Ein halbes Jahrhundert lang lagerten sie unentdeckt auf dem Dachboden eines Hauses im Münchner Stadtteil Pasing: Über 600 kunsthandwerklich hochwertige Tierfiguren aus Bast. Auf einem Flohmarkt kauften zwei Augsburger ein Tierchen aus dem gleichen Fundus – und begaben sich auf die Spur der Kunstwerke. So lautet die Vorgeschichte einer Ausstellung im Augsburger Textil- und Industriemuseum (Tim), die nun bis Oktober verlängert wurde.
Eigentlich sollte Ende Juli Schluss sein. Doch die „Tiere im Tim“, so der Titel der Schau, erfreuen noch immer die Besucherinnen und Besucher, sagt Museumsdirektor Karl Borromäus Murr:. Die Nachfahren der Künstlerin Else Stadler-Jacobs seien mit der Idee einer Verlängerung sofort einverstanden gewesen. „Klein oder Groß: die Menschen sind völlig begeistert von den grandiosen Tierfiguren und deren spannender Geschichte“, so Murr. Aus diesem Grund habe sich das Museum für eine Laufzeitverlängerung der Ausstellung bis zum 6. Oktober entschieden.
Ab 1927 stellte Else Stadler-Jacobs die Tiere her
Die Bast-Tiere stammen aus dem Nachlass von Else Stadler-Jacobs, die ab 1927 zahlreiche der Tiere als Dekorationsobjekte herstellte und bis in die 1970er unter dem Namen Bastowerkstatt weltweit verkaufte. Im Laufe der Jahre gestaltete Else Stadler-Jacobs über 100 Tierarten aus farbigem Bast in unterschiedlichsten Größen – vom zwei Zentimeter kleinen Küken bis zur zwei Meter hohen Urwald-Szenerie.
Die Bastowerkstatt befand sich einst im Pähler Ortsteil Aidenried am Ammersee. Von dort aus gingen die filigranen Geschöpfe der Unternehmerin in die ganze Welt. Die 1899 geborene Else Stadler-Jacobs stammte aus einer Pasinger Künstlerfamilie und studierte an der Kunstgewerbeschule in München. Für die angehende Künstlerin spielten Tiere als Motiv von Beginn an eine zentrale Rolle. Ihre Tierdarstellungen zierten Stoffe und Kissenbezüge und sie entwarf textiles Spielzeug, das sie als freie Kunstgewerblerin auf Messen verkaufte. Als sie 1927 erstmals mit Bast als Werkstoff Tiere zu Dekorationszwecken gestaltete, war die Nachfrage groß. Bereits 1930 war ihr Auftragsbuch mit Bestellungen aus Europa und den USA so gut gefüllt, dass sie sich ausschließlich auf ihre Bastowerkstatt konzentrierte.
50 Mitarbeiterinnen in den 1950er Jahren
Um Basttiere in größerer Anzahl manuell herstellen zu können, beschäftigte Else Stadler-Jacobs Heimarbeiterinnen. Besonders in der Nachkriegszeit stellte das Kunsthandwerk für viele Frauen eine willkommene Erwerbsmöglichkeit dar. Mitte der 1950er Jahre arbeiteten unter ihrer Anleitung mehr als 50 Mitarbeiterinnen für die Bastowerkstatt. Als Else Stadler-Jacobs mit 73 Jahren die Produktion altersbedingt einstellte, fand sich keine Nachfolge für ihr Lebenswerk. Anfang der 1970er Jahre löste sie daher die Bastowerkstatt auf. 1997 verstarb die Künstlerin. Ihre Kunstwerke lagerten Jahrzehnte lang in Kisten auf dem Dachboden.
600 Exemplare – Tiger, Bären, Vögel, Käfer, Krokodile, Pinguine und vieles mehr – zeigt die Ausstellung im Tim. Der Eintritt zu "Tiere im tim" ist im Ticketpreis der Dauerausstellung enthalten, regulär kostet der Eintritt 5 Euro, ermäßigt 4 Euro, sonntags einen Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben immer freien Eintritt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr.
jaf
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