Rodung in der Schacht war richtig

29.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:05 Uhr

Zu den Berichten über die umstrittene Rodung in der Oberstimmer Schacht:Ich bin Mitglied im BN seit 1969, im Mai 1976 wurden Ludwig Hirschberger und ich zu den Vorsitzenden der Kreisgruppe gewählt.

In diesen 51 Jahren haben mich der Naturschutz und auch der Bund Naturschutz nicht losgelassen. Vor diesem Hintergrund an Erfahrungen und Erlebnissen kann ich den Baumfällungen in der Schacht nur zustimmen. Sie hätten lediglich schon 40 Jahre früher stattfinden sollen. Damals lernte ich im Rahmen der ersten Biotop-Kartierung in Bayern Dr. Peter Jürging vom Lehrstuhl für Landschaftsökologie in Weihenstephan kennen. Er hatte Anfang der 80er Jahre im Rahmen seiner Kartierungsarbeit die Oberstimmer Schacht "entdeckt" und uns als frisch gegründeter BN-Kreisgruppe klargemacht, welch Juwel an Artenvielfalt wir da zu betreuen hätten. Wie diese Betreuung ablaufen sollte, hat er sinngemäß so beschrieben: den Baum- und Strauchbewuchs weitestgehend auch auf der Fläche entfernen und dann von der Bundeswehr alle paar Jahre ein Panzermanöver dort veranstalten. Mit diesem bewusst drastischen Bild hat er die absolute Notwendigkeit der Offenhaltung des Gebiets für Licht und Wärme/Kälte unterstrichen.

Auch Walter Franz, unmittelbarer Anlieger der Schacht, seines Lieblingsbiotops, drängte - ohne wissenschaftlich-akademischen Vorlauf - zu seiner Zeit bei jeder Jahresversammlung der Kreisgruppe auf Rodung. Allein, seine flammenden Appelle blieben ungehört, die Personaldecke an Aktiven war zu dünn.

Nur eine andere, große Rodung wurde in den 80ern realisiert: die Befreiung der Nöttinger Viehweide von der seit Aufgabe der Beweidung immer stärker werdenden Sukzession an Birken, Weiden, Aspen, Kiefern und Faulbaum. Als damals die ersten großen Bäume fielen, kam es vor Ort unter den BN-Leuten zu harten Debatten, ob das noch mit Naturschutz vereinbar sei. Es gelang uns schließlich, unsere BN-Aktiven davon zu überzeugen, dass das Ziel der Aktion, die Erhaltung einer mittelalterlichen Waldweidelandschaft mit ihrem speziellen Arteninventar, nur mit rigoroser Abholzung zu erreichen sei. Hätte man damals nicht durchgegriffen, wäre das Gebiet heute von einem Allerweltsmischmasch total zugewachsen.
Bei der Oberstimmer Schacht geht es weniger um kulturgeschichtliche Aspekte, als darum, einen bestimmten Zustand eines Biotops festzuhalten. Nur so lassen sich die Bedingungen einer extrem nährstoffarmen, weithin offenen Kiesfläche bewahren. Und das ist in unserer von Stickstoff strotzenden Landschaft gar nicht so einfach.
Noch viel schwieriger dürfte es sein, die Nassstellen im früheren Umfang wieder aufzufüllen. Trockene Sommer und die letztlich durch den gigantischen Kiesabbau hervorgerufene Einspiegelung des Grundwassers, verbunden mit einem Absinken seines Niveaus im Süden und einem Ansteigen im Norden (die Ernsgadener kennen das), stimmen mich hier skeptisch.
Fest steht bloß eines: die Oberstimmer Schacht wird nur dann einigermaßen wieder zu dem, was sie einmal war, wenn man massiv der Sukzession entgegensteuert, auch wenn dabei durch langjährige Gewöhnung lieb gewordenen Details verschwinden.

Hermann Kaplan

Fernhag