Wirtschaft will billiger, nicht besser werden

17.01.2021 | Stand 12.03.2021, 3:34 Uhr

Zu "Landratsamt genehmigt Masterweiterung" (PK vom 12. Januar): Bereits vor über 35 Jahren hat Professor Bernhard Grzimek, Naturschützer und Tierfilmer, die Massentierhaltung angeprangert.

In all den Jahrzehnten hat sich leider nichts geändert: Politiker fördern und Behörden genehmigen die Massentierhaltung. Der Verein "Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung" prangert den Antibiotika-Einsatz in der industriellen Tierhaltung an bis hin zu Reserve-Antibiotika, die eigentlich dem Menschen für Notfälle vorbehalten sein sollen. Bei zigtausend Tieren in der Geflügelmast kann man nicht jedes einzelne kranke Tier behandeln, sondern nur alle in der Halle, daher wird bereits dem Geflügelfutter Antibiotika beigemischt. Diese Information stammt von einem Futtermittelhersteller.

Nach Schätzungen der Europäischen Seuchenschutzbehörde starben 2019 in Europa bis zu 33 000 Menschen durch multiresistente Keime. In der Massentierhaltung werden routiniert Antibiotika missbraucht, auch Reserve-Antibiotika (Quelle: Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch). Die Wirtschaft hat sich entschieden. Sie möchte billiger, nicht besser werden. Unsere Bundeslandwirtschaftsministerin wollte mit der deutschen Geflügelwirtschaft über weniger Antibiotikaeinsatz in Ställen verhandeln, diese sei jedoch nicht gesprächsbereit. Wenn der Verbraucher Geflügelfleisch kaufen will, dann am besten aus ökologischer Erzeugung oder aus Hofschlachtung (siehe ZDF-Sendung "Frontal 21" vom 27.Oktober 2020).

Und nun zur Eschelbacher Hähnchenmast: Denkt jemals einer darüber nach, was man den Dorfbewohnern abverlangt? Natürlich nicht, weil die Entscheider persönlich keinen Lkw-Verkehr vor ihrem Wohnzimmerfenster aushalten müssen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten. Es wird immer nur von weniger Fahrten geredet und geschrieben, ich denke jedoch es wäre mal interessant zu erfahren, wieviele Lkw-Fahrten hinzukommen zu den jetzt ohnehin schon vorhandenen Belästigungen. Das Schutzgut "Mensch" und auch "Tier" kommt da ja wohl eher zu kurz. Die Zufahrtstraße nach Eschelbach wurde auf Vordermann gebracht, damit unter anderem der Lkw-Verkehr fließen kann. Außerdem wäre es wirklich interessant zu erfahren, wer eigentlich die Auflagen kontrollieren wird. Darüber hinaus: Woher kommt eine angebliche Zunahme der Nachfrage nach Hähnchenfleisch? Zur Zeit ist das doch wohl eher nicht der Fall oder sehe ich da etwas falsch?
Renate Keßler
Rohrbach