Süchtigentreff Oberhausen
Augsburger Stadtregierung setzt umstrittenen Standort durch

26.07.2024 |

Neuer Standort: In das ehemalige Pfarrzentrum St. Johannes zieht nun die Süchtigeneinrichtung „BeTreff“, die sich bislang am Helmut-Haller-Platz befindet und inzwischen zu klein für die vielen Drogensüchtigen des Oberhauser Bahnhofs geworden ist. Foto: Max Tauch

Die Einrichtung für Suchtkranke im Augsburger Stadtteil Oberhausen soll künftig im ehemaligen Pfarrzentrum St. Johannes unterkommen. Die Mehrheit des Stadtrats hat nach langen Auseinandersetzungen für den neuen Standort nahe der Wertachbrücke gestimmt. Dorthin wird nun der „BeTreff“ umziehen, der sich bisher am Oberhauser Bahnhof befindet und dringend mehr Raum benötigt.

„Vielleicht würde ich, wenn ich in der Nähe wohnen würde, auch bei Ihnen sitzen“, räumt, gewandt an die Zuschauerbank, Augsburgs Sozialreferent Martin Schenkelberg ein. Anwohner aus Oberhausen, die seit Monaten gegen den Standort protestieren, verfolgen die Sitzung des Augsburger Stadtrats. Als Grünen-Stadtrat Stefan Wagner sagt, er habe bis auf „wir wollen das hier nicht“ nichts aus Oberhausen gehört, geht ein Raunen durch den Sitzungssaal. Auch höhnisches Lachen ist zu hören, denn die Aktionsgemeinschaft Oberhausen hatte durchaus alternative Standorte vorgeschlagen. Mögliche andere Räumlichkeiten nannten in den vergangenen Wochen und Monaten zudem Fraktionen der Opposition im Stadtrat.

Knapp 20 Standorte seien geprüft worden, sagt der städtische Ordnungsreferent Frank Pintsch. St. Johannes sei das einzige Gebäude, dass zum einen den Anforderungen entspreche und zum anderen unmittelbar zur Verfügung stehe. Pintsch, Schenkelberg und Gesundheitsreferent Reiner Erben haben – den „BeTreff“-Umzug begleitend – ein 20-Punkte-Konzept entwickelt, das die Sicherheit und Sauberkeit im Umfeld verbessern soll.

Das Konzept und die Weiterentwicklung der Drogenhilfe finden im Stadtrat auch bei vielen Stadträten der Opposition Zuspruch, der Standort St. Johannes hingegen erfährt deutliche Kritik. Beispielsweise betont Florian Freund, Fraktionsvorsitzender der SPD, die Gefahr, dass „wir künftig zwei Hotspots haben, einen am Oberhauser Bahnhof und einen weiteren vorne an der Wertachbrücke.“

„Überall gibt es Anwohner, Schulen, Kindergärten“

Der Helmut-Haller-Platz am Stadtteilbahnhof ist seit langem ein Treffpunkt für Alkoholiker und Drogenabhängige in Augsburg. Vor einigen Jahren wurde der „BeTreff“ eingerichtet, der die suchtkranken Menschen täglich versorgt.

Stadtrat Peter Hummel (Freie Wähler) rechnet vor, dass es 2023 zu insgesamt 560 Notfalleinsätzen am Helmut-Haller-Platz kam. Am neuen Standort an der Donauwörther Straße sei aufgrund des vielen Verkehrs und des schmalen Gehwegs zu wenig Platz für regelmäßige Rettungseinsätze. Pintsch argumentiert, dass es in einer betreuten Einrichtung bei weitem nicht so viele Einsätze geben werde, wie am Oberhauser Bahnhof.

„St. Johannes ist nicht der beste, aber ist auch nicht der schlechteste Standort“, sagt Thomas Lidel, CSU-Stadtrat aus Oberhausen. „Egal, wo man hingeht, überall gibt es Anwohner, gibt es Schulen, gibt es Kindergärten.“

Acht Stadträte stimmen gegen den Standort

Stadtrat Roland Wegner von der V-Partei stellt schließlich einen Antrag, die Vertreter der Aktionsgemeinschaft Oberhausen im Stadtrat zu Wort kommen zu lassen. Die schwarz-grüne Mehrheit lehnt dies ab. Es seien bereits „alle Argumente ausgetauscht“, sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Leo Dietz.

Nach über zwei Stunden Debatte, einer Unterbrechung, internen Besprechungen, fraktionsübergreifenden Gesprächen und Anpassungen der Beschlussvorlage steht letztendlich die Entscheidung. Pintsch versichert zuvor, die möglichen, später zur Verfügung stehenden Alternativen – das Gebäude der Polizeiinspektion, deren Umzug mittelfristig ansteht, das Harlekin-Casino und das Haus in der Ulmer Straße 57 – „im Blick zu behalten“. Zudem wird es für St. Johannes eine dreijährige Evaluationsphase geben. Der Standort der Einrichtung, so zumindest die Botschaft, könne in Zukunft erneut wechseln. Gegen acht Stimmen votiert eine große Mehrheit des Stadtrats am Ende für St. Johannes als künftigen Ort des Süchtigentreffs.

Die Stadt will sich zudem weiter für Drogenkonsumräume einsetzen, die in Bayern anders als in einigen anderen Bundesländern nicht erlaubt sind.

AZ

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