moderieren.

Denn genau dieselbe Situation gab es im Spätherbst 2014 schon einmal - auf der anderen Seite der Stadt, als das Planfeststellungsverfahren für die geplante Umgehungsstraße im Nordosten am selben Punkt angelangt war: Plötzlich waren die Gegner die Meinungsführer, sie bauten Gerüste auf, um die Dimensionen der geplanten Trasse darzustellen, und von denjenigen, die sich eine Umgehungsstraße wünschen, war weit und breit nichts zu hören.

Es gibt nämlich sehr wohl beide Seiten, und bei den Umgehungsstraßen für Schrobenhausen ist es ein bisschen so wie beim Brexit - bei allen Befragungen der vergangenen Jahrzehnte lag die Zahl der Befürworter in etwa gleich auf mit der Zahl der Gegner. In dieser Frage gibt es ganz einfach keinen Konsens, und damit auch kein Falsch oder Richtig.

Was es gibt, ist das Gefühl, der einen, die denken, dass eine Umgehungsstraße Schrobenhausen hilft (zum Beispiel, weil man Lkw-Durchgangsverkehr aus der Stadt leiten kann oder auch eine Alternative bei der Sanierung der Paar-Brücken hat), und das Gefühl der anderen, die denken, dass Schrobenhausen keine Umgehungsstraße braucht (zum Beispiel, weil sie davon ausgehen, dass der Individualverkehr in Zukunft eh weniger wird und weil der Schutz der Paarauen als Naherholungsgebiet hohe Priorität haben muss). Aber Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, und da werden Entscheidungen nicht vom Volk, sondern von Abgeordneten getroffen. Und die Abgeordneten, die 2014 in Schrobenhausen in den Stadtrat gewählt worden sind, haben an jenem 23. Februar 2016 mit 14:10-Stimmen den Bau der Südwesttangente auf den Weg gebracht. Nicht zum ersten, sondern schon zum fünften Mal, und auch das gehört zur Demokratie, dass nicht jeder Beschluss am Ende auch realisiert wird.

Jedenfalls tragen die politischen Kräfte, die die Straße wollen, gerade sehr wohl ihren Teil dazu bei, dass auch dieser fünfte Anlauf im Sande verläuft. Vor fünf Jahren entglitt der Stadt die Diskussion bei der Nordostumfahrung, weil sie den Prozess nicht moderierte. Und genau dasselbe passiert jetzt wieder. Während sich diejenigen, die das Goachat retten wollen, zusammentun, um ihre Argumente öffentlich darzustellen, tun diejenigen, die eine Umgehungsstraße wollen, nichts. Sie veranstalten keine Podiumsdiskussionen, sie organisieren keine Ortstermine. Kurz: Sie haben den Straßengegnern längst die Meinungshoheit überlassen. Was die Straßengegner freuen wird.

Womit deutlich wird: Die politisch Verantwortlichen der Stadt haben mal wieder aus der Geschichte nichts gelernt und sind mit Vollgas in genau dasselbe Dilemma hineingestürmt wie vor fünf Jahren. Dabei wurde auch die Chance verpasst auf einen Aspekt, der in der ganzen Debatte womöglich gar nicht uninteressant ist, aufmerksam zu machen.

Einer der städtischen Berater hatte nämlich schon vor Jahren auf Folgendes hingewiesen: Wenn die Stadt es tatsächlich bis zum Baurecht schaffen würde und ein Bagger eine einzige Schaufel aushebt, dann gilt die Baustelle juristisch als begonnen - und dieses Baurecht bleibt auf Jahrzehnte bestehen, auch wenn die Straße jetzt gar nicht am Stück zu Ende gebaut wird. Aber den nachfolgenden Generationen würde man eine Tür offen halten, falls der Individualverkehr am Ende doch bis 2050 oder 2060 nicht weniger geworden sein sollte. Denn eins ist klar: Neue Straßen zu bauen, wird ziemlich sicher immer noch schwieriger.

Mathias Petry