Pfaffenhofen
"Nervlich am Ende"

Reisebüros wünschen sich klare Regeln für Fernreisen - Heimatnaher Urlaub bei Landkreis-Bürgern im Trend

13.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:53 Uhr
Familie Göthel bevorzugt heimatnahen Urlaub - in Zeiten von Corona mehr denn je. −Foto: privat

Pfaffenhofen - Auch wenn in Deutschland allmählich wieder Freizeitaktivitäten möglich werden, ist die Tourismusbranche weiterhin schwer gebeutelt. Die Reisewarnung wurde am 15. Juni zwar für 29 europäische Staaten aufgehoben beziehungsweise in differenzierte Reisehinweise überführt - doch für den Rest der Welt gilt die Reisewarnung weiterhin.

 

Dementsprechend sind die Bürger im Landkreis in Sachen Reiseplanung sehr verhalten, wie Andrea Brückner, geschäftsführende Gesellschafterin des Reisestudios Tui Travel Star Sun in Wolnzach bestätigt: "Aktuell haben wir praktisch keine Neuplanungen, lediglich Umbuchungen. Die Leute wollen schon in Urlaub fahren, sind aber einfach verunsichert." Manche seien sehr vorsichtig, hätten viele Fragen und würden sich nach einem Poolplan im Hotel erkundigen, andere wiederum machten keinen Unterschied zwischen dem Urlaubsland und Deutschland. Viele Kunden möchten aber derzeit nicht mit dem Flugzeug reisen, sondern bevorzugen die individuelle Anreise mit dem Auto. Beliebte Reiseziele sind daher bei Tui in Wolnzach die Nord- und die Ostsee, der Bayerischer Wald, Österreich, Italien und Kroatien oder auch die Mecklenburgische Seenplatte und die Mittelgebirge. "Wir merken bei den Kunden die Verunsicherung. Viele fragen sich in Bezug auf Flugreisen einfach: Was passiert im Falle einer Corona-Infektion", berichtet Andrea Brückner - und hat dafür vollstes Verständnis. In ihren Augen müssten die Reisenden die Gewissheit haben, dass sie trotz Krankheit nach Hause geflogen werden würden. "Das würde den Kunden viele Ängste nehmen." Wie die Reiseveranstalter das umsetzen können, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Problematisch ist aus Brückners Sicht auch die dürftige Informationslage. "Es gibt derzeit keine klare Kommunikation zur Situation in den Zielgebieten", moniert sie. "Wüssten die Leute mehr Bescheid, wären weniger Vorbehalte da." Von der Reisewarnung sind nach wie vor beliebte Reiseländer betroffen, die kaum Infektionen hatten beziehungsweise die Situation gut im Griff haben, wie zum Beispiel Mauritius und die Seychellen oder auch Ägypten und Tunesien. Brückner ist daher der Meinung, dass die Reisewarnung dahingehend angepasst und die Zielländer separat bewertet werden müssten. "Hier sollte die Regierung schnell handeln." Tochter und Kollegin Alina Brückner fliegt Mitte Juli auf die griechische Insel Zakynthos. "Ich freue mich schon sehr und habe keinerlei Bedenken wegen der Flugreise", so die Tourismuskauffrau.

Die prekäre Lage der Reisebüros bestätigt auch Sabine Huber, Inhaberin des Reisebüros Hornig in Pfaffenhofen, die ebenfalls vor allem mit Umbuchungen beschäftigt ist. Eine Umbuchung oder Stornierung ist bei Reisezielen, die nicht mehr der weltweiten Reisewarnung unterliegen, aber nicht ohne Weiteres kostenfrei möglich. "Grundsätzlich ist der Kunde dann von der Kulanz des Reiseveranstalters abhängig. Diese kämpfen aber auch um jeden Euro", sagt Sabine Huber. Man kann sich vorstellen, dass das oftmals schwierig zu lösen ist. Dem Reisebüro selbst seien die Hände gebunden, so Sabine Huber weiter, die sich wie Andrea Brückner klarere Aussagen seitens der Politik wünschen würde: "Das würde uns die Arbeit erheblich erleichtern. Ehrlich gesagt sind wir nervlich am Ende."

 

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind für die Reisebüros die Hotels. Sie dürfen oftmals nicht mehr als 60 Prozent der Plätze belegen; "an der Nord- und Ostsee sind die Hütten daher voll", wie Huber berichtet. Kurz nach Aufhebung der Reisewarnung konnte sie für einen Kunden eine Italienreise buchen - die schlussendlich seitens des Hotels storniert wurde. Sie selbst fliegt Mitte Juli nach Griechenland und freut sich bereits sehr: "Die Einschränkungen durch Corona hat man im In- wie im Ausland. Ich denke, dass wir lernen müssen, damit zu leben. Und wann hat man jemals so luftige Strände."

Augenscheinlich richten sich aber viele Bürger auf einen Sommerurlaub zu Hause ein, wenn man sich in den Wohngebieten im Landkreis umsieht. Im Rohrbacher "Schelmengrund" etwa wurden viele Gärten mit Pools und Trampolins ausgestattet. Seit wenigen Wochen gehören auch Vroni und Simon Oberhauser zu den stolzen Pool-Besitzern. Als es noch so aussah, als könne man heuer gar nicht in Urlaub fahren, hat Vroni Oberhauser den Aufstellpool kurzerhand im Internet bestellt. Ihr Mann war anfänglich von der Neuanschaffung nicht begeistert, doch jetzt möchte keiner mehr das kühle Nass im Garten missen. Vor allem die Kinder Kilian und Viktoria springen täglich in den Pool - und das bei jedem Wetter. Für die Sommerferien hat Familie Oberhauser aber trotzdem einen Italien-Urlaub im Bungalow geplant und will je nach Corona-Lage spontan entscheiden. In den Pfingstferien waren sie an der Altmühl Kanufahren und Zelten und haben festgestellt: Eigentlich ist es zu Hause auch ganz schön.

Auf heimatnahen Urlaub setzt auch Familie Göthel aus Rohrbach. "Wir sind ohnehin nicht die Club-Urlauber und verbringen mit den Kindern am liebsten Zeit in der Natur und beim Wandern", erzählt Bettina Göthel. Mitte Juni stand ein Bauernhof-Urlaub in der Nähe von Bad Reichenhall auf dem Plan. Die Kinder konnten jederzeit die Tiere im Stall besuchen und es gab einen Spielplatz mit Blick auf den Berg vor der Haustüre. In der Ferienwohnung war die Familie für sich und hat von Corona wenig mitbekommen. Ein weiterer Bauernhof-Urlaub ist bereits am Simssee geplant. Eine Flugreise würde die vierköpfige Familie derzeit dagegen nicht antreten. "Die Rückführung im Krankheitsfall ist uns zu ungewiss. Außerdem kennt man die Standards vor Ort nicht", so Steve Göthel. Diese Vorbehalte hat sicherlich nicht nur der zweifache Familienvater - verständlicherweise.

PK

Stefanie Grindinger